Eine Kunst des Weglassens - nicht nur
Es gibt ein probates Mittel gegen die Versuchung – zumindest wenn man der Bibel glaubt. Es ist das Fasten
Ende der 90er-Jahre fragte ein Reporter einen Mann vor dem Kölner Dom, ob er sich auch zum Beginn der Fastenzeit etwas Bestimmtes vorgenommen habe. Und der Befragte antwortete gut gelaunt: „Ich habe schon einen Tag früher damit begonnen, indem ich das Betthupferl gestern Abend weggelassen habe!“ Im Weitergehen konnte ich mir ein Schmunzeln über so viel Einfalt bei einem erwachsenen Mann kaum verkneifen.
Fasten ist mehr als Maßhalten und eine Diät. Richtig angewendet kann es eine Änderung der inneren Haltung bewirken, sogar Eitelkeiten unterbinden. Zum Fasten braucht man Ruhe und sucht nach Möglichkeit Stille auf, auch um sich selbst näher zu kommen und seine wahren Absichten hinter dem eigenen Tun zu erkennen.
Fasten hat etwas mit Disziplin und Selbstverantwortung zu tun, und weniger mit Macht ausüben. Von alters her fasten Menschen aller religiöser Richtungen, um sich körperlich, geistig und seelisch einzustimmen auf die Feier eines kommenden Festes.
Teuflische Allmachtsfantasien
Auch Jesus kannte eine Fastenzeit und ging zur Vorbereitung einige Wochen dafür „in die Wüste“. Wüste ist hier als Ort des Alleinseins mit sich zu verstehen; im Falle Jesu war diese Zeit keineswegs frei von teuflischen Anfechtungen (Allmachtsfantasien).
Christen fasten vor Ostern, indem sie nicht nur ihren Körper von überflüssigem Ballast entlasten, sondern vor allem Seele und Geist auftanken wollen. Deshalb verzichten sie vorübergehend auf einiges, was sie normalerweise als selbstverständlich beanspruchen.
Verständlich, dass es beim Fasten um mehr geht als um den Verzicht auf Süßes oder auf Alkohol, wiewohl man das eine wie das andere ungern in einem gelingenden Alltag entbehrt. Was brächte es auch, wenn man vor lauter Verzichten so übellaunig wird, dass man sein Umfeld praktisch nur noch angiftet und andere Menschen zu einem auf Abstand gehen, nur weil man fastet? Kommt es doch vor allem auf die Bemühungen an, die man unternimmt, um sich spirituell weiterzuentwickeln.
Gar nicht so falsch wäre es, einmal mehr dankbar für all das zu sein, was man an Annehmlichkeiten als selbstverständlich hinnimmt: Auch für die nicht zu unterschätzende Freiheit, zu sagen und zu wählen, wen und was man will. Das sind Werte, die wir gar nicht hoch genug einschätzen können.
Fasten bietet Gelegenheiten
Das Schimpfen einstellen, ohne zu allem Ja und Amen zu sagen, und für Frieden sorgen, am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft und gegenüber Heranwachsenden.
Kostbare Lebenszeit nicht verschwenden, aber darauf verzichten, selbst immer im Mittelpunkt zu stehen.
Anerkennung und Wertschätzung zeigen, wo man ein selbstverständliches Funktionieren erwartet, ohne vielleicht die Anstrengung des Gegenübers ausreichend im Blick zu haben.
Niemanden bloßstellen, keinen ausbeuten, und zum Almosenempfänger erniedrigen, weil wir uns selbst für weitaus überlegen halten.
Gönnen können, ohne heimlich missgünstig zu sein.
In sich selber ruhen, und sich den Mitmenschen freundlich zuwenden, um den zwischenmenschlichen Frieden zu festigen.
Mitgefühl zeigen und Worte des Wohlwollens verschenken, wo jemand allein und verbittert ist und zu vereinsamen droht.
Um Aussöhnung bemüht sein auf dem „Kriegsschauplatz eigene Familie“, auch wenn es nach jahrelanger Zerrüttung aussichtslos scheint.
Respekt, auch gegenüber Kindern zeigen, weil sie ihren Eltern und Erziehern sowieso alles nachmachen.
Kränkungen heilen lassen und Verzeihen üben auch da, wo man am empfindlichsten getroffen wurde.
Für soziale Gerechtigkeit einstehen und Fremde nicht generell als Sozialschmarotzer abtun.
Irrende behutsam zurechtweisen und sich nicht abwenden, weil man seine Zeit für Besseres einsetzen möchte.
Kranke nicht nur mit Blumen besuchen, sondern auch glaubwürdige Worte der Zuversicht dalassen.
Brücken bauen und Wege ebnen für Behinderte, Alte, psychisch Erkrankte, schuldig Gewordene, dass ihr Leben wieder in rechte Bahnen kommt.
Trauernde und Verlassene sich nicht selbst überlassen, aber auch nicht mit trostlosen Floskeln abspeisen. Dann lieber schweigen.
Für Hungrige Nahrung bereithalten. Hunger hat nicht nur mit Brot zu tun; viel größer ist der Hunger nach Liebe. „Tätige Liebe heilt alle Wunden, bloß Worte mehren nur den Schmerz“ hat der Gesellenvater Adolph Kolping gesagt.
Dem eigenen Tag durch das tägliche Gebet einen Rahmen geben, weil dann alles viel leichter gelingt, auch die Fastenzeit.
Herma Brandenburger
Bild: vetre/AdobeStock
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