"Memorial Wall" der Gefallenen von Mariupol

Helfen zwischen Massengräbern und reifen Weizenfeldern

Pallottiner bleiben bei den Menschen trotz Krieg und Angst - Ein Besuch in Polen und der Ukraine

Als im Februar 2022 der Krieg in der Ukraine begonnen hat, haben wir Pallottiner einen Spendenaufruf gestartet und um Hilfe für die Menschen in der Ukraine gebeten. Die Resonanz ist großartig: 603.000 Euro sind bis jetzt dafür bei uns im Missionssekretariat in Friedberg eingegangen. Unsere Förderinnen und Wohltäter haben dadurch Haltung gezeigt und deutlich gemacht, dass ihnen die Menschen in der Ukraine nicht gleichgültig sind. Allen Spenderinnen und Spendern dafür nochmals an dieser Stelle ein herzliches Vergelt’s Gott!

Das gespendete Geld stellen wir den Menschen in der Ukraine und überall dort, wo sie unter den Folgen des Krieges leiden, zur Verfügung. Bisher haben wir das getan hier in Deutschland zum Beispiel durch die Unterstützung von den Tafeln im Landkreis Aichach-Friedberg und durch die Bereitstellung von Wohnraum in Frankfurt und Mering. Mehrere Hilfstransporte von Deutschland aus haben wir finanziell unterstützt.

„Future for the Ukraine“ – ein Haus für Flüchtlinge

In Oltarzew bei Warschau haben die polnischen Mitbrüder ein Gebäude auf dem Gelände der Theologischen Hochschule in ein Haus für Flüchtlinge umgewandelt. Gleich von Beginn des Krieges an haben sie Frauen und ihre Kinder aufgenommen. Zurzeit sind es etwa 80 Personen, die im pallottinischen Zentrum „Zukunft für die Ukraine“ („Przyszłość dla Ukrainy“) dort einen Ort zum Leben in Sicherheit finden. Seit Januar unterstützen wir die laufenden monatlichen Kosten für Lebensmittel, Elektrizität und Personal. Direkt in die Ukraine haben wir vor dem Winter 2022 eine Überweisung getätigt, um die Menschen in Odessa unter anderem mit Stromgeneratoren, Decken und Lebensmittel für die kalte Jahreszeit zu versorgen.

Vom 11. bis 17. September 2023 war ich nun als Missionssekretär in Polen und vor allem in der Ukraine, um selbst und direkt der Not der Menschen zu begegnen und um nach Möglichkeiten zu schauen, wie wir weiterhin unterstützend helfen können. Mit der Missionssekretärin der Pallottinerinnen in Polen, Sr. Ludwika Jastrzebska SAC, habe ich vereinbart, dass wir unter anderem die Freizeitaktivitäten fördern werden, die sie für Kinder aus der Ukraine anbieten. Mit ihnen fahren sie in den Ferien immer wieder nach Danzig an die Ostsee.

In Oltarzew möchten die Mitbrüder in einem weiteren Gebäudeteil ein Therapeutisches Zentrum einrichten, in dem traumatisierte Frauen, Kinder und Männer aus der Ukraine psychologische Hilfe zur Aufarbeitung der schlimmen Kriegserfahrungen bekommen können. Denn um die Folgen und Auswirkungen des Krieges ins Leben integrieren zu können, braucht es professionelle Unterstützung. Auch dieses Vorhaben möchten wir mittragen.

In der Ukraine leben und arbeiten 19 Pallottiner. Sie sind vor allem in der Pfarrseelsorge an verschiedenen Orten engagiert. In Bilohirja, in einem kleinen Ort zwischen Kiew und Lemberg, leitet ein Mitbruder zusammen mit drei Benediktinerinnen ein Waisenhaus. Und P. Vyacheslaw Grynevych SAC, Oberer der Pallottiner in der Ukraine, ist zugleich auch Direktor von Caritas Spes Ukraine, der Hilfsorganisation der römisch-katholischen Kirche in der Ukraine.

In Zerstörung und Angst bei den Menschen bleiben

Die Mitbrüder sind es, die mitten im Kriegsalltag, in all der Zerstörung und Angst vor erneuten Angriffen, bewusst bei den Menschen bleiben. Ihnen bieten wir nach wie vor unkomplizierte und schnelle Hilfe an. Vor allem jetzt im Blick auf den kommenden Winter, den zweiten seit Kriegsbeginn, wissen sie vor Ort am besten, was Not tut und wie ihr zumindest ein wenig abgeholfen werden kann.

Für psychologische Traumata-Aufarbeitung vor allem in der Ukraine selbst gibt es hohen Bedarf: In Zusammenarbeit mit Caritas Spes Ukraine möchten wir Pallottiner Deutschland als Kooperationspartner die Einrichtung eines solchen Therapie-Zentrums in Lemberg finanzieren. Es soll in einem Gebäude entstehen, dass von den Mitbrüdern zuerst für die Ausbildung von Postulanten und dann als Gäste- und Exerzitienhaus genutzt wurde.

