Wenn Unsichtbares spürbar wird
„Zeichen seiner Nähe“, so überschrieb vor 45 Jahren die Zeitschrift „Katholisches Apostolat (KA)“ einen ganzen Jahrgang, Damit sollten die Sakramente erklärt werden. Das ist auch die Absicht des folgenden Beitrags.
Wenn Kapitän Morten Hansen sein Kreuzfahrtschiff an der Küste seiner Heimatstadt Tromso/Norwegen vorbeisteuert, lässt er voller Stolz dreimal das Schiffssignal ertönen. Dann weiß seine Mutter, die unweit entfernt wohnt: Der Junge ist wieder in der Nähe. Sobald dieser Ton ihr Ohr erreicht, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht, wahrscheinlich könnte sogar eine Steigerung ihres Blutdruckes gemessen werden.
Die Mutter kann ihren Sohn weder sehen noch seine Stimme hören oder seine Hand ergreifen und doch ist er ihr geheimnisvoll nahe. Irgendwann hat er mit ihr dieses Zeichen verabredet.
Ja, es ist ein Geheimnis, wie unsere Sinne schon bei einer kleinen Andeutung den Zugang zu einer viel größeren Wirklichkeit eröffnen können. Da wird Unsichtbares plötzlich spürbar, Geistiges körperlich greifbar, Zeitloses zur Gegenwart, Überirdisches erdhaft verwurzelt. Was die Sinne unserem Geist präsentieren, kann dieser annehmen und im Leben als Wirklichkeit erfahren lassen.
„Wenn ihr im Westen eine Wolke aufsteigen seht…“
Jesus traut der „Volksmenge“ (vgl. Lk 12, 54ff), also ganz einfachen Leuten die Fähigkeit zu, das Wetter vorherzusagen. Dabei hilft ihnen, was sie schon von früheren Generationen gehört haben. Sie wissen, dass es Regen gibt, wenn sie „im Westen eine Wolke aufsteigen“ sehen, und dass der „Südwind“ sengende Hitze und Trockenheit bringt. Davon sind sie überzeugt und danach richten sie in der Regel auch ihren Tagesablauf und ihre Arbeit ein.
Manche Theologen sprechen angesichts dieser Zusammenhänge von der sakramentalen Struktur der Schöpfung. Damit ist gemeint, dass Zeichen der Natur wirkmächtige Verheißungen des Schöpfers in der Welt vermitteln können. Der Schöpfer zeigt sich in der Welt anwesend und ist mit ihr im Dialog. Der Prophet Jesaja (55,10f) beschreibt dies in anschaulichen Worten:
„Wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt
und nicht dorthin zurückkehrt,
ohne die Erde zu tränken
und sie zum Keimen und Sprossen zu bringen,
dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen,
so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt:
Es kehrt nicht leer zu mir zurück, ohne zu bewirken, was ich will,
und das zu erreichen, wozu ich es ausgesandt habe.“
Geheimnis des Glaubens
Bestimmte markante Zeichen sind in der katholischen Kirche als die sieben Sakramente bekannt. Diese Bezeichnung geht auf die scholastische Theologie des 13. Jahrhunderts zurück. Ursprünglich war das Wort „sakramentum“ einfach die lateinische Übersetzung des griechischen biblischen Begriffs „mysterion“, der deutsch „Geheimnis“ bedeutet. Damit sind Zeichen der anbrechenden Gottesherrschaft gemeint.
Dazu gehören vor allem die vielen von den Evangelisten überlieferten „Zeichen“, die durch Jesus von Nazaret geschehen sind, auch „Wunder“ genannt. Jesus selbst wird als personifiziertes „Zeichen“ gepriesen, in dem „die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien“ (Titus 3, 4). In ihm offenbart sich die universale Sakramentalität in größter Dichte als Ursakrament Gottes (Leonardo Boff). Da Christus in und mit der Kirche lebt, wird auch sie zum Sakrament, ebenso ihr Wirken, vornehmlich – aber nicht nur – in den sieben Sakramenten.
Im Leben der Kirche findet neben der Taufe vor allem das „Sakrament des Brotes“ besondere Würdigung. Schon das Brot unseres alltäglichen Lebens lässt sakramentalen Charakter erkennen, wenn wir es als „Lebensmittel“ erfahren, noch mehr, wenn es Menschen an einem Tisch zusammenführt und Gemeinschaft stiftet. Im wahrsten Sinne des Wortes „überhöht“ wird es, wenn es an das letzte Mahl Jesu mit seinen Freunden erinnert und dabei durch den Geist Gottes Leiden, Sterben und Auferstehung des Christus gegenwärtig werden lässt. Dann wird es zum „Geheimnis des Glaubens“.
Das Gottesreich ist mitten unter euch!
Zeichen haben es an sich, dass sie einerseits sehr handfest sind und doch nicht in dieser sinnlichen Handfestigkeit aufgehen, sondern auf etwas hinweisen, was „tief verborgen“ ist. So lässt sich beim Wasser der Taufe wie bei jedem Wasser durch unsere Sinne Leben, Erfrischung und Reinigung erkennen. Zugleich entfaltet es eine heilsame Wirksamkeit, die darüber hinausreicht und doch in der Welt bleibt.
Besonders empfänglich ist der Mensch für solche sakramentalen Zeichen an den markanten Punkten des Lebens: Geburt, Erwachsenwerden, Ehe und Tod. Wenn einem Menschen eine Hirtenaufgabe in der Kirche übertragen wird, wenn er in Tagen der Krankheit nach Stärkung verlangt oder angesichts von Sünde und Schuld auf die Gnade der Vergebung hofft, immer kommt Gott uns in Zeichen unserer Welt entgegen, damit wir in ihnen im Glauben seine Nähe erfahren können.
Ähnlich wie für die Mutter des Kapitäns beim Hören des Schiffssignals die Nähe ihres Sohnes aufgrund seines Versprechens zur Gewissheit wird, so verkünden die Sakramente mit Hilfe des deutenden Wortes, dass das Reich Gottes mitten unter uns ist (vgl. Lk 7, 21). Das Reich Gottes ist nicht etwas, das der Welt als etwas Fremdes begegnet, sondern es ist mit unserem Leben engstens verbunden. Wer das Reich Gottes allerdings als eine getrennte Größe versteht, für den wird es nicht sichtbar. Wahrscheinlich vermag es nur der wahrzunehmen, der gläubig in ihm lebt. Auch hier gilt: „Wer es fassen kann, der fasse es!“ (vgl. Mt 19,12).
P. Peter Hinsen
Bild: Thomas Warnack
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