Ein christlich-spirituelles Verständnis von Lebensqualität
Pallottinische Fragen in Zeiten der Pandemie
Die Pandemie hat uns gezwungen, zu Hause zu bleiben. Keine Reisen, kein Einkaufszentrum, nur das konsumieren, was nötig ist. Von einem Tag auf den anderen haben wir realisiert, dass alles das, was wir als notwendig betrachteten, gar nicht notwendig ist, und alle Dinge, die wir als ganz weit weg an der Peripherie unseres Lebens angesehen haben und auf die wir nicht viel Zeit oder Anstrengung verschwendet haben, diese wurden auf einmal ganz fundamental: unsere Kinder umarmen, mit unseren Freunden spazieren gehen, unsere Großeltern besuchen, ein Buch lesen, sich an der Natur und der frischen Luft erfreuen, gute Musik hören, den Glauben in Gemeinschaft in unseren Kirchen feiern usw. Wir können sagen, dass wir gezwungen wurden anzuhalten und darüber nachzudenken, wie wir unser Leben leben.
In der modernen Welt, in der wir leben, und mit dem Wachsen technischer und wissenschaftlicher Leistung, haben wir uns zunächst und vor allem auf das Abenteuer eingelassen, das ganze Universum zu erobern. Wir sollten sehr dankbar sein für die technischen und wissenschaftlichen Fortschritte, die die Lebensqualität im allgemeinen und besonders in den Feldern der Gesundheit und der Medizin verbessert haben.
Aber irgendwo auf diesem Weg haben wir einiges verloren. Wie Odysseus in der Odyssee auf dem Weg ständiger Eroberungen, müssen wir alle Geheimnisse entschlüsseln, und alle diese müssen von der Menschheit erkannt und verstanden werden. Da gibt es keinen Platz für Mystizismus und für Nachdenken.
Das Ziel: alles Mögliche zu beherrschen, zu produzieren, auszubeuten, um einen hohen Grad an Entwicklung zu erreichen. Eine Entwicklung, die ungleich verteilt ist; offensichtlich, weil man im Zentrum nicht die menschliche Person findet, sondern man findet stattdessen die Jagd nach Macht um der Macht willen. Die Natur, die ganze Erde und die Menschheit selbst sind ein Mittel für ein Ziel geworden: zu herrschen und zu produzieren, koste es was es wolle. Jede Tätigkeit, die nicht „produktiv“ für das System ist, wird als unbedeutend angesehen, als eine Vergeudung von Zeit: Kunst, Philosophie und Theologie offensichtlich zu missachten, in den Keller zu verbannen, wo man die Sachen findet, die ihren Wert verloren haben.
Aber die Pandemie hat uns gezwungen, uns selbst einige Fragen zu stellen: Wohin gehen wir? Zu welchem Zweck wollen wir alles und jeden in jedem Moment beherrschen? Welchen Sinn hat der Erwerb von so viel Wissen und Macht, wenn wir am Ende nicht glücklicher sind? Macht es Sinn für die Menschheit, als menschliche Gattung in einem System zu leben, in dem die Mehrheit der Weltbevölkerung nicht die nötigen Bedürfnisse befriedigen kann? Macht es Sinn, immer weiter in einer Weise zu leben, als ob die Ressourcen der Natur unendlich wären, wenn sie dies in Wahrheit nicht sind?
Fünf Jahre vor dieser Pandemie sagte uns Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato Si: „Die christliche Spiritualität schlägt ein anderes Verständnis von Lebensqualität vor und ermutigt zu einem prophetischen und kontemplativen Lebensstil, der fähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein. Es ist wichtig, eine alte Lehre anzunehmen, die in verschiedenen religiösen Traditionen und auch in der Bibel vorhanden ist. Es handelt sich um die Überzeugung, dass „weniger mehr ist“.
