Das Leben in seinen Brüchen annehmen
Wir werden nicht verschont. Menschen, die wir lieben, verlassen uns. Wir verlieren das Gefühl von Sicherheit, werden heimatlos und fühlen uns ausgesetzt in Einsamkeit und Schmerz. Wir erleben Krisen und Einschränkungen durch Krankheit und Alter. Manchmal wird all dies übermächtig und unser Leben gerät in eine beängstigende Schieflage. Was kann dann helfen? Der Glaube?
Wie kann man mit Leiden sinnvoll leben? Was gibt Trost? Wer sich diese Fragen stellt, ist schon auf der Suche nach seelischem Halt und öffnet sich für die Möglichkeiten, Trost zu finden. Viele Menschen entdecken in ihrem Glauben einen Trost und einen Sinn, um ihre Situation zu akzeptieren und darauf zu vertrauen, dass es sich auch wieder ändern kann.
Die Texte der Bibel enthalten viel Tröstliches, gerade, weil sie keine heile Welt präsentieren, sondern menschliches Leben in all seinen Brüchen, Verletzungen und Krisen in Beziehung zu Gott setzen. Am deutlichsten lesen und hören wir es in den Psalmen. Das Leben der Menschen damals unterscheidet sich nur in den Bildern ihrer Lebenswelt von unserem Leben heute, aber wir verstehen auch heute noch die Gefühle von Schmerz und Verlust, von Trauer und Angst, die damit ausgedrückt werden.
Kein anderer Ansprechpartner als Gott
Und für die Beter und Beterinnen gibt es keinen anderen Ansprechpartner als Gott. Er allein ist der Grund ihres Lebens und auch ihr letzter Halt. Wenn der Psalm mit dem Satz beginnt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen“ (Ps 22,2), so endet er doch meist mit der Erkenntnis: „Er verbirgt sein Gesicht nicht vor ihm, er hat sein Schreien gehört“ (Ps 22,25). Den Betern wird in dieser Zwiesprache bewusst, dass Gott ihnen schon in der Vergangenheit geholfen hat, und sie glauben, dass er es wieder tut und sie auch in Zukunft auf ihