Beim Wasserdoktor in Wörishofen
Sebastian Kneipps Naturheilkunde ist heute aktueller denn je. Vor 200 Jahren wurde der eigenwillige Allgäuer geboren. Das Zentrum seines Wirkens war Bad Wörishofen, wo man noch heute auf Schritt und Tritt seinen Spuren begegnet.
Schwester Kreszentia ist flott unterwegs. Mit ihren Nordic-Walking-Stöcken eilt sie durch Bad Wörishofen. Sebastian Kneipp hätte das vermutlich sehr gut gefunden, „Bewegung“ war eine der fünf Säulen, auf denen seine Heilkunde fußte. Die Mallersdorfer Franziskanerinnen hat er 1890 selbst noch für sein „Kinderasyl“ angeworben. „Ja, meine Mitschwestern haben noch mit Pfarrer Kneipp gearbeitet“, sagt Kreszentia stolz. 35 Franziskanerinnen gibt es heute noch in Bad Wörishofen, man sieht sie überall in der Stadt, im Kurpark oder in der Pfarrkirche.
Auch der Orden der Dominikanerinnen hat hier noch einen Sitz. Ihretwegen kam der 33-jährige junge Priester 1855 nach Wörishofen. Das 1842 gegründete Nonnenkloster suchte einen Beichtvater sowie einen Priester, der die Landwirtschaft aufbauen konnte. Kneipp verstand sich auf beides, ging selbst auf Viehmärkte und Saatgutauktionen, arbeitete sich in die Imkerei ein und brachte es zu einem vielbeachteten Bienenzuchtexperten.
Im alten Dominikanerinnenkloster ist heute auch das Kneipp-Museum untergebracht. Raum für Raum entfaltet sich hier das unglaubliche Leben dieses Dorfgeistlichen. Mit einem Bad in der eiskalten Donau hatte es begonnen. Eine Lungenerkrankung plagte ihn, womöglich Tuberkulose, doch mit jedem Wasserguss wurde es besser.
Die Gießkanne wird zum Begleiter
In Wörishofen ließ er nun auch die anderen an seinen Heilerfolgen teilhaben. Waschungen, Bäder und Wickel – immer weiter perfektionierte er seine Anwendungen. Bald strömten die Menschen in Scharen zu ihm, so viele, dass er es bald nicht mehr bewältigen konnte. Die Gießkanne wurde zu seinem ständigen Begleiter, später ein Schlauch mit einer speziell eingestellten Spritzdüse.
In einer stillen Ecke im Stadtgarten steht heute das „Historische Badehaus“. Sein ursprünglicher Platz war der Kreuzgarten des Klosters, hier empfing der Beichtvater der Nonnen seine Kundschaft. 1890 wurde es erweitert, noch heute gibt es im Stadtgarten Schauanwendungen der Kneippschen Wasserkur.
Kneipp war ein Unermüdlicher. Ein Workoholic könnte man auch sagen. Zeitverschwendung hasste er. „Ich will, dass meine Lehren allen Menschen zuteil werden“, hatte er einmal gesagt. Also schrieb er sie auf, mit dem Ergebnis, dass noch mehr Menschen nach Wörishofen kamen.
Die Kneipp-Straße ist heute eine vielbelebte Fußgängerzone. Zahlreiche Boutiquen gibt es hier, Cafés, Naturkost- und Schuhgeschäfte. Irgendwo dahinter erklingen die Töne der Kurkapelle aus der Konzertmuschel. In den Jahren von Sebastian Kneipps Wirken verwandelt sich das Allgäuer Bauerndorf in einen bedeutenden Fremdenverkehrsort.
Erzherzog Johann war begeistert
Die Welt strömt nach Wörishofen, um den legendären Wasserpfarrer zu hören. Fast täglich hielt er Vorträge in der Wandelhalle, empfing englische Lords, indische Maharadschas, deutsche Fabrikbesitzer und österreichische Adlige. Einer von ihnen, Erzherzog Johann, war von Kneipp so begeistert, dass er ihm 1400 Bäume für seine Grünanlagen spendierte.
Die Schenkung des Herzogs bildete den Grundstock für den heutigen Kurpark. Eine ausgedehnte Oase der Natur, die sich vom Zentrum bis an den Stadtrand erstreckt. Hier kann man der Kneippschen Gesundheitsphilosophie näherkommen und mit allen Sinnen erfahren, was es für Körper und Seele bedeutet.
Im Duft- und Aromagarten riecht es nach frischer Minze und Zitronenmelisse. „Es gibt kein Kräutlein, das ich nicht versucht habe“, sagte Kneipp einmal im Rückblick. Er ließ Tinkturen, Pillen und Salben anfertigen, behandelte die Menschen mit Kräuterpackungen und pflanzlichen Kompressen.
Das brachte ihm mehr als einmal Klagen wegen Kurpfuscherei ein. Immer wieder saß ihm die Schulmedizin im Nacken, versuchten Apotheker ihn von seinen vermeintlichen Quacksalbereien abzubringen. Doch Kneipp war längst zu berühmt, reiste zu Vorträgen durch ganz Deutschland und rief mit dem Kneippverein eine Organisation ins Leben, die seine Heilkunst auf professionelle Beine stellte.
So wurde die Kneipp-Kur zum Exportschlager und die Kneippanlage bald zum Standard vieler Kurgärten. Fast an jeder Ecke in Bad Wörishofen kann man heute Wasser treten. Im Kurpark gibt es sogar Arm- und Fußbecken für Kinder und Erwachsene. „Oh Gott, ist das kalt“, ruft eine Besucherin voller Schaudern, nur um gleich danach die Arme wieder tief hinein zu tauchen.
Am 17. Juni 1897 starb Sebastian Kneipp 76-jährig in Wörishofen. 42 Jahre hatte er dort gewirkt, mehr als an jeder anderen Station seines Lebens. Sein Grab auf dem Friedhof gleich gegenüber dem Kloster ist ein Monument: In einem großen Mausoleum und einem Sarkophag aus Carrara-Marmor liegt er bestattet.
Seine Lehren sind heute aktueller denn je. Die Einheit von Körper und Seele erkannte er lange, bevor moderne Wissenschaftler dazu Theorien und Rezepte entwickelten. Ein Geistlicher mit tiefem Gottvertrauen und dem Gespür für das, was Menschen wirklich guttut.
Andreas Steidel
Bilder: Andreas Steidel
Reisetipps Sebastian Kneipp in Bad Wörishofen
Das Kneipp-Museum in Bad Wörishofen hat täglich außer montags von 15 bis 18 Uhr geöffnet: www.kneippmuseum.de.
Die Ausstellung über die geistlichen Wurzeln Kneipps in der täglich geöffneten Pfarrkirche St. Justina ist noch mindestens bis 30. Oktober zu sehen.
Der große Kurpark lohnt mit seinen Rosen- und Duftgärten einen Besuch. An der „Kneippanlage für alle“ beginnt ein Barfußweg. Es gibt auch einen Kneipp-Waldweg, der am Parkplatz Schöneschacher Straße startet.
Wer auf eigene Faust einen Kneipp-Rundgang durch Bad Wörishofen machen will, kann sich kostenlos den Audioguide „Hearonymus“ aufs Handy laden. An den Stationen gibt es QR-Codes.
Am „Historischen Badehaus“ im Stadtgarten finden von April bis Oktober jeden Donnerstag um 10.30 Uhr Schauvorführungen der Kneipp-Wasserkur statt.
Weitere Informationen bei der Gästeinformation Bad Wörishofen, Telefon 08247-9933-55 oder -56, www.bad-woerishofen.de
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