Der Krieg ist für ihn allgegenwärtig

Der ukrainische Caritas-Spes-Geschäftsführer Pater Grynevych war zu Besuch bei seinen Mitbrüdern in Friedberg

Als der Ukraine-Krieg begann, riefen die Pallottiner in Friedberg sofort zu einer großen Spendenaktion auf. Eine der Kontaktpersonen war damals und ist heute noch der pallottinische Mitbruder Pater Vyacheslav Grynevych, der Direktor der ukrainischen Caritas Spes. Am 12. September 2024 war der Pallottiner zu Gast in Friedberg und erzählte aus erster Hand, wie es den Menschen in der Ukraine geht.

Der Krieg in seiner Heimat Ukraine holt Pater Vyacheslav Grynevych selbst im friedlichen bayerischen Friedberg bei den Pallottinern ein: Einer seiner Mitarbeiter im Team der Caritas hat vorher ein Foto von seiner eben erst durch einen russischen Angriff zerstörten Wohnung geschickt. Pallottiner-Pater Grynevych zeigt das Bild der Zerstörung auf seinem Handy seinem deutschen Mitbruder Pater Reinhold Maise.

Oder der Fluglärm! Er versetzt Pater Grynevych auch außerhalb der Ukraine in Alarmbereitschaft. Für ihn signalisiert das Geräusch von Motoren oder Düsen Gefahr, auch im beschaulichen Friedberg.

Der Frieden ist noch nicht in Sicht

Jetzt nimmt sich der 38 Jahre junge Pallottiner-Pater aus der Ukraine aber erst einmal ganz entspannt Zeit für ein ausführliches Gespräch mit Missionssekretär Pater Reinhold Maise. Dabei wird deutlich: Pater Grynevych hofft auf Frieden. Aus seiner Sicht ist er aber noch nicht in Sicht. Das bedeutet, dass auf ihn als Geschäftsführer der römisch-katholischen Hilfsorganisation Caritas in der Ukraine (Caritas-Spes) weiterhin viele Herausforderungen zukommen.

Kardinal lobt Spendenverteilung der Caritas

Erst vor Kurzem hat sich der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki an Ort und Stelle in Kiew bei Pater Grynevych darüber informiert. Und der Kardinal war voll des Lobes darüber, wie sorgsam mit den Spenden umgegangen wird und alles dokumentiert wird.

Pater Grynevych erzählt: „Ja, ich war zeitweise Begleiter von Rainer Maria Kardinal Woelki bei seinem Besuch in der Ukraine. Ich war sehr beeindruckt von der Situation, als wir am Unabhängigkeitsplatz in Kiew vorbeikamen. Der Kardinal blieb vor einem großen Blumenbeet mit Tausenden von Fähnchen stehen, und ich erklärte ihm, dass diese Fähnchen die gefallenen Soldaten symbolisieren und das Blumenbeet ein Ort des Gedenkens geworden ist. In diesem Moment kam ein Mann in Militäruniform auf den Kardinal zu und bat auf Englisch um seinen Segen. Nach dem Segen fragte der Kardinal, woher der Soldat ihn kenne. Der Soldat antwortete, dass er in den Nachrichten über seine Besuche in der Ukraine gelesen habe. Er glaube fest, dass solche Besuche uns stärker machen: Sie zeigen uns, dass wir nicht allein sind und dass die Welt uns nicht vergessen hat. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, wie sehr wir alle Zeichen der Unterstützung brauchen und die Gewissheit, dass wir nicht alleine sind.

Im Gespräch mit dem Kardinal sprachen meine Mitstreiter viel von internationaler Unterstützung, von Solidarität mit uns, insbesondere von Partnerschaften mit deutschen Organisationen. Als die Kollegen über die Unterstützung der Pallottiner in Deutschland sprachen, fragte der Kardinal, woher die Caritas die Pallottiner in Deutschland kenne. Meine Kollegen antworteten: „Unser Direktor ist Pallottiner“, und so ich hatte die Gelegenheit, ausführlicher über die Solidarität der Pallottiner und der Wohltäterinnen und Wohltäter aus Deutschland zu sprechen. Und über den wichtigen Besuch der deutschen Pallottiner hier bei uns in der Ukraine.“

Zwar sind die Pallottiner in der Ukraine mit gerade einmal 18 Patres an zehn Standorten eine sehr kleine Gemeinschaft. Doch sie haben viel bewirkt für Kriegsopfer, Vertriebene, Waisenkinder und krebskranke Kinder. Hilfreich ist dabei, dass der sympathische Pater Grynevych als Geschäftsführer der Hilfsorganisation Caritas-Spes auf ein Team von etwa 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bauen kann.

