Sie predigte vor einem Millionenpublikum
Lissy Eicherts „Wort zum Sonntag“ hatte viele Fans auch bei Berliner Obdachlosen und sogar in Brasilien
„Kommen Sie gut durch die Nacht.“ So lautete Lissy Eicherts letzter Gruß nach 68 Folgen „Wort zum Sonntag“. Fast ein Jahrzehnt lang hatte die Berliner Theologin und Pastoralreferentin einem Millionen-Publikum in der ARD die Frohe Botschaft verkündet – und blieb dabei ganz bodenständig. Ihr Abschied von einer der ältesten deutschen Fernsehsendungen verlief allerdings anders als geplant.
Lissy Eichert arbeitet in der Kirchengemeinde St. Christophorus in Berlin-Neukölln, einer Kirche im sozialen Brennpunkt in der heute fusionierten Großpfarrei Heilige Drei Könige. Dort wirkt das Mitglied der Pallottiner-Unio zusammen mit ihrem Mitbruder Pallottinerpater Kalle Lenz als Seelsorgeteam. Gemeinsam mit der Gemeinde kümmern sie sich auch um Geflüchtete, Arme und Bedürftige. Die Pastoralreferentin begleitet u. a. Frauen und Männer, die dort Wort-Gottes-Feiern gestalten.
Ihr Engagement hatte sich im Erzbistum Berlin herumgesprochen. Denn von dort kam 2013 die Anfrage an Lissy Eichert, ob sie am Samstagabend das „Wort zum Sonntag“ im Ersten sprechen könnte. Sie habe erstmal gelacht und gesagt: „Was, das Wort zum Sonntag gibt es noch?“ Lissy Eichert erinnerte sich aus Kindertagen an die christliche Sendereihe nur als Pausenfüller.
Grünes Licht von oben
Zunächst habe sie sich mit Händen und Füßen gewehrt und viele Alternativen vorgeschlagen. Doch sie blieb auch nach einem Casting erste Wahl. Als sie im Gebet die Worte des Psalm 40 ansprangen: „Du wirst verkündigen vor großer Gemeinde“, bekam sie dann auch noch grünes Licht von oben. Für sie waren die Worte ein inneres „Go!“ Und Lissy Eichert empfand es auch als Statement, als Frau im Auftrag für eine sonst so männerdominierte katholische Kirche zu sprechen.
2015 war ihre Fernsehpremiere. „Ich war super nervös. Meine Füße konnten nicht stillstehen. Ich war viel zu laut und zu schnell“, erinnert sich Lissy Eichert. Zwischen ihrer ersten und letzten Sendung liegen aus ihrer Sicht Welten. Sie wurde routinierter, doch ganz ist die Nervosität vor der Aufzeichnung nie verschwunden. „Es hat mir auch hohen Respekt eingeflößt, vor über einer Million Leuten zu sprechen“, erinnert sich Lissy Eichert. Beim ersten Mal sprach sie über die Kirchenreformerin Teresa von Avila. Es ging um das Gebet der Heiligen als „Quatschen mit Gott wie mit einem guten Freund“. Auch die Pastoralreferentin hat sich vorgenommen, „mit dem lieben Gott auf Du und Du durch das Leben zu gehen.“ Und so fragte sie sich: „Was möchte Gott durch mich in diesen vier Minuten sagen?“ Denn mehr Zeit blieb ihr nicht. Obwohl Lissy Eichert auch gerne predigt. „… und das locker 20 Minuten lang!“ Allerdings ist das „Wort zum Sonntag“ strenggenommen keine Predigt, sondern bietet eine Perspektive aus dem Glauben zu aktuellen Themen an.
