„Bittet nun den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte schickt"!
Ein Reflexionsimpuls zum „Jubiläum der Seminaristen“ von 石泉恩 Chuan-En Shih (Joseph) aus Taiwan
Jede Berufungsgeschichte ist anders. Manche beginnen mit einem Donnerschlag, andere mit einem Flüstern. Meine begann in der Stille. In meiner Heimat, in Taiwan, fragten mich manchmal die Leute: „Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass Gott Sie ruft?“ Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht genau. Ich hatte nicht den einen großen Moment, in dem sich alles änderte. Meine Reise mit Gott begann im Stillen, als ich noch ein Baby war. Ich wurde getauft, und von klein auf nahmen mich meine Eltern jeden Sonntag mit in die Kirche. Ich besuchte auch die Sonntagsschule und nahm an vielen Aktivitäten in unserer Gemeinde teil. Der Glaube war immer ein Teil meines Lebens.
So ist es nicht verwunderlich, dass ich den Weg zum Priestertum eingeschlagen habe. Dennoch war ich mir dessen nicht immer sicher. Ich habe meinen Glauben einfach gelebt, ohne mir allzu viele Gedanken darüber zu machen. Ich hatte keine starke emotionale Erfahrung mit der Liebe Christi, die mich dazu gebracht hätte, Priester zu werden.
Die Frage stellte sich mir erst Jahre später wieder, als ich den obligatorischen Militärdienst leistete. In dieser Zeit begann ich, mehr über meine Zukunft nachzudenken. Ich wurde neugierig auf das Leben im Priesterseminar – wie es wäre, mit anderen zu studieren und zu leben, die ebenfalls Priester werden wollten.
Im Jahr 2015, nach Beendigung meines Militärdienstes, lernte ich Pater Solomon Titus Ray, ein Pallottiner aus Tamil Nadu, kennen. Er machte mich mit der pallottinischen Gemeinschaft bekannt. Bald darauf trat ich in das Formationshaus der Gesellschaft auf den Philippinen ein und begann meine Ausbildung. Sechs Monate später trat ich, ohne zu zögern, ins Noviziat ein. Es war eine besondere Zeit der Stille, des Gebets und des Kennenlernens des Lebens und der Spiritualität des heiligen Vinzenz Pallotti, des Gründers der Gesellschaft des Katholischen Apostolates.
Im Jahr 2018 beendete ich mein Noviziat und kehrte nach Taiwan zurück, wo ich meine erste Weihe ablegte. Letztes Jahr, 2024, legte ich meine ewige Weihe in Deutschland ab und setze nun mein Theologiestudium dort fort.
Christus sendet uns, aber niemals allein
Diese Reisen haben sowohl Herausforderungen mit sich gebracht – vor allem in Bezug auf Sprache und Kultur – als auch tiefe Gnaden. Die Ermutigung durch meine Ausbilder, die Geschwisterlichkeit der Mitbrüder und die Kraft des Gebets haben mich gestärkt.
In einem fremden Land zu studieren ist nicht einfach. Ich bin dankbar, dass ich von meinen Mitbrüdern und unseren Ausbildern sehr unterstützt wurde. Ihre Hilfe ließ mich bewusst erleben, dass ich nicht allein bin. Das ist das Gute am Gemeinschaftsleben – wir werden nie allein zurückgelassen. Es ist wahr, Christus sendet uns, aber niemals allein. Wir wachsen gemeinsam. Wir helfen einander, wenn es schwierig ist, und wir feiern zusammen, teilen Freude und Leid. Die Worte des heiligen Paulus werden Wirklichkeit: „Die Liebe Christi drängt uns“.
Das ist nicht nur eine schöne Formulierung. Christi Liebe ist der Kern, der letztliche Beweggrund für unsere Berufung. Es ist die Liebe, die uns Mut macht, wenn wir uns unzulänglich fühlen. Es ist die Liebe, die uns lehrt, wie man vergibt, wie man opfert und wie man dient, hochherzig, unentgeltlich.
Als Jesus sagte: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter“, sprach er genau von dieser Situation. Aber warum? Weil die Bedürfnisse der Welt so groß sind. Die Welt sehnt sich nach Wahrheit, Hoffnung und Liebe. Und das bringt uns zum Kern von Vinzenz Pallottis Vision: Alle sind berufen, Apostel zu sein. Es sind die Worte, des Völkerapostels, die er uns immer wieder uns zuruft: „Die Liebe Christi drängt uns – caritas Christi urget nos – nicht nur, die göttliche Liebe zu empfangen, sondern sie auch anderen mitzuteilen“. Durch seine Liebe hat Christus uns fähig gemacht, einander zu lieben.
