Wenn jeder sein Anteil an der Sünde hat
Wann ging das denn los mit der Versuchung und der Sünde? Da muss man wohl bei Adam und Eva anfangen.
Wenn wir uns ernsthaft an die biblische Geschichte von Adam und Eva in Genesis 3 wenden, werden wir feststellen, dass hier nichts von Sünde erzählt wird. Das Wort wird nicht einmal verwendet. Wir hören aber sehr wohl von Misstrauen, das gesät wird und wächst und das Begehrlichkeiten weckt, die vorher nicht da waren. Es entstehen Unsicherheiten und Fragen, die nicht an Gott gerichtet werden. Die Menschen versuchen selbst alles zu regeln.
Die Gefahr in dieser Erzählung ist, dies alles Eva in die Schuhe zu schieben, als ob Adam gar nicht beteiligt wäre, oder höchstens ein unschuldiges, ahnungsloses Opfer ist. Auch er hat seinen Anteil an dieser Geschichte.
Die erste Stimme der Versuchung in der Bibel ist männlich
Die Szene beginnt mit der Schlange. Was uns allerdings entgeht, ist die Tatsache, dass in der hebräischen Ursprache die Schlange männlich ist, nicht weiblich. Hier wird schon die alte Vorstellung, dass die Frau oder das Weibliche die Urquelle aller Versuchung ist, deutlich widersprochen. Die erste Stimme der Versuchung in der Bibel ist männlich.
Diese Schlange setzt Misstrauen gegenüber Gott ins Herz Evas. In der ersten Runde des Gespräches suggeriert er, dass Gott seinen Menschen gar nichts gönnt. „Hat Gott wirklich gesagt: Ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ Eva widerspricht sofort: „Von den Früchten der Bäume im Garten dürfen wir essen; nur von den Früchten des Baumes, der in der Mitte des Gartens steht, hat Gott gesagt: Davon dürft ihr nicht essen und daran dürft ihr nicht rühren, sonst werdet ihr sterben.“ Der Grund, warum Gott die Selbstbedienung von diesem einen Baum verbietet, ist, weil er seinen Menschen schützen will. Er will nicht, dass sie sterben.
Die Schlange bezweifelt nicht, was Gott verboten hat, sondern seinen Beweggrund. „Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ Gott will seinen Menschen nicht schützen, sondern etwas vorenthalten. Er will sie klein halten. Er gönnt ihnen nicht seine Erkenntnis. Das verunsichert Eva.
Das Grundproblem dieser Erzählung ist nicht, dass Eva plötzlich verunsichert ist und Zweifel in ihrem Herzen trägt. Vielmehr liegt die Schwierigkeit darin, dass sie immer nur mit der Schlange spricht. Wenn Sie einmal mit Gott über ihre Unsicherheit und Zweifel gesprochen hätte, hätte diese Geschichte einen ganz anderen Ausgang gehabt.
Wem vertraue ich meine Unsicherheit und Zweifel an?
Wir sind auch heute überzeugt, dass die Unsicherheit ein Zeichen dafür ist, dass unser Glaube schwach ist. Aber die wahre Frage ist: Wem vertraue ich meine Unsicherheit und Zweifel an? Immerhin haben wir die Erfahrung oft gemacht, dass wir unsere Zweifel und tiefsten Probleme nur jenem anvertrauen, zu dem wir das größte Vertrauen haben. Das Anvertrauen unsere Zweifel ist ein Akt des Vertrauens und damit ein Akt des Glaubens. Die wahre Frage an Eva ist und bleibt: Warum hast du nicht mit Gott gesprochen?
Diese Frage können wir allerdings auch an Adam richten. Warum hat er nicht seine Fragen, Zweifel und Unsicherheit Gott anvertraut? Auch er führt kein Gespräch mit Gott. Er spricht nicht einmal mit Eva. Er nimmt einfach und isst. Später wird er, genau wie Eva, kein Vertrauen in Gott setzten, wenn Er sie aufsucht im Garten. Er verkleidet und versteckt sich genauso wie seine Frau. Und als endlich ein Gespräch auf der Initiative Gottes stattfindet, tut er etwas, was Eva niemals tut, und sagt zu Gott: „Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen.“ Er gibt nicht nur Eva die Schuld, sondern Gott selbst. Wenn Gott ihm nicht diese Frau beigestellt hätte, wäre das alles nicht passiert.
Diese Geschichte ist voll tiefer Einsicht und Weisheit für alle Menschen, Männer und Frauen. Sie weiß darum, wie Misstrauen Beziehungen vergiftet. Sie erkennt, dass gewaltsames Nehmen statt liebenden Empfangens todbringend ist. Die ersten Konsequenzen zeigen sich sogleich. Beide Menschen können Gott, der sie sucht und nach ihnen ruft, nicht mehr frei und offen begegnen. Beide schämen sich, verstecken sich und zeigen sich nicht mehr so, wie sie sind.
Es wäre sicherlich hilfreicher die Geschichte Gottes ernster zu nehmen. Wenn wir Eva als die Schuldige ernennen, tun wir, was Adam und Eva ständig in dieser Geschichte tun, nämlich, einen Schuldigen suchen. Nur Gott tut das nicht. Er sucht seinen Menschen. Seine erste Frage ist nicht: Was hast du angestellt? Seine erste Frage lautet. Wo bist du? Gott sucht nicht ihre Beschämung, sondern ihre Möglichkeiten.
In dieser Geschichte spüre ich die Herausforderung, aufkommendem Misstrauen immer wieder das Grundvertrauen in die Liebe des Schöpfers entgegenzusetzen. Anstatt einen Schuldigen zu suchen, wäre es nicht wichtiger so zu leben wie Gott auf dieser Erde, und unsere Möglichkeiten zu suchen? Dann würden wir die Möglichkeit wahrnehmen, dass wir wieder in eine vertrauensvolle, ehrliche Beziehung zu Gott hineinzuwachsen dürfen. Darauf kommt es an für alle Evas und Adams dieser Erde.
P. Erik Riechers
Bild: jack1986/AdobeStock
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