Aufeinander bezogen sein
„Wenn Sie liebevoll empfangen werden, sind Sie in der falschen Wohnung.“ Dieser Satz aus meinem Kabarettprogramm löst im Publikum Gelächter aus. Dabei ist er eher zum Weinen. Denn ein liebevoller Empfang zu Hause ist ein Vitaminstoß für die Beziehung. Zu viele Bindungen lösen sich auf, weil die Liebeserweise nachlassen und im Alltagstrott zerrieben werden. Das wäre vermeidbar, wenn sich beide Partner an einfache Regeln halten würden.
Verstehen, was der andere nicht sagt, aber verschlüsselt zu verstehen gibt. In dieser Hinsicht fällt es den Männern schwerer als den Frauen, zwischen den Zeilen und vielsagenden (Re-)Aktionen zu lesen. Auffälliges Schweigen, meidende Blickkontakte und häufige Kopf- und Magenschmerzen weisen möglicherweise auf eine Kränkung hin; es kann ein Zeichen mangelnder Wertschätzung und Beachtung sein. Es kann Stress bedeuten oder ein Signal für erwartete, aber ausbleibende Unterstützung. Ein empathischer Mensch spürt es und hakt fragend nach.
Wer über Gefühle und intime Wünsche spricht, stärkt das Vertrauen und rückt näher zusammen. Viele haben Schwierigkeiten, sich in der Beziehung so zu zeigen, wie sie wirklich sind – aus Angst, verlassen zu werden oder aus der Erfahrung heraus, nicht ernst genommen zu werden. Hier muss ich als Psychotherapeut mal die Männer rüffeln: Sie gehen zu wenig auf die Bedürfnisse ihrer Frauen ein, nennen sie „hysterisch“, wenn diese laut werden, halten sich aber selber für „dynamisch“, wenn sie schreien.
Beziehung bedeutet „aufeinander bezogen sein“. Wer immer nur sein Programm durchzieht, braucht keinen Partner. Ebenfalls wichtig ist, dem Partner immer wieder etwas Gutes zu tun, also etwas, was seinen Wünschen und Bedürfnissen entspricht. Denn lieben heißt auch (aner-)kennen.
In einer funktionierenden Beziehung sollte der eine das Positive am anderen wahrnehmen. Viele schauen auf das, was aus ihrer Sicht dem Partner fehlt und machen ihm das zum Vorwurf. Besser ist es, auch Seiten des Partners zu tolerieren, die nicht den eigenen Idealvorstellungen entsprechen. Versuche, den anderen zu verändern, sollten aufgegeben werden – es wird nicht klappen.
Wertschätzung fördert die Bindung
Den anderen mit Vorwürfen zu überhäufen, vergiftet das Klima. Aber: Hinter jedem Vorwurf steckt ein Wunsch. Wenn der eine sagt „Du starrst schon wieder nur auf dein Handy“, meint er eigentlich „Ich würde mir wünschen, dass Du mir mal wieder zuhörst.“ So formuliert versteht der Partner, um was es eigentlich geht. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, heißt es. Ein stressiger Tag oder eine unerfreuliche Situation ist rasch überwunden mit einem Blumenstrauß, einem Kuss oder einem Essen im Restaurant.
Pflege bedeutet, dass man sich Zeit reserviert, etwas zu zweit unternimmt und sich körperlich nahekommt. Leider strafen gekränkte Frauen ihre Männer mitunter mit Sexentzug. Dabei kann gerade der Sex nach Stress und Streit die Beziehung wieder kitten.
Eine kleine Anerkennung hier („Dein Essen hat super geschmeckt“), eine angebotene Hilfe dort („Kann ich dich irgendwo unterstützen?“) oder ein gemeinsamer Kinobesuch fördern die Bindung. Keinesfalls sollte sich einer zugunsten des anderen selbst aufgeben. Das Paar muss auch nicht alle Vorlieben miteinander teilen. Und natürlich kann jeder der beiden sich mit seinen Freunden treffen.
Je älter man wird, desto merkwürdiger werden die anderen
Die Jahre verändern uns, was wir aber selber kaum merken. Dann können bislang geschätzte Eigenschaften zu unschönen Verhaltensweisen mutieren. Die Sparsamkeit wird zum Geiz; die Freigiebigkeit zur Verschwendung, die Gewohnheit zum Zwang.
Er sieht nicht mehr so aus wie Brad Pitt, aber es gibt die Chance, dass Brad Pitt irgendwann so aussieht wie er. Und sie hat ihre jugendliche Einfalt abgelegt und wurde vielfältig – mindestens im Gesicht. Das muss kein Problem werden, wenn beide einander akzeptieren; denn in einer guten Beziehung liebt man sich brutto, nicht netto. Daran erweist sich die gesunde, authentische Liebe: „Ich brauche dich, weil ich dich liebe“ und nicht „Ich liebe dich, weil ich dich brauche.“
Es geht nie darum, den anderen anders haben zu wollen, sondern so anzunehmen, wie er ist. Kritik darf geäußert werden, aber nicht abschätzig; Meinungsvielfalt ist okay. Und immer steht das Gute im zweiten Teil des Satzes: „Deine Autofahrt war ja heute nicht das Gelbe vom Ei, aber ich bin froh, dass es dich gibt!“
P. Jörg Müller
Bild: Uwe Wagschal / pixelio
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