Hildegard von Bingen

Auch aus diesem Heft:

Ein Garten ist nicht immer ein Ort des Lebens und der Freude. Jesus selbst hat in so einem Garten gebetet: Der Garten Getsemani ist seither Inbegriff des Gebets in der Angst.

Ein Blick in den Hildegarten

Wenn ihr Name erklingt, denkt man unwillkürlich an einen Klostergarten. Hildegard von Bingen (1098-1179) war eine Frau mit vielen Facetten. Sie war Heil- und Pflanzenkundige, Äbtissin, Visionärin, Ratgeberin von Bischöfen und Fürsten. An Rhein und Nahe kommt man ihrer spannenden Persönlichkeit und ihrer Kräuterlehre näher.

Ein Hauch von Mittelalter weht durch die Luft. Als ob der Wind die Gesänge der Mönche durch die alten Mauern schickt. Hier also, im abgeschiedenen Kloster Disibodenberg, begann Hildegards außergewöhnliche Laufbahn. Ein Mädchen am Rande einer von Männern geführten Benediktinerabtei, gerade 14 war sie, als sie mit ihrer Erzieherin Jutta von Sponheim ins Kloster bei Odernheim am Glan eintrat.

Die Grundmauern der alten Kirche stehen noch, umschlungen von mächtigen Wurzeln und Ästen. An ihrer Seite prangt ein Schild „Frauenklause“, mit einem Fragezeichen dahinter. War hier ihre Zelle? Schmiedete sie hier ihre Pläne, entdeckte die Heilkraft der Pflanzen und ihre visionären Fähigkeiten?

Vieles ist im Dunkeln aus diesen Zeiten. Über 40 Jahre lebte sie in jenem Klosterwäldchen, das heute einen Weinberg bekrönt. Ein Weg der Stille führt durch die Ruine, unterhalb von ihr steht eine moderne weiße Kapelle, die der Nonne Hildegard gewidmet ist.

1150 brach sie auf. Nach Bingen am Rhein. Der Traum vom eigenen Kloster, nun endlich sollte er wahr werden. Ein 135 Kilometer langer Hildegard-von-Bingen-Pilgerweg zeichnet ihre Reise nach. Der Aufbruch in ein neues Leben, in dem sie nicht mehr die zweite Geige spielen würde. Auf dem Rupertsberg in Bingen entstand ein Frauenkloster, eine Abtei ganz nach Hildegards Vorstellungen. Sie leitete sie bis zu ihrem Lebensende.

Davon freilich ist heute nichts mehr zu sehen. Dem Eisenbahnbau mussten die Reste der Ruine 1859 weichen. Ein heute unbegreiflicher Vorgang, doch aber auch ein Zeichen dafür, dass Hildegard und ihre Lehre lange Zeit vergessen waren. Erst Ende des 19. Jahrhunderts begann ihre Renaissance, aus der im 20. und 21. Jahrhundert ein regelrechter Kult und auch ein Geschäft wurden.

Das hat viel mit Hildegards Wissen um den Menschen und seine Natur zu tun. Die Einheit von Körper und Geist, von gesunder Ernährung und einer Medizin, die auf die Kraft der Natur vertraut. Hildegard wusste, was den Menschen guttut, und beobachtete mit Grauen, wie sich ihre Schwestern und Brüder im Kloster selbst geißelten und malträtierten. Ein Bußgürtel, der tiefe Wunden ins Fleisch schnitt, das konnte nie und nimmer im Sinne Gottes sein.

Im Binger „Museum am Strom“ kommt man ihrem vielschichtigen Leben näher. Die Dauerausstellung zeichnet ihre Stationen und die Facetten ihrer Persönlichkeit nach. Eine Frau, die viel redete und ebenso viel schrieb. Die „Posaune Gottes“ wurde sie auch genannt. Sie posaunte alles hinaus, was ihre inneren Stimmen ihr zuflüsterten. Ein nimmer enden wollender Quell der Verkündigung in Schrift und Tat.

Die Heilkräfte der Natur

In einem ihrer Hauptwerke, der „Physica“, fasste sie die Heilkräfte der Natur zusammen. Eine Sammlung, die die Erkenntnisse der Antike mit der Volksmedizin der damaligen Gegenwart zusammenführte. Kapitel eins war den Getreiden und Kräutern gewidmet, Kapitel drei den Bäumen. Auf über 300 Pflanzenarten ging sie ein.

Im „Hildegarten“ gleich neben dem Museum am Strom wird vieles davon lebendig. Ein kleiner Auszug aus dem reichhaltigen Wissen der Äbtissin, eröffnet zur Landesgartenschau 2008 in Bingen und seither gehegt und gepflegt. In 15 Themenbeeten und acht Einzelbeeten werden Heilpflanzen und ihre Wirkung präsentiert.

Der Blutwurz etwa, der gegen Fieber hilft, die Pfingstrose, die bei Gicht Wunder wirkt, der Dinkel, der Frohsinn verleiht. Hildegard vertraut auf die Grünkraft der Natur, die nicht nur Kranke heilt, sondern auch das Böse abwehrt. „Wo der Farn wächst, verübt der Teufel selten seine Täuschungen“, tat sie kund und pries ihn obendrein als Mittel gegen Blitzschlag, Donner und Hagel.