Der Seelsorger wird zum Sozialarbeiter

Er sorgt sich auch um seine Mitbrüder und um sein Team, aber vor allem um die vielen Kriegsopfer. Längst ist der Seelsorger dabei auch zusätzlich zum Sozialarbeiter geworden. Dann gilt es immer wieder, schwierige Entscheidungen zu treffen. Wen kann man beispielsweise mit den begrenzten Mitteln beim Wiederaufbau von zerstörten Häusern unterstützen? Vorrang hatte eine kinderreiche Familie, über die sich der Caritas-Geschäftsführer vor Ort informierte. Doch dann kam die alte verzweifelte Nachbarin dazu, deren Mann gelähmt ist und deren Sohn zwei Wochen zuvor im Krieg ums Leben gekommen war. Pater Grynevych hat dann zusätzlich einen privaten Spender für die alte Nachbarin aufgetrieben.

Christliche Kunst im Krieg

Ein Weg für Pater Grynevych, von all den Kriegsproblemen zwischendurch Abstand zu gewinnen, ist seine Kunst. Er gestaltet professionelles Graphik-Design. Nach seinen früher friedlichen Motiven für Weihnachts- und Ostergrüße hat aber auch dort längst der Krieg Einzug gehalten. Statt „fröhliche Weihnachten“ heißt es dort mittlerweile „sichere Weihnachten“.

Der Krieg ist für Pater Grynevych in der Ukraine ständig ganz nah. Umso wichtiger sind für ihn Spendenkampagnen wie die der Pallottiner. „Dadurch spüren wir, wir sind nicht allein“, sagt Pater Grynevych, der inzwischen schon wieder zurück in Kiew ist, um bei der dortigen Caritas-Spes Hilfe zu koordinieren.

Missionssekretär Pater Maise bricht dieser Tage umgekehrt zu einer Auslandsmission auf – wiederum unter anderem in die Ukraine. Er will sehen wo die Mitbrüder und die Wohltäterinnen und Wohltäter aus Deutschland helfen können und was aus den gemeinsamen Hilfsprojekten geworden ist.

Bericht & Bilder: Andreas Schmidt

Kurzer Rückblick - Entwicklungen seit der Unabhängigkeit der Ukraine

Die Ukraine ist mit ihren 603.628 km² fast doppelt so groß wie Deutschland. Die Hauptstadt der 38 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer ist Kyjiw, deutsch: Kiew, englisch: Kiev (siehe unten) oder Kyiv.

Unabhängigkeit und territoriale Integrität

Seitdem die Ukraine 1991 unabhängig wurde, ist sie eine parlamentarische Republik. 1994 hat die Ukraine ihre Atomwaffen abgegeben und dafür Garantien für ihre territoriale Integrität erhalten.

Annäherung an die EU

Als der prorussische Präsident Wiktor Janukowytsch Ende 2013 ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen wollte, gab es Proteste. Diese wurden als Euromaidan-Revolution bekannt.

Krieg gegen die Ukraine

Nachdem Janukowytsch im Februar 2014 geflüchtet war, hat Russland die Halbinsel Krim besetzt. So begann der Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Janukowytsch unterstützte prorussische Milizen, die in der Ostukraine Separatistenrepubliken ausgerufen haben. Sie kämpften gegen die ukrainische Armee.

Am 24. Februar 2022 begann Russland ganz offiziell einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dabei wurden viele Städte angegriffen, unter anderem die Hauptstadt Kiew, Charkiw, Sumy, die Küste am Asowschen Meer und der Donbass.

Von Februar 2022 bis August 2024 wurden in der ukrainischen Zivilbevölkerung, laut Zählungen der UN, bisher mehr als 10.000 Zivilisten getötet und fast 25.000 verletzt. Die Zahl der getöteten und verletzten russischen und ukrainischen Soldatinnen und Soldaten sowie der Mitglieder der Milizen und Söldner ist nicht nachprüfbar belegt, es könnten mittlerweile auf beiden Seiten insgesamt mehr als 300.000 – 400.000 Menschen sein.

Fotos: Anna (Herz) und sharafmaksumov (Karte) beide Adobe Stock.

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