„Ich mache dich über alle Maßen fruchtbar“ Gen 17,6

Bericht zur Versammlung der Delegatur in Nigeria vom 25. – 28. Juni 2023

So sieht die Situation der Pallottiner in Deutschland und Österreich aus: Das Durchschnittsalter der Mitbrüder ist hoch, 74 Jahre; wir haben kaum Berufungen: Postulat, Noviziat sind leer, niemand ist im Studium. Die Gruppe der Mitbrüder zwischen 40 und 70 Lebensjahren beläuft sich auf ca. 45. Sie werden es sein, die die Gemeinschaft in die Zukunft hinein gestalten. Um dafür genügend Kraft und Kapazität zu haben, geht die Provinzleitung die Konsolidierung an: Häuser mit einer bedeutenden Geschichte und einer langen Tradition müssen leider geschlossen werden. Das ist sehr schmerzlich und für manche fast nicht zu verstehen. Verständlicherweise. Haben die Mitbrüder doch viele Jahre und Jahrzehnte ihres Lebens und Wirkens als Pallottiner für den Aufbau gegeben.

Als wir, die deutsch-österreichische Provinz, vor ein paar Jahren die Entscheidung getroffen haben, die Delegatur Nigeria in die Verantwortung zu nehmen und in Malawi zu beginnen, erschien dies vielen Mitbrüdern als ein irrwitziger Aufbruch. Sind wir doch in die Jahre gekommen und wollen dann einen Neustart in Afrika wagen? Reicht uns dafür die Kraft?

„So zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer“

Abram und Sarai aus Ur in Chaldäa standen einmal vor einer ähnlichen Situation. Beide waren hoch betagt. Neunzig und fast hundert Jahre. Sie hatten keine Kinder. Das kam damals einer Schande gleich. Nach dem Tod wird das Hab und Gut verteilt. Das Leben wird zu Ende sein.

Vor diesem Hintergrund ist der fast schon irrwitzige Aufbruch aus der Heimat als fast 100-jährige besser zu verstehen. Es ist wie der Griff nach dem letzten Strohhalm. Denn Gott lockt Abram mit dem Versprechen, dass er und seine Frau in der Fremde Leben und Zukunft finden werden, dass Abram der Erste einer großen Nation sein wird, „so zahlreich wie die Sterne am Himmel und der Sand am Meer“ (Gen 22). Und Gott enttäuscht nicht: Isaak wird geboren, der Sohn der beiden alten Leute.

Vom 18. – 30. Juni 2023 hatte ich die Gelegenheit, als Missionssekretär das erste Mal nach Nigeria zu reisen. Zusammen mit Provinzial Pater Markus Hau habe ich an der Versammlung der Delegatur Nigeria teilgenommen. 20 Mitbrüder waren dazu vier Tage nach Mbaukwu gekommen, um sich gegenseitig über den aktuellen Stand der Arbeit in den Pfarreien zu informieren und aus dem Leben der Ausbildungshäuser zu berichten – insgesamt 35 junge Männer sind in Postulat, Noviziat, Philosophie- und Theologiestudium auf dem Weg in die Gemeinschaft hinein.

Ein Schwerpunkt in der Versammlung war die Diskussion über die sogenannten „G5“-Projekte: Farm, Augenklinik, Schule, Gäste-Exerzitienhaus, Wohnheim für Studierende. Entstanden waren diese Projekte in einem Zukunfts-Workshop im März 2023, der damals vom Provinzial und von Provinzrat P. Alexander Diensberg geleitet wurde. Ziel des Workshops war es, konkrete Felder für das pastorale Engagement und Möglichkeiten für die Generierung von Einnahmen zu entdecken. Nach dem Workshop erhielten die Mitbrüder den Auftrag, an den Projekten weiterzuarbeiten und sie mit Leben zu füllen. Auf der Delegatur-Versammlung haben wir nun die weiteren Überlegungen besprochen. Sie sollen schließlich auch den Mitbrüdern auf der Provinzversammlung im Oktober 2023 im bayerischen Friedberg vorgestellt werden.

