Das Theaterstück neu schreiben
Es ist kein Zufall, dass das Wort Noviziat, also die Ausbildung zum Ordensmann oder zur Ordensfrau, von dem Wort novus (lateinisch: neu) abgeleitet ist. Der Weg in einen Orden ist ein Weg in eine völlig neue Lebensweise. Doch der Weg ins Neue ist eine Aufgabe für jeden Christen, wie der Provinzial der Pallottiner, P. Helmut Scharler bei der Eröffnung des Noviziats der Pallottiner mit folgenden Worten erläuterte:
Es gibt eine seltsame Geschichte aus Indien: Ein junger Mann möchte bei einem Guru, einem Meister, in die Lehre gehen, sein Schüler sein und von ihm lernen. Doch der Meister schickt den künftigen Schüler drei Mal weg. Und das auf ziemlich brutale Weise. Ich weiß nicht, ob ich nach dem dritten Mal noch wiedergekommen wäre, wenn ich vom Novizenmeister der Pallottiner drei Mal auf so eine Weise abgewiesen worden wäre. Doch die Geschichte macht am Ende deutlich, was der Meister prüfen wollte: die Ausdauerfähigkeit, die Ernsthaftigkeit und die Bereitschaft, einen Preis für das zu bezahlen, was man erreichen möchte.
Unser Gründer Vinzenz Pallotti war sein eigener strenger Meister, der sich selbst hart prüfte. Er wollte um jeden Preis heilig werden, was nicht heißt, dass er selbst verehrt werden wollte. Heilig sein bedeutete für ihn vielmehr, ein vollkommener Jünger Jesu zu werden, ein Mozart auf dem religiösen Gebiet, wenn Sie mir als Österreicher dieses Bild erlauben.
Vinzenz Pallotti sind seine Berufung und sein Weg nicht in die Wiege gelegt worden. Er hat sich mit Eifer und Disziplin auf den Weg zu seinem Ziel gemacht. Und dabei hat er etwas ganz Entscheidendes verstanden: Er hat sich immer die Liebe zum Neuen bewahrt.
Wir brauchen ein junges Herz
Und diese Eigenschaft möchte ich an dieser Stelle besonders hervorheben: Ein religiöser Mensch und auch ein Pallottiner braucht ein junges Herz. So wie Jesus in einem Gleichnis sagt, sollen wir nicht nach hinten schauen, wenn wir die Hand an den Pflug gelegt haben. Oft sind wir auch zu sehr um das Tote bemüht, obwohl es schon lange Zeit tot ist und nicht mehr zum Leben erweckt werden kann.
Besser wäre es, wenn wir uns mit dem Neuen vertraut machen. Doch auszusteigen, um neu anzufangen, das erfordert Mut und einen weiten Horizont. Die Gehirnforschung lehrt uns ja, dass wir, um etwas Neues integrieren zu können, es mindestens 21 Tage am Stück wiederholen und einüben müssen. Erst dann wird es beginnen zu wirken.
Unsere Bildung, unsere Herzensbildung, dauert ein Leben lang an. Wir sind niemals ganz ausgebildet, niemals ganz fertig, niemals zu Ende. Wir sind immer auf dem Weg.
Der Segen der Unterbrechung
Diese Erkenntnis wach zu halten, dazu kann uns im Alltag ein Ritual helfen. Ich nenne es den „Segen der Unterbrechung“. Es ist eine Einladung, aus der Routine auszusteigen, der Gefahr des „immer weiter so“ zu entgehen. Ich kann mich am Abend zum Beispiel besinnen: Wie ist der Tag gelaufen? Was kann ich morgen besser machen? Mir hilft dabei oft ein Bild von der Theaterprobe. Ich stelle mir vor, wie ich am Abend von der Bühne gehe und mich in den Zuschauerraum begebe. Und dann sehe ich mir das Stück an, das ich tagsüber gegeben habe. Gefällt mir das? Will ich da weiter mitspielen? Wo kann ich etwas verändern? Will ich es gar neu schreiben?
Dieses Reflektieren ist eine Möglichkeit, den Weckruf des Lebens nicht zu überhören oder zu vergessen. Die entscheidende Frage ist dann: Habe ich auch den Mut zu dieser Veränderung und wie geht das? Die Antwort auf diese Frage ist eine Frage der Spiritualität.
Vinzenz Pallotti hatte zu diesem Zweck eine extra Uhr anfertigen lassen. Auf dem Ziffernblatt waren die Stationen Jesu aufgezeichnet. Sie erinnerten ihn daran, dass er jede Stunde unter dem Segen Gottes lebte.
Wir brauchen diesen Weckruf von außen. Von außen müssen wir daran erinnert werden, dass das, was Mystiker aller Religionen am meisten fürchten, die Gefahr ist, einzuschlafen, das Leben zu verschlafen. Das Neue zu verpassen.
„Ich schaffe Neues“, sagt Gott. Und oft kommt das Neue nicht mit einem Paukenschlag, sondern eher unerwartet, leise, und will erst erkannt werden. Es ist wie ein Weg, der angelegt wird, während man ihn geht. So wie beim Propheten Elija, der auf Gott wartet und dem Sturm begegnet. Aber Gott war nicht im Sturm. Dann steht er vor einer Feuersbrunst, aber Gott war nicht im Feuer. Doch dann ergreift ihn ein sanftes leises Säuseln. Und hier begegnet ihm Gott. Ich möchte gerne mit allen Menschen aufbrechen, um diesem Neuen entgegenzugehen, auf dem Weg zu einem erwachten Leben.
P. Helmut Scharler
Foto: Mark Williams / unsplash
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