Jeder von uns, unabhängig von seinem Lebensstand, ist Teil der großen Mission Gottes. Keiner ist zu jung, zu arm, zu schwach oder zu gewöhnlich, um gesandt zu werden.
Ein Gleichgewicht finden, zwischen dem Leben in der Mission und der Kontemplation
Der heilige Vinzenz Pallotti hat oft geschrieben: „Nicht der Intellekt, nicht die Talente, nicht die menschliche Kraft, sondern allein die Gnade Gottes und unsere Zusammenarbeit mit ihr bringt im Apostolat Frucht.“ Diese Worte sprechen besonders die Seminaristen von heute an. Es geht nicht darum, der Klügste, der Talentierteste oder der beste Redner zu sein. Was zählt, ist die Offenheit für die Gnade, die Treue in kleinen Dingen, die Bereitschaft zu dienen.
Ich hatte Gelegenheit, an verschiedenen Diensten teilzunehmen, die mir die wirklichen Bedürfnisse der Kirche und den Menschen von heute vor Augen führten – Jugendprogramme, Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente und soziale Einsätze. Diese Erfahrungen helfen mir, das, was ich im Seminar, an unserer Vinzenz-Pallotti-University, lerne, mit dem wirklichen Leben zu verbinden. Sie helfen mir auch, darüber nachzudenken, wie ich der Kirche in Zukunft dienen kann, und zwar nicht nur theoretisch, sondern in der Praxis.
Als Seminarist muss man heute lernen, ein Gleichgewicht zwischen dem Leben in der Mission und der Kontemplation zu finden. Wir sind Studenten, ja, aber auch zukünftige Priester, zukünftige Beichtväter und Gefährten des Volkes Gottes. Wir bereiten uns nicht nur darauf vor, in Kirchen und Kapellen zu dienen, sondern auch auf der Straße, in Schulen, Krankenhäusern, zu Hause und sogar in digitalen Räumen.
Auch der heilige Vinzenz Pallotti weist uns darauf hin: „Denkt daran, dass die kleinste Tat, die mit großer Liebe getan wird, zu einem Schatz in der Ewigkeit wird.“ Ob wir nun im Seminar sind, in der Pfarrei arbeiten oder Berufungen durch Gebet unterstützen, jeder von uns hat seinen Teil zur Ernte beizutragen.“
Beten wir gemeinsam, dass die Kirche immer heilige, freudige und engagierte Arbeiter haben wird: „Herr der Ernte, Du hast uns bei unserem Namen gerufen und uns zur Arbeit auf Deinem Feld gesandt. Rufe und sende mehr Arbeiter für deine Ernte, Herr, die dich zutiefst lieben und dir freiwillig dienen. Mache uns treu in unserer Arbeit, freudig auf dem Weg der Nachfolge und demütig in unserem Dienst. Möge die Liebe Christi uns immer wieder anspornen. Amen“.
Das Jubiläum der Seminaristen im Heiligen Jahr – eine Zeit der Erneuerung
In diesem Heiligen Jahr ist am 23. und 24. Juni das Jubiläum der Seminaristen. Dies ist nicht nur eine Feier. Es ist eine Zeit der Erneuerung, ein Moment, in dem wir uns daran erinnern, warum wir immer wieder „Ja“ zu Gottes Ruf gesagt haben und sagen. Es ist auch eine Zeit, um denen zu danken, die mit uns gegangen sind – unseren Familien, Ausbildern, Freunden und den Heiligen, wie unserem Gründer Vinzenz Pallotti, die uns weiterhin mit ihrem Leben und ihrer Lehre inspirieren.
Meine Geschichte ist nur eine von vielen. Viele andere Seminaristen auf der ganzen Welt sind ebenfalls auf diesem Weg. Einige haben den Ruf deutlich gehört. Andere, wie ich, brauchten mehr Zeit. Aber wir werden alle von der gleichen Kraft bewegt: der Liebe Christi. Wo auch immer wir sind – ob im Seminar, in der Gemeinde oder zu Hause – die Liebe Christi ruft uns immer wieder. Werden wir zuhören? Werden wir darauf antworten?
Also fragen wir noch einmal: „Herr, was willst du, dass ich tue – hier und jetzt?“
fr. 石泉恩 Chuan-En Shih (Joseph) SAC aus Taiwan
Seminarist
Vinzenz Pallotti University Vallendar (Deutschland)

Quelle: Apostel heute, Monatliche Reflexion für die Mitglieder der UNIO im Juni 2025, Hrsg.: Union des Katholischen Apostolats (Pallottinische Unio), Rom. Übersetzung: Pater Wolfgang Weiss. Fotos: Spiritual Pater John Ndidi Nwaocha SAC (2024).
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