Worte erzeugen Welten
Die Schöpfung ist geworden, weil Gott sprach. Auch Menschen können in diesem Sinne schöpferisch werden.
Als Kind habe ich oft diesen Satz gehört: „Sticks and stones may break my bones, but names will never hurt me.” (Stöcke und Steine brechen mir die Gebeine, aber Namen können mich nie verletzen). Die Idee dahinter war sicherlich, uns beizubringen, dass wir die Stichelei anderer ignorieren sollten. Gleichzeitig hatte es aber eine unbedachte Wirkung, nämlich, dass keiner uns gelehrt hat, welche Macht Worte besitzen.
Heute höre ich diese Verharmlosung fast täglich. „Ach, das sind ja nur Worte.“ Worte, aber haben Macht. Sie können unserer Seele antun, was Stöcke und Steine unseren Gebeinen niemals antun können. Denn Worte erzeugen Welten. Ähnlich wie Gott, der alles und jeden mit Worten erschaffen hat, haben auch Sie die Macht, mit Ihren Worten zu erschaffen. Weil Worte Welten erzeugen, sind sie der Ort, an dem wir die schöpferische Macht Gottes teilen.
Der Weber der Worte
Die keltischen Christen haben Gott auch als Weber der Worte benannt. Er hat die ganze Schöpfung ins Leben gerufen und die Welt mit seinen Worten gewoben. John Shea sagt: Wir sind die Geschichte, die Gott erzählt. Unser eigenes Leben sind die Worte, die aus seinem Mund kommen. Das ist die Macht der Worte. Auch unsere Worte erschaffen Welten.
Die Welt, in der wir uns bewegen, ist das Nebenprodukt der Worte, die wir uns selbst sagen, und der Worte, die andere Ihnen sagen. Natürlich gibt es nur eine physische Welt. Gott schuf das Universum durch Worte – „Und er sprach … und es wurde“ – und wir schaffen das soziale Universum durch Worte, durch die Versprechen, mit denen wir uns verpflichten, unsere Verpflichtungen gegenüber anderen zu erfüllen.
Wir können mit Worten neue moralische Tatsachen schaffen. Der Oxford-Philosoph J. L. Austin nannte diesen besonderen Sprachgebrauch „performative Äußerung“. Das klassische Beispiel ist ein Versprechen. Wenn ich ein Versprechen gebe, schaffe ich eine Verpflichtung, die es vorher nicht gab.
Aber auch unsere persönliche Erfahrung lehrt uns diese Lebensunterweisung. Wenn ein Mensch sich selbst ständig als Versager bezeichnet, erzeugt er eine Welt der Minderwertigkeit, in der er nachher auch lebt. Wenn jedoch ein Mensch einem anderen sagt, dass er viel Potenzial in ihm sieht, oder großes Vertrauen in ihn setzt, dann erzeugt er eine Welt des Mutes, des Selbstbewusstseins und der Wertschätzung. Wie oft haben wir erlebt, wie ein Wort die Macht hatte unsere Stimmung zu verändern, manchmal zum Guten, manchmal zum Schlechten.
Worte haben Macht
Worte haben Macht, wenn sie gesprochen werden. Sie nehmen Teil an der Schöpferkraft Gottes. Sie besitzen die echte Macht eine Welt zu erschaffen und zu bauen, in der Menschen sich angenommen und aufgenommen fühlen. Die Worte die Jesus sprach erzeugten Welten, in denen sehr viele Menschen sich zum ersten Mal wohl fühlten.
Worte können aber auch eine Welt erzeugen, in der menschliche Würde niedergetrampelt und Vertrauen vernichtet wird. Das sind reale Welten, denn die Menschen, die sie bewohnen, spüren sie physisch und emotional, und nicht nur in ihren Köpfen. Denken wir nur an Mobbing in Schulen oder in den sozialen Medien in dem „nur“ Worte gebraucht worden sind. Denken wir an die Opfer, die danach depressiv oder sogar suizidgefährdet werden.
Weil Worte an der Schöpfungskraft Gottes teilnehmen, sollten sie eine Welt erzeugen, in der alle leben können. Unsere Worte sollten einen Samen pflanzen und Hoffnung tragen. Sie sollten nicht Träume ersticken und uns das Herz ausschneiden. Worte sollten Mut machen und das Rückgrat verstärken, und nicht unsere Entschlossenheit verdorren lassen und unsere Eingeweide in Wasser verwandeln.
Worte haben Macht, wenn sie zurückgehalten werden: Das „Ich liebe dich“, das nicht mehr ausgesprochen wird. Das Kompliment, das nicht gegeben wird. Die Bestätigung, die nicht angeboten wird. Die Dankbarkeit, die unausgesprochen bleibt. Der Gruß, der die Lippen nie verlässt.
Als Kind wurde daran erinnert, keine Vulgarität zu verwenden. Aber sie lehrten mich nicht die Macht der Worte, also wusste ich nicht, wie Vulgarität die Seele des Sprechers erniedrigt. Sprich nicht schlecht von anderen, sagten sie. Aber sie lehrten mich nicht die Macht der Worte, also wusste ich nicht, wie Worte das Herz von Menschen krank machen können. Sie sagten mir, ich solle niemals rassistische Abwertungen verwenden. Aber sie lehrten mich nicht, die Macht der Worte, also habe ich nicht verstanden, wie Worte das Sehen färben. Mir wurde beigebracht, die Schwachen nicht zu verspotten, die Behinderten nicht zu verhöhnen und die Armen nicht zu erniedrigen. Aber sie lehrten mich nicht die Macht der Worte, also habe ich nicht verstanden, wie sie den bereits Verwundeten Narben hinzufügen.
Wenn wir versucht sind zu sagen „Ach, das sind ja nur Worte“, kann es nicht schaden, an ein Wort der Schrift zu denken: „Tod und Leben stehen in der Macht der Zunge“ (Sprüche 18,21). In der Tat, Worte erzeugen Welten.
Pater Erik Riechers
Bild: paulrommer / AdobeStock
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