Das Engagement und die Kraft der Mitbrüder in Nigeria

Mir tat es sehr gut, dass ich an der Versammlung teilnehmen konnte. Einige Mitbrüder besuchte ich auch in ihren Pfarreien oder Schulen und konnte mir bei dieser Gelegenheit auch ein Bild über den aktuellen Stand der „Wasserfabrik“ machen. Das Engagement und die Kraft der Mitbrüder in Nigeria zu erleben, hat mich gefreut. „Wir sind zwar in die Jahre gekommen, und trotzdem haben wir als Provinz hier die Möglichkeit, neues Leben zu fördern und auf den Weg zu bringen“, so ging es mir durch Herz und Kopf. Genau darin erkenne ich für mich einen Auftrag als Missionssekretär: Den Aufbau in Nigeria und in Malawi zu begleiten und die Mitbrüder dabei zu unterstützen, dem pallottinischen Leben und Arbeiten vor Ort ein Profil zu geben und unseren Auftrag zu erfüllen, das Evangelium zu verkünden. Ich erlebe mich dabei selbst sehr lebendig. Und das tut mir sehr gut.

Ein Neuanfang auf dem afrikanischen Kontinent

Vielleicht können wir als alternde Gemeinschaft in Deutschland und Österreich in diesem Aufbruch in Afrika auch so etwas wie einen Neufang sehen? Zwar nicht, um unsere Werke hier vor Ort zu sichern und ihr Überleben zu garantieren. Sondern eher in der Weise, dass es uns selbst lebendig und froh sein lässt, neues pallottinisches Leben durch unsere Erfahrung, Unterstützung und Kraft entstehen zu sehen.

Dass die damit verbundenen Anstrengungen nicht vergeblich sind, sehe ich jetzt auch bei meinem Besuch in Kamerun. Von Nigeria bin ich weiter gereist nach Kamerun und erlebe hier eine junge Gemeinschaft von Mitbrüdern, die auf einem guten Fundament steht. Dieses wurde vor allem durch die Mitbrüder aus Deutschland gelegt.

Abram und Sarai bleiben auf ihrem Weg mit Gott nicht dieselben. Auf Gott zu vertrauen und seinem Wort zu glauben verändert sie und gibt ihnen eine neue Bestimmung: Sie werden zu Abraham und Sara. Ich bin gespannt, welche neue Bestimmung sich für uns aus diesem unserem Aufbruch in Nigeria und Malawi entwickelt. Zukunft und Leben liegt darin für uns alle bereit.

Bericht & Fotos: Missionssekretär Pater Reinhold Maise

Die Farben Nigerias - Flagge des Bundesstaates Nigeria auf dem afrikanischen Kontinent

NIGERIA – KONFLIKTE, KRISEN UND PERSPEKTIVEN

Mit über 200 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist Nigeria der bevölkerungsreichste Staat Afrikas sowie die größte Volkswirtschaft des afrikanischen Kontinents. Das Land gehört zu den wichtigsten Erdölproduzenten weltweit.

Nirgendwo auf der Welt leben so viele Christen und Muslime in einem Staat vereinigt wie in der westafrikanischen Nation. Religion spielt für die Menschen in Nigeria eine übergeordnete Rolle. Schnell werden Konflikte und Krisen allein unter diesem Aspekt gedeutet. Dabei liegen die Ursachen oft woanders.

Die große Mehrheit der Nigerianer lebt in bitterer Armut. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, Korruption hat gravierende Züge angenommen. Verteilungskämpfe um Weideland und Zugang zu Wasser entladen sich schnell in gewaltsamen Konflikten und sind zunehmend ethnisch-religiös gefärbt. Islamistische Gruppen wie Boko Haram verbreiten Terror. Überfälle und Entführungen nehmen stark zu. Der Staat versagt dabei, die Ressourcen gerecht aufzuteilen und seine Bürger zu schützen.

Die britische Kolonie Nigeria erlangte 1960 die Unabhängigkeit. In der am kolonialen Reißbrett geschaffenen Nation leben rund 400 ethnische Gruppen. Die größten sind die Hausa Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Osten. Nach langen Phasen autoritärer Militärherrschaft kehrte Nigeria 1999 zur Demokratie mit defizitären Wahlprozessen zurück. Neben der weit verbreiteten Armut zählen Defizite in der Regierungsführung, Korruption, eine Wirtschaftskrise, die angespannte Sicherheitslage und terroristische Anschläge zu den großen Herausforderungen.

Quellen: missio, BwZ
Foto der Flagge von Nigeria: natanaelginting adobe stock

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