„Die Lebensqualität verstehen“, diese knappe Erklärung ist wesentlich! Was verstehen wir unter „Lebensqualität“? Unser momentaner Lebensstil lässt uns glauben, dass gute Lebensqualität etwas ist, das in ständiger Ausweitung wächst, das heißt, dass wir ständig Dinge erwerben, unser Eigentum und unseren Besitz unsere Quellen, unsere Kleidung, Autos, Titel etc. vergrößern. Aber Jesus, und natürlich Vinzenz Pallotti, haben uns gelehrt, dass ein authentisches menschliches Leben etwas ist, das in die Tiefe wächst. Eine Tiefe, die bereichert, ist gekennzeichnet von der Fähigkeit zu lieben, von Werten, von der Fähigkeit, sich am Geben zu erfreuen, vom Glücklich-Sein und vom Sich-Freuen an den einfachen Dingen des Lebens.
Wir hoffen, dass diese harte, schwierige Situation der Pandemie uns helfen wird, bessere Menschen zu werden, und uns mehr bewusst zu werden, wie viele Dinge wir nicht brauchen, um leben zu können. Wir hoffen, dass wir weiser werden und uns auf das Wesentliche konzentrieren und dass wir nicht Größer-Werden mit Tiefe verwechseln. Wir müssen uns auch bewusst werden, dass unser Gemeinsames Haus und die menschliche Person niemals ein Mittel zum Zweck sein dürfen, oder richtiger, er/sie findet in sich selbst das Ziel.
Wir haben das ökonomische Paradigma und die kommerziellen Verbindungen auf die menschlichen Bindungen übertragen, und das ist ein großer Fehler. Die einzelne Person kann nie ein Mittel sein, meine Sehnsucht zu befriedigen, sondern die Person muss immer das Ziel in sich selbst finden. Menschen, genau wie die Schöpfung sollten nicht ständig zu einem ökonomischen Fortschritt um jeden Preis beitragen.
Wir müssen wirklich und wahrhaftig Gott anrufen, um uns bewusster zu machen, dass der stetige Durst nach Herrschaft umgewandelt werde in einen Hunger und Durst nach Dienen. Mögen unsere christlichen Gemeinschaften alternative Räume werden für die Kultur des Herrschens, auf dass sie Räume werden, in denen jeder einbezogen und geschützt ist; Gemeinschaften, die Schule der Mäßigung und Räume der Freiwilligkeit sind.
„Die christliche Spiritualität regt zu einem Wachstum mit Mäßigkeit an und zu einer Fähigkeit, mit dem Wenigen froh zu sein. Es ist eine Rückkehr zu der Einfachheit, die uns erlaubt innezuhalten, um das Kleine zu würdigen, dankbar zu sein für die Möglichkeiten, die das Leben bietet, ohne uns an das zu hängen, was wir haben, noch uns um das zu grämen, was wir nicht haben. Das setzt voraus, die Dynamik der Herrschaft und der bloßen Anhäufung von Vergnügungen zu meiden.“
Durch die Fürsprache Vinzenz Pallottis bitten wir Gott, dass wir nach dieser Pandemie die Lektion gelernt haben, dass wir gegenseitig voneinander abhängen, dass wir alle in dem Gemeinsamen Haus leben und dass wir alle im selben Boot sitzen.
Einige Fragen für das persönliche und das gemeinsame Gebet:
• Haben Sie während der Selbstisolation zu Hause darüber nachgedacht, wie Sie leben? Was sind für Sie die wichtigsten Dinge?
• Glauben Sie, dass Sie in Ihrem Leben eher mit dem Wachsen des Vergrößerns oder mit dem Wachsen in die Tiefe beschäftigt sind?
• Fühlt sich jeder in Ihrer christlichen Geminschaft angenommen und willkommen?
• Behandeln Sie andere als ein Mittel zum Zweck oder als Ziel?
• Glauben Sie, dass Sie in christlicher Bescheidenheit leben?
• Haben Sie ein wirkliches Bewusstsein für unser Gemeinsames Haus?
• Welche Aktivitäten könnten Sie in Ihrer Gemeinschaft fördern, um besser Sorge zu tragen für unser Gemeinsames Haus?
Dieser Text ist an die Mitglieder der pallottinischen Familie (UNIO) adressiert und stammt von Pater Lic. José Luis Gulpio SAC. Pater Gulpio ist derzeit im Lizentiat an der Päpstlichen Philosophischen Universität Gregoriana in Rom und Doktorand in Erziehungsmanagement an der Katholischen Universität in Uruguay.
Quelle: Apostel heute, Juli 2020, UAC, Roma, Italia
Bild: marina_dikh Adobe Stock
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