Seit meiner Rückkehr aus der Ukraine werde ich immer wieder gefragt, wie es denn war. Darauf kann ich keine wirkliche Antwort geben. Weiter in den Osten als bis Kiew bin ich nicht gereist. Das Leben im westlichen Landesteil scheint weiterzugehen. Überall sind Baukrane zu sehen. Was zerstört ist, wird sofort wieder aufgebaut. Die Mähdrescher ernten die Weizenfelder weiter ab und die verblühten Sonnenblumen warten darauf, bis sie an der Reihe sind. Alles scheint friedlich.

Der Krieg ist immer und überall gegenwärtig

Doch der Schein trügt: An den Einfallsstraßen nach Kiew hinein sind nach wie vor die Kontrollpunkte und Straßensperren zu sehen. Sie bleiben stehen, denn sie könnten jeden Moment wieder gebraucht werden. In der Stadt selbst sind mitten im pulsierenden Leben der Hauptstadt Zeichen des andauernden Krieges zu entdecken: Transparente der Gefallenen von Mariupol. Bilder mit unzähligen Namen an einer endlos scheinenden „Memorial Wall“, einer Erinnerungswand mit den Getöteten seit 2014. Was fühlt ein junger Mann, der in Uniform und Rucksack vor dieser Wand steht und intensiv in die Gesichter der Gefallenen schaut? Ausgebrannte Panzer und Schützengräben in einem Dorf im Norden von Kiew. Dort Einschusslöcher in den Fassaden, zerstörte und ausgebrannte Häuser und Wohnungen. Minenräumdienste in unmittelbarer Nähe.

Und dann an einem Massengrab in Butscha zu stehen und den Worten einer Frau zu lauschen, die das Grauen miterlebt hat und deren Sohn derzeit im Osten an der Front ist – all das macht mir deutlich: Krieg, Angst, Leid, Tod. Sie sind in diesem Land und im Leben einer jeden Ukrainerin und eines jeden Ukrainers allgegenwärtige Realität.

Dass es in der Nacht nach meiner Abreise aus Kiew dort wieder Luftalarm gab und diese Woche in Lemberg ein Lager der Caritas mit 300 Tonnen Hilfsgütern durch einen Drohnenangriff völlig zerstört wurde, hinterlässt bei mir ein beklemmendes Gefühl. Der Krieg ist immer und überall gegenwärtig. Ich hatte Glück, dass es ruhig blieb, als ich vor Ort war.

Was ich als starken Eindruck mitgenommen habe aus der Ukraine, ist die aufrechte Haltung der Menschen. Sie wirken nicht niedergedrückt, erdrückt. Sie stehen aufrecht und sind bereit von Neuem zu beginnen, ihren Weg weiterzugehen. Wie Igor und Natalia es tun. Zu Beginn des Krieges im Frühjahr 2022 war ihr Dorf im Norden von Kiew wochenlang in der Frontlinie. Ihr Haus wurde schwer beschädigt. Mit der Hilfe der Caritas haben sie begonnen, es wieder aufzubauen. Trotz der furchtbaren Angst, die sie durchlebt haben, glauben sie an die Zukunft für sich und ihre Kinder. Das war in ihren Augen zu sehen und in ihrem Lachen zu spüren, als ich mich von ihnen verabschiedet habe.

Die Ukrainehilfe der Pallottiner besucht Menschen vor Ort
Die aufrechte Haltung der Menschen in der Ukraine beeindruckt. Sie wirken nicht niedergedrückt, erdrückt. Sie stehen aufrecht und sind bereit von Neuem zu beginnen, ihren Weg weiterzugehen

Bericht & Bilder: Missionssekretär Pater Reinhold Maise

Christus ist auferstanden

Ein Nachtrag:
Ostergruß von den geflüchteten Kindern in Oltarzew bei Warschau

"Frohe Ostern" wünschen die aus der Ukraine geflohenen Kinder aus dem Haus "Zukunft für die Ukraine" nahe Warschau in Polen.
Frohe Ostern - Osterkarte aus Polen in polnischer und ukrainischer Sprache.

Wir haben Post bekommen!

Auf den Ostereiern der selbst gestalteten Osterkarte aus Polen steht: „Christus ist auferstanden“. Wir wünschen Euch „Schöne Ferien“ und „Frohe Ostern“. Die geflüchteten Kinder und Betreuer aus dem pallottinischen Zentrum „Zukunft für die Ukraine“ (siehe oben) haben allen Pallottinern und den Wohltäterinnen und Wohltätern eine Dankeskarte zum diesjährigen Osterfest geschickt. Wir freuen uns sehr! Den Dank und die lieben Grüße aus Oltarzew bei Warschau (Polen) geben wir hiermit gerne weiter.

Ich wünsche uns allen friedvolle, frohe Ostern

Pater Reinhold Maise SAC
Missionssekretär der Pallottiner
27. März 2024

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