Viel Teamwork für vier Minuten
Wie viel Aufwand in den schnell versendeten vier Minuten steckt, ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Zwei Wochen vor Sendetermin ging es jeweils bei einem Waldspaziergang an einem freien Tag um die Themenfindung. Lissy Eichert hat da auch immer die Pallottinische Gemeinschaft Berlin einbezogen. Vom Erzbistum wurde sie kompetent von zwei Redakteuren begleitet. Mehrfach wurde der Textentwurf abgestimmt und auf Sendelänge gekürzt. An der abschließenden Aufzeichnung im Sender des rbb waren 15 bis 20 Leute beteiligt. Bis zuletzt wurde um Worte gerungen. Auch spontane Textideen einer Kamerafrau flossen schon mal mit ein. Mal klappte es auf Anhieb, mal waren bis zu acht Anläufe nötig.
Immer wieder griff Lissy Eichert Alltagsthemen auf, die sich auch vor ihrer Haustür in Berlin-Neukölln abspielen. „Die Welt ist aus den Fugen geraten“, sagt sie. Umso wichtiger war es ihr, im Fernsehen über die gute und hoffnungsvolle Botschaft von der Liebe Gottes sprechen. Und zwar in einer Sprache, die die Menschen heute verstehen. Die Gottesebenbildlichkeit und damit einhergehend die Menschenwürde sind für sie hochpolitische Themen. So hat sie sich auch immer wieder klar gegen Ungerechtigkeit und Hass positioniert. Ein Shitstorm ist ihr trotzdem erspart geblieben. „Da hat mich Gott davor bewahrt“, glaubt Lissy Eichert.
Ihre größten Fans waren Obdachlose und Bedürftige aus Berlin-Neukölln. Die fragten dann schon mal in Kneipen nach, ob sie das „Wort zum Sonntag“ im Fernseher anschauen dürfen. Anders als von ihrem Stammpublikum wurde Lissy Eichert auf der Straße nicht als „Wort zum Sonntag“-Sprecherin erkannt. „Im Alltag bin ich im Gegensatz zum Fernsehen nicht geschminkt. Die beiden Personen bringen die Leute nicht zusammen“, schmunzelt sie.
Ihr Brief an Wladimir Putin
Dabei war sie zumindest zwischendurch mal eine kleine Berühmtheit. 2022 las sie einen fiktiven Brief an den „sehr geehrten Bruder Wladimir Putin“ vor, weil der russische Präsident orthodoxer Christ ist. Ihr Appell lautete: „Stoppen Sie den Krieg.“ Dieses „Wort zum Sonntag“ wurde dann sogar im brasilianischen Fernsehen gezeigt.
Es war die eigene Entscheidung von Lissy Eichert, sich als „Wort zum Sonntag“-Sprecherin zu verabschieden. „Nach fast zehn Jahren war es ein guter Zeitpunkt“, sagt sie. Wichtig war es ihr, dass es mit einer Jüngeren weitergeht. Mit Magdalena Kiess hat eine 35-jährige Pastoralreferentin ebenfalls aus Berlin übernommen. „Der Druck ist weg, aber mein Leben ist nicht langweilig, sondern vielfältig“, sagt Lissy Eichert. Nun komme sie auch mal dazu, ein Buch in Ruhe zu Ende zu lesen.
Ihr Abschied fiel allerdings anders aus als geplant. Die Aufzeichnung für ihre letzte Sendung mit dem adventlichen Titel „Oh Du Fröhliche!“ war bereits fertiggestellt. Dann passierte der Anschlag in Magdeburg. Auf die Schnelle musste ein neues „Wort zum Sonntag“ aufgenommen werden. Die zentrale Botschaft von Lissy Eichert lautete: „Der Angst nicht das Feld überlassen.“
Von ihrem Fernsehpublikum hat sie sich am Ende nicht verabschiedet. „Das hätte ich unangemessen gefunden“, sagt Lissy Eichert. Nicht sie als Sprecherin sei wichtig, sondern dass die Botschaft in die Welt kommt.

Bericht: Andreas Schmidt
Bilder: Ben Knabe
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