Auch aus diesem Heft:

Bis der Tod uns scheidet. Dieser Satz kommt den meisten Menschen in den Sinn, wenn Sie über die Trauformel bei der Eheschließung denken.

Scheitern dürfen ist ein Menschenrecht

Ehen werden im Himmel geschlossen, sagt man, und vergisst, dass sie auf der Erde gelebt werden müssen, auf dem Boden der Wirklichkeit. Der ist manchmal härter, als man ihn sich vorgestellt hat. Dennoch wagen viele Liebenden den Schritt in die Ungewissheit, die sich oft als Abenteuer herausstellt.

Es ist ja nicht so, dass zwei Menschen sich leichtfertig vor dem Altar ein Eheversprechen geben, ohne sich vorher lange und ausgiebig geprüft zu haben. Und wenn es nicht klappt, gehen sie problemlos wieder auseinander. Manchmal tragen jedoch alle gutgemeinten Vorsätze nicht zum Gelingen dessen bei, was man sich einmal wunderbar ausgemalt hat. Scheitern dürfen ist ein Menschenrecht.

Selbst beste Absichten bewahren nicht davor, dass Menschen sich mit der Zeit verändern und nicht mehr die sind, die sie zu Anfang des Eheversprechens gewesen sind. Unter Umständen beginnt ein Aneinanderleiden, das nichts aufhalten kann, außer eine Trennung. Die wird keineswegs zu schnell vollzogen, wie die landläufige Meinung zu wissen glaubt. Vielmehr begünstigt die Unabhängigkeit der Frauen viele Trennungen, denn auf sie gehen prozentual die meisten Scheidungen zurück. Was nicht heißt, dass Männer zufriedenere, ausbalanciertere Ehepartner wären.

Früher hielten Ehen auch nicht länger

Frauen sind heute nicht mehr auf Gedeih und Verderb auf ihren Erhalt durch den Mann angewiesen, sofern sie einen Beruf erlernt haben und auf eigenen Beinen stehen können. Wenn allerdings Krieg zwischen den Fronten herrscht, schafft man es nicht einmal mehr, friedlich miteinander befreundet zu sein.

Um es gleich vorwegzusagen: Früher hielten Ehen überhaupt nicht länger. Die Menschen wurden gar nicht so alt wie heute, und nicht selten starben einem Mann ein, zwei Frauen hintereinander im Kindbett weg, so dass eine Ehe selten von längerer Dauer war. Die Ehen unserer Großeltern währten oft auch nur, weil die Frauen sich bis zur Selbstaufgabe ihrem Ehemann unterordneten.

Um die Jahrhundertwende war es aus konventionellen Gründen kaum möglich, unverheiratet zu bleiben. Ohne „Ernährer“ alt zu werden, bedeutete „sitzengeblieben“ zu sein. Nur mit einem Mann an der Seite war die Frau ein vollwertiges Glied der Gesellschaft, und der hatte die Verfügungsgewalt über Leib und Leben seiner Frau. Ihm stand sogar das Recht zu, sie zu züchtigen, wovon etliche aus allen Gesellschaftsschichten auch Gebrauch machten.

„Bis dass der Tod uns scheidet“ lautet die kirchliche Trauformel. Was aber, wenn der Tod der gegenseitigen Liebe schon lange vorher eingetreten ist? Wenn man sich mit der Zeit dermaßen auseinandergelebt hat, dass jeder Wiederbelebungsversuch der Gefühle scheitert? Dann verwirkt auch jedes Sakrament seine Segenswirkung. Kinder spüren sehr genau, was Vater und Mutter miteinander verbindet, und allein der Kinder wegen auf die Zähne zu beißen und durchzuhalten, bringt keineswegs gesunde und glückliche Menschen hervor.

Sachliche Romanze

Wo Entwicklung und Reifung vor sich geht, bleibt Veränderung nicht aus, was zum Teil auch unserer schnelllebigen Zeit geschuldet sein dürfte. Nicht jeder sich auftuende Abgrund lässt sich auf Dauer mit Kompromissen überbrücken. Erich Kästner hat diese Situation einmal in sehr berührenden Versen geschildert; er hat sie „Sachliche Romanze“ genannt:

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden,
wie andern Leuten ein Stock oder Hut. 

So viel steht jedenfalls fest: Eine Scheidung ist keine Bagatelle; sie ist für alle Beteiligten eine schmerzliche Angelegenheit, ein zerplatzter Traum, der einen Scherbenhaufen hinterlässt.

Wer, wenn nicht Gott, hätte ein Einsehen mit Schiffbrüchigen, die sich mühsam ans Ufer retten, um weiterbestehen zu können? Sie haben keine Ausgrenzung und keine Geringschätzung verdient.

Herma Brandenburger

Bild: AdobeStock

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