Auch aus diesem Heft:

Sagt Jesus nicht, dass wir nicht ins Himmelreich kommen, wenn wir nicht werden wie die Kinder? Er weist uns darauf hin, dass wir Gott vertrauen sollen wie ein kleines Kind.

Hinfallen und wieder aufstehen

Es gibt eine Kraft im Menschen, die von den Fachleuten Resilienz genannt wird. Es beschreibt die Fähigkeit, unter Druck und Widerstand sich biegen zu können, ohne zu zerbrechen. Und diese Kraft bildet sich meist in der Kindheit aus.

Das kleine Mädchen ist ungefähr 15 Monate alt und beginnt zu laufen. Sie steht unsicher auf ihren kleinen Beinen, sie geht zwei Schritte und sitzt auf dem Po. Sofort steht sie wieder auf und beginnt von neuem, wieder zwei Schritte und sie fällt nach vorne auf ihre Hände. Ihre Mama steht zwei Meter von ihr entfernt, lächelt sie an und ermuntert sie immer wieder aufzustehen.

Die Kleine lächelt zurück und setzt ihre Anstrengungen fort. Das Hinfallen gehört zum Laufen lernen dazu und sie steht immer wieder auf. Sie macht unsichere Schritte, aber sie kommt vorwärts und landet nach einigem Hinfallen und wieder Aufstehen endlich in den Armen ihrer Mama. Diese lobt sie und freut sich über die Energie und das Durchhaltevermögen ihres Kindes.

Das Immunsystem der Seele

In den ersten drei Jahren lernen die Kinder am meisten, sagt man. Sie lernen laufen und sprechen, sie lernen greifen und essen, sie unterscheiden die Dinge, die sie sehen, und sie entdecken auch sich selbst als eigenständige Person. Jedes Kind bekommt dazu eine Anlage zur Resilienz, eine Art Immunsystem der Seele, mit auf die Welt. Denn ohne diese Lebenskraft könnte kein Mensch lernen und sich entwickeln. Hinfallen und Aufstehen ist bei einem kleinen Kind eine reale Aufgabe, bis es sicher auf seinen eigenen Beinen steht. Im Laufe des Lebens kann es auch ein Bild werden für die Bewältigung von Stress und Krisen.

Wer als Kind diese Widerstandskraft entwickeln konnte, der hat auch eine gute Möglichkeit, sie sich im späteren Leben zu Nutze zu machen. Kinder brauchen zu dieser Entwicklung feste Bezugspersonen, die ihnen Wertschätzung und Verständnis entgegenbringen, sie müssen sich im Zusammenspiel mit Gleichaltrigen üben und sie sollten spüren, dass die Erziehenden an der Entwicklung ihrer Fähigkeiten wirklich Interesse zeigen, aber auch Grenzen ziehen. So lernen sie Zutrauen zu sich selbst und erkennen ihre Stärken. Sie nehmen mutig Herausforderungen an, sind aber auch bereit, Hilfe anzufragen und einzufordern.

Starke, resiliente Kinder glauben daran, dass sie etwas bewirken können und es immer Lösungen für ihre Probleme gibt. Vorbilder für solche starken Kinder findet man in der Kinderliteratur eine ganze Menge. „Ich habe es noch nie vorher versucht“ sagt Pipi Langstrumpf, “also bin ich mir ganz sicher, dass ich es schaffe.“ Dieser Mut, einfach Neues auszuprobieren und der Optimismus, dass dieses auch gelingen kann, sind einige der wichtigsten Faktoren für ein gesundes seelisches Immunsystem.

Dem Leben trauen

Eine gut entwickelte Resilienz hilft im weiteren Leben mit traumatischen Ereignissen wie Unfall, schwerer Krankheit, existenzieller Unsicherheit oder Verlust von geliebten Personen besser und flexibler umgehen zu können. Nach einer Krise finden die resilienten Menschen schneller wieder ihre psychische Balance. Sie bleiben nicht in einer Problemschleife stecken und sie versinken nicht in einer Verzweiflung, die sie krank macht und lähmt.

An die Stärke, die wir als Kind entwickelt haben und sei es nur beim Laufen lernen, beim Hinfallen und Aufstehen, daran sollten wir uns als Erwachsene in schwierigen Situationen erinnern. Jeder von uns hat eine Resilienz mitbekommen und wir können sie jederzeit aktivieren und auch weiterentwickeln. Das heißt: dem Leben trauen und hoffen, dass es gut wird und alles einen Sinn hat. Jede Krise kann als Herausforderung gesehen werden, die uns wachsen lässt. Lernen wir von den Kindern und erinnern wir uns, dass wir selbst solche Kinder gewesen sind.

Gertrud Brem

Bild: Adobe Stock

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