Der Körper als Schicksal
Mein Körper ist das Gehäuse, in dem sich die Seele als in ihrer Heimat eingerichtet hat. Auch wenn diese Heimat „Streifen hat“, ist sie mir doch vertraut und eingewohnt.
Wir kennen einander schon lange und halten es ganz erträglich miteinander aus. Ja ich bin dankbar für diesen Körper, und dass er mir dreimal problemlos zu Diensten war, was meinen Wunsch nach Kindern betraf
Auch deswegen hüte und pflege ich ihn, schließlich bekomme ich keinen zweiten.
Mein Körper ist ein Wunderwerk. Doch erst das Zusammenwirken von Seele und Körper ergibt den ganzen Menschen. Bei der kleinsten Befindlichkeitsstörung gerät das Gleichgewicht aus dem Ruder, und manchmal ist gar nicht klar ersichtlich, was Ursache ist und was Wirkung. Gern geleugnet, ist man der Seele schuldig, sie bei der Suche nach Auslösern zu berücksichtigen.
Die Erbteile meiner Ahnen in mir
Bemerkenswert sind die Erbteile meiner Ahnen in mir: Schaue ich in den Spiegel, sehe ich meine Mutter. Wie ähnlich ich ihr im Alter geworden bin, als ob sie in meine Hülle geschlüpft sei und mich daraus verdrängt hätte. Aber auch mein Vater lebt in mir weiter; handhabe ich doch einiges genauso, wie er es gehalten hat.
Ich würde lügen, wollte ich bestreiten, dass mein in die Jahre gekommener Körper keinerlei Wehmut in mir auslöst. Die immer weniger werdende Kraft, der kleiner werdende Aktionsradius, das trübt meine Laune. Dazu Medikamente, die über ihre Wirkung hinaus mir auch noch Nebenwirkungen zumuten. Nicht, dass die Pharmaindustrie an mir reich werden könnte, aber ohne sie wäre ich wahrscheinlich nicht so alt geworden.
Bin ich eigentlich auch früher schon so krumm gegangen? Meine Bandscheiben sind naturgemäß dünner geworden, bzw. geschrumpft. Und dünnhäutiger scheine ich auch geworden zu sein, weshalb sonst beschäftigt mich alles viel intensiver und länger als früher? Ein altes Herz verträgt eben keine Turbulenzen mehr.
Mussten dem hoch aufgeschossenen Mädchen früher alle Säume verlängert werden, passe ich heute in die Kurzform, und in meinem Pass stimmt die angegebene Körpergröße auch nicht mehr.
Kleidung, die ich geliebt habe, die mir nicht mehr passt, und die noch im Schrank hängt, weckt Erinnerungen. Noch kann ich sie nicht weggeben, obgleich keine Aussicht besteht, sie jemals wieder tragen zu können. Trotz aller Disziplin lässt sich nicht verhindern, dass man im Alter fülliger wird und wenig Ähnlichkeit mehr mit der einst Jungen hat.
Die Seele ist alterslos
Alter wird einem nur bewusst durch die nachlassende Beweglichkeit und zunehmende Steifigkeit sowie Vergesslichkeit. Nur die Seele ist alterslos. Es ist kein Unterschied im Fühlen, ob man 20, 50 oder 80 Jahre alt ist. Je älter man wird, umso aufwendiger gestalten sich die Verschönerungsmaßnahmen, sprich das Schminken, ohne die sich manche Frau nicht mal bis zum Bäcker am Ende der Straße traut.
Schöpft man in der Jugend noch aus dem Vollen und scheut keinen Wettbewerb mit seinesgleichen, zählt im Alter nur noch Barmherzigkeit mit sich selbst, wenn man nicht ändern kann, was nicht zu ändern ist. Weil Falten die Zeilen sind, die das Leben ins Gesicht geschrieben hat. Eine ganze Industrie lebt davon, sie aus der Welt zu schaffen. Die Anzahl von Töpfchen und Tiegelchen auf der Badablage wird mit den Jahren immer zahlreicher, ohne dass der Alterungsprozess in Wirklichkeit aufzuhalten wäre. Nichts für mich; ich besitze noch nicht mal einen Lippenstift.
Männer haben es hier bedeutend einfacher. Während sie zunehmendes Alter interessanter macht, spricht man bei Frauen ungeniert vom Welken. Einmal hörte ich jemanden sagen, mit 40 habe man das Gesicht, das man verdient, und mit 80?
Wenn ich noch einmal auf die Welt käme, wäre ich nicht mehr so brav und gehorsam, würde nicht mehr sämtliche Mystifizierungen des Körpers bzw. der Leiblichkeit für bare Münze nehmen, und mehr nach dem Motto leben: Brave Mädchen kommen in den Himmel – böse Mädchen kommen überall hin!
Herma Brandenburger
Bild: Stevica Mrdj / AdobeStock
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