„Gegensätze aushalten, nicht glattbügeln“
Gedenktag Pallottis: Vizeprovinzial stellt Kirchenvision des Heiligen heraus
Wie Christen mit Gegensätzen umgehen können, war das Thema am diesjährigen Pallotti-Tag, an dem Vizeprovinzial Michael Pfenning die Festpredigt hielt. Vinzenz Pallotti sei ein Heiliger gewesen, dem es gelang Gegensätze stehen zu lassen und fruchtbar zu machen. Dies sei ein Modell für die Kirche von heute, fand der Pallottiner.
Er stellte Vinzenz Pallotti als einen Mann heraus, dem die Zusammenarbeit am Herzen lag, der aber dabei gegensätzlichen Auffassungen nicht aus dem Weg ging. Angelehnt an Zitate von Papst Franziskus aus seinem neuesten Buch „Wage zu träumen“ postulierte der Vizeprovinzial diese Haltung auch für die Kirche: Nur im Aushalten von Gegensätzen sei eine lebendige und dynamische Weiterentwicklung möglich, fasste Pater Pfenning die Aussagen des Papstes zusammen und wandte sich dagegen, dass Pfarrer „um des Friedens willen“ alle Gegensätze ausbügeln sollen.
Der Vizeprovinzial erinnerte daran, dass Vinzenz Pallotti, der am 22. Januar 1850 starb, in einer Zeit der epochalen Umbrüche wirkte. Die Gegensätze prallten aufeinander. Die Wahl Pius IX zum Papst löste in Pallotti auch Besorgnis aus. War es schließlich dann genau dieser Papst, der 1870 das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes durchsetzte. Es sei eine Zeit gewesen, in der die Kirche zentralistisch geworden sei. Man sei geneigt gewesen zu verlangen, dass die katholische Kirche mit einer Stimme spreche. „Unsere heutigen Konflikte haben auch in dieser Zeit eine Wurzel“, befand Pater Pfenning.
Vision vom Miteinander in Vielfalt
Pallotti dagegen habe seine Vision vom Katholischen Apostolat und seine Vision von einem neuen Miteinander in Vielfalt verfolgt, ohne in Widerspruch zu gehen. Er habe eine andere Vision von Kirche ins Spiel gebracht, die im Gegensatz zum Kirchenverständnis von Pius IX. stand, doch nicht den Widerspruch gesucht. Der Vizeprovinzial griff dabei einen Gedanken von Papst Franziskus auf, der zwischen Gegensatz und Widerspruch unterscheidet und davor warnt Gegensätze als Widerspruch zu sehen. Denn während der Widerspruch ein „entweder – oder“ postuliert, stellt der Gegensatz laut Franziskus eine kreative Spannung zwischen zwei Polen her, so wie Guardini schreibt: „Die Schöpfung Gottes ist voller lebendiger Gegensätze, sie lassen uns lebendig und dynamisch sein.“
Falsches Bild von „Richtig und falsch“
Auch Pallotti wollte „nicht einen Gegensatz der Art, dass man sich entscheiden musste für eine Seite, die einen Ausschluss anderer Positionen verlangt hätte“, so Pfenning und fügte hinzu: „Für mich ist Pallottis Weg und seine Weise mit Gegensätzen umzugehen gerade in unserer Zeit ein schon fast leuchtendes Beispiel.“ Der Vizeprovinzial verwies dabei auf Themen wie den synodalen Prozess, den interkulturellen Dialog, aber auch auf politische Auffassungen. Pater Pfenning warnte vor einem „sehr einfachen und – an der Schöpfungsrealität gemessenen – falschen Bild von Richtig und Falsch. „Wir erzwingen so Entscheidungen, die nicht gut gehen können und dem Leben nicht dienen werden.“
Vinzenz Pallotti sei ein von Gott ganz durchströmter Mensch gewesen und habe so die innere Kraft und die Weite besessen, eine gegensätzliche Vision in die Welt zu tragen, die bis heute da ist und sich immer wieder neu verwirklicht – ohne im Widerspruch ohnmächtig zu werden, die Kräfte zu verbrauchen oder sich zu verlieren. Letztlich gehe es darum, „in Achtung voreinander, im demütigen Annehmen der Gegensätze, im Glauben und Vertrauen an unseren Gott, der unendliche Liebe und Weite ist, einen dritten Weg zu suchen“.
Nicht Gewinner oder Verlierer dürfe es geben. „Dem Leben dient es, wenn Menschen und Gruppen die Gegensätze annehmen und eine heilsam-kreative Spannung zulassen können. Es gilt zu ertragen, dass es über verschiedene Zeitspannen ein ,Sowohl als auch‘ gibt“, betonte Vizeprovinzial Pater Michael Pfenning.
Text: Alexander Schweda
Pallottibilder: Der zupackende Vinzentius Pallotti, der die Kinder rettet, von Oskar Kokoschka 1962 (oben); Vincenzo Pallotti der Mystiker, der Gott als unendliche Liebe erfahren konnte, von Michael Triegel 2014 (unten). Quelle: Archiv
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