Freilich ist nicht alles, was Hildegard zugeschrieben wird, nachweislich von ihr. Von der „Physica“ gibt es kein Original, sondern nur Abschriften. Und keiner weiß, was die Kopisten dabei jeweils veränderten oder ergänzten. Der „Quellenbrunnen“ im Hildegarten weist symbolisch darauf hin. Immer fließt dort etwas zu und ab, so wie das auch bei Hildegards Werken war. Man kann darüber sitzen und philosophieren, sich vom Plätschern des Wassers, dem Summen der Bienen und dem Duft der Heilkräuter betören lassen. Eine sinnliche Reise in die Vergangenheit, direkt am Ufer des Rheins.

Es ist nicht der einzige Binger Kräutergarten, der Hildegard im Namen trägt. Hoch über der Stadt, auf dem Rochusberg, gibt es ein Hildegard-Forum, das sich dem Lebenswerk der berühmten Äbtissin widmet. Das Begegnungszentrum wird von den Kreuzschwestern geführt, mit einer Küche, die sich an der Ernährungsphilosophie von Hildegard orientiert. Es liegt unweit der Rochuskapelle, einer Wallfahrtskirche, die seit 1895 einen berühmten Hildegard-Altar besitzt.

Auch der Weinrebe war Hildegard zugetan

Im Kräutergarten des Hildegard-Forums gedeihen rund 80 Heilpflanzen sowie einige Obstbäume, die in der „Physica“ ebenfalls Erwähnung finden. Feige, Wacholder und Ölbaum gehören dazu, ebenso wie Schafgarbe, Beifuß oder Wurmfarn. Auch die Weinraute ist dort vertreten, ein Gewürz- und Heilkraut, dessen Name daran erinnert, dass Hildegard auch einer anderen Pflanze durchaus zugeneigt war: der Weinrebe.

„Der Wein, der vom Weinstock erzeugt wird, macht das Blut des Trinkers gut und gesund“, soll sie einmal gesagt haben. In anderen Fällen riet sie von Wasser ab und empfahl stattdessen den verstärkten Konsum von Wein – eine Haltung, die sich mit heutigen medizinischen Erkenntnissen freilich nicht unbedingt mehr deckt.

Für die Benediktinerinnen der Abtei St. Hildegard in Rüdesheim sind derlei Positionierungen dennoch ein Segen. Die Ordensfrauen betreiben das einzige von Schwestern selbst geführte Klosterweingut in Deutschland. Es liegt auf der anderen Rheinseite, in Rüdesheim-Eibingen, wo Hildegard ein zweites Kloster gegründet haben soll. Die Abtei St. Hildegard sieht sich in ihrer direkten Nachfolge.

Am 17. September 1179 starb sie im Alter von 81 Jahren in Bingen. Es hat lange gedauert, bis sie von der Nachwelt wiederentdeckt wurde, erst 2012 erfolgte ihre Heiligsprechung. Eine Prophetin im eigenen Lande, deren Lehren heute freilich aktueller denn je sind. Vielleicht weil sie den Menschen in seinem Wesen verstanden hat, der heute wie damals Glück, Erlösung und Linderung für seine Leiden sucht.

Andreas Steidel

Bild: Andreas Steidel

Reisetipps zu Hildegard von Bingen

  • Klosterruine Disibodenberg in Odernheim am Glan: disibodenberg.de
  • Hildegard von Bingen-Dauerausstellung im „Museum am Strom“ in Bingen: bingen.de. Der „Hildegarten“ ist gleich neben dem Gebäude.
  • Hildegard-Forum auf dem Binger Rochusberg mit Hotel, Tagungsstätte und Heilkräutergarten: hildegard-forum.de. Die Rochuskapelle mit dem Hildegard-Altar liegt in direkter Nachbarschaft.
  • Abtei St. Hildegard in Rüdesheim-Eibingen mit Klosterladen, kleiner Gaststätte und einem Klosterweingut: www.abtei-st-hildegard.de
  • Der Hildegard von Bingen-Pilgerwanderweg ist 135 Kilometer lang und verbindet Idar-Oberstein mit Bingen am Rhein: www.hildegard.eu

Hildegard in der Casa Pallotti

Die Casa Pallotti ist ein Gästehaus der Pallottiner in Meran/Südtirol. Die beiden dort lebenden Pallottiner bieten neben der Möglichkeit, Urlaub zu machen, auch Kurse mit dem Schwerpunkt „ganzheitlicher und gesunder Lebensstil“ an. So verbinden sie auch die Lehre der Heiligen Hildegard mit der Gesundheitslehre Ayurveda. Zudem finden Kurse nach dem Naturheilverfahren von Sebastian Kneipp statt.

Der Mensch ist eine Ganzheit aus Körper, Geist und Seele. Dies soll in den angebotenen Kursen erfahren und eingeübt werden. Während der Kurszeiten wird gesunde Ernährung unter dem Motto „Lebensmittel sind Heilmittel“ angeboten. Es geht also vor allem um die Heilwirkung der Lebensmittel, Kräuter und Gewürze.

Sehr herzlich sind Sie eingeladen, einige erholsame Tage in der Casa Pallotti zu verbringen. Kontakt unter Casa Pallotti, Pflanzensteinstr. 9, I – 39012 Meran/Obermais. Telefon: +39-0473-230-132, E-Mail: info@casapallotti.it, www.casapallotti.de.

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Gott ist kein kleinkarierter Buchhalter, der nach einem fein säuberlich geführten Konto mit uns abrechnet.

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