Viele arbeiten zusammen, damit die Pallotti-Stele entstehen kann

An das Feuer eines Heiligen erinnern

Goldschmiedin baut Stele mit Glasstücken der Vinzenz-Pallotti-Kirche

Es waren ein paar Glasstücke, die bei Anita Lingens-Lauer einen Stein ins Rollen brachten. Seit ihrer Kindheit war sie nämlich mit der Pallotti-Kirche in Stuttgart verbunden. Bis sie 2018 abgerissen wurde. Als ihr Freunde ein paar Stücke der Glasfenster sicherten, reifte in der 53-jährigen Goldschmiedin die Idee, ein Kunstwerk zur Erinnerung zu gestalten. „Irgendwas von Pallotti sollte bleiben“, sagt sie.

Sie hat diese Fenster geliebt, und das Licht, das sie verbreiteten. Und weil Freunde von Anita Lingens-Lauer dies wussten, rückten sie mit Hammer und Meißel an, um für sie Glasstücke aus dem Beton zu klopfen. Mit Erlaubnis des Bauherrn natürlich. Denn im Gegensatz zur Taufkapelle, die als Kunstwerk im neuen Pfarrsaal auf dem Wohngelände erhalten werden sollte, waren die Glasfenster dem Abrissbagger preisgegeben.

In Zeitungspapier verpackt standen die Erinnerungsstücke erstmal in einer Holzkiste auf dem Balkon, während Lingens-Lauer die Entwicklung in der katholischen Kirche Stuttgart beobachtete: Nicht nur dass die Pallotti-Kirche abgerissen worden war, aus den ehemaligen vier selbstständigen Gemeinden, zu denen auch die Vinzenz-Pallotti-Kirche gehörte, wurde eine einzige Seelsorgeeinheit und Gesamtkirchengemeinde: Johannes XXIII. Das Stuttgarter Stadtdekanat versuchte schon länger, mit einem Erneuerungsprojekt namens „Aufbrechen“ neue Wege zu beschreiten. Und in Anita Lingens-Lauer reifte die die Erkenntnis: „Wir brauchen nicht weniger Pallotti, sondern mehr.“

Brennen für die Sache Jesu

Damit meinte sie aber nicht die Kirche und das Gebäude, sondern Menschen wie Pallotti. Menschen, wie sie sie im Laufe der Jahrzehnte im Stuttgarter Stadtteil Birkach kennen gelernt hat, zum Beispiel den ehemaligen Provinzial und General der Pallottiner, Fritz Kretz, der dort Vikar war, als Anita Lingens-Lauer eine Jugendliche in der Pfarrei war. Viel wusste sie nicht über den italienischen Namensgeber ihrer Kirche. Aber dass er gebrannt hat für die Sache Jesu und dass er die Not lindern wollte, wo er sie sah, das war ihr klar. Und genau so einen braucht die Kirche, fand sie. „Einen, der nicht nur den Untergang verwaltet.“

Bestätigt hat sie in ihrer Sehnsucht eine Aussage des amerikanischen Franziskanerpaters Richard Rohr. Dieser erklärte in einem seiner Newsletter, dass das, was die Kirche Jahrhunderte lang stark gemacht hat, nun zu ihrem Untergang führt, nämlich die Hierarchie und die Macht.

Ein Zeichen für Pallottis Feuer setzen

Und plötzlich wusste sie, was mit den Glassteinen zu tun war: „Ich wollte ein Zeichen setzen“, sagt sie. Eine Stele bauen, in der die Steine eingesetzt sind, und sie auf dem Gelände der ehemaligen Pallotti-Kirche aufstellen, auf dem das katholische Siedlungswerk Wohnungen, Kindergarten und ein Pallotti-Haus plant, in dem anerkannte Flüchtlinge, ein Pfarrsaal und die Franziskanerinnen von Sießen einziehen werden (siehe unten).

Mit den Glassteinen in der Hand schritt sie entschlossen zum nächsten Baustellenfest und sprach die Verantwortlichen einfach auf ihre Idee an. Und siehe da: Die Architekten zeigten sich interessiert. Sie durfte einen Entwurf vorlegen und einen Kostenvoranschlag einreichen. Sie baute ein Modell 1:1, tat sich mit einem Steinmetz zusammen und modellierte einen ersten Entwurf. Auf einem Sockel, der den Grundriss der ehemaligen Kirche hat, stehen drei Stelen mit den Glassteinen, die unten in dunklen Farben beginnen und nach oben leuchtender werden als Symbol für das Feuer Pallottis, das aus der dunklen Not erwächst.

Aufgrund der dunklen Violett- und Grautöne braucht die Stele jedoch Licht, so dass der genaue Standort vor dem Haus noch ausgetüftelt werden musste: Wo ist es hell genug, und wo ist es städtebaulich auch erlaubt und sinnvoll? Mit Folien von Scheinwerfern simulierte sie die Stelen und testete den Standort aus. Und wie Pallotti mit allen möglichen Menschen in Rom zusammenarbeitete, begann auch sie, andere in ihr Projekt einzubeziehen: Statiker, Metallbauer, eine Firma, die mit Polymer-Beton arbeitet, den man dünnwandiger machen kann.

Hinweis auf Pallottiner-Homepage

Wann die Stele nun wirklich kommt, steht noch nicht ganz fest. Vielleicht im Mai 2021, hofft Lingens-Lauer. Es hänge ein Stück von den Außenarbeiten ab, die einigermaßen fertig sein müssen. Die großen Maschinen müssen dabei aber noch da sein, um beim Aufstellen zu helfen. Auf dem Sockel soll der Namenszug Vinzenz Pallottis aufgebracht sein und an der Hauswand möchte sie eine Erinnerungstafel für die Pallottiner anbringen mit einem QR-Code zur Pallottiner-Homepage.

Lingens-Lauer glaubt fest daran, dass die Kirche sich aus Menschen zusammensetzt und nicht an Gebäuden hängt. Die Impulse, die es in der ehemaligen Pallotti-Kirche gegeben habe, seien nicht weg, sagt sie. Die Menschennähe, die Seelsorge, die die Pallottiner vermittelt haben, das könne man nicht in Kursen lernen, ist sie überzeugt. „Wir brauchen etwas Lebendiges, kein totes Gebäude.“ Und das will sie mit ihrer Stele vermitteln.

Erinnerungstafel an die Pallottiner, die Pallottikirche und den Heiligen

Info:
Das Pallotti-Areal: Menschen verbinden

Wo bis Oktober 2018 die St. Vinzenz-Pallotti-Kirche stand, will die Diözese Rottenburg-Stuttgart ein Leuchtturmprojekt verwirklichen. Die Siedlungswerk GmbH realisiert im Stadtteil Birkach ein inklusives Wohnbauvorhaben mit 60 Eigentumswohnungen, einer viergruppigen Kindertagesstätte, sieben Mietwohnungen, fünf Wohngruppen für insgesamt 35 Geflüchtete, zwei Wohngruppen für Studenten, einem Gemeinderaum der katholischen Kirchengemeinde St. Antonius, einem Quartiersraum für die Begegnung der Menschen und einem kleinen Konvent der Franziskanerinnen von Sießen.

Denn in dem neu entstehenden Wohnquartier St. Vinzenz Pallotti sollen die Themen Nachbarschaft und Integration aktiv gelebt werden. Ein vom Siedlungswerk beschäftigter Quartiersmanager bietet den Bewohnern vor Ort die Möglichkeit, sich untereinander zu vernetzen und so Nachbarschaft und Integration durch verschiedene Aktionen und Veranstaltungen aktiv zu gestalten.

Im Herzstück des Quartiers, dem „Pallotti-Haus“, vor dem die Pallotti-Stele errichtet werden soll, befinden sich extra für diesen Zweck der Quartiersraum und ein Büro. Dieses wird gemeinschaftlich vom Caritasverband Stuttgart, dem Quartiersmanager und der Pastoralstelle der Diözese Rottenburg-Stuttgart genutzt.

Die katholische Kirchengemeinde St. Antonius hat, im Andenken an die Pallotti Kirche, hier ihren Gemeinderaum. Der Caritasverband Stuttgart betreut im „Pallotti-Haus“ Menschen mit Fluchterfahrung im Asylverfahren. Daneben wohnen in diesem Gebäude Studierende mit Migrationshintergrund der Universität Stuttgart-Hohenheim in zwei Wohngruppen. Im Quartier soll es zudem einen Konvent der Franziskanerinnen von Sießen, mit einigen Schwestern, geben.

Generalvikar Dr. Clemens Stroppel, der auch Aufsichtsratsvorsitzender des Siedlungswerks ist, sagt dazu: „Die Diözese möchte am Standort einer Kirche, die aufgegeben werden musste, ein neues Quartier als Lebensraum für Menschen entstehen lassen, in dem auch Kirche lebt.“ Er wünscht sich dabei einen „bunten, lebendigen Wohn- und Lebensraum in der Stadt“, der Menschen Wohnen ermöglicht, Menschen füreinander öffnet, untereinander verbindet und miteinander leben und Kirche erleben lässt“.

Text und Bilder: Alexander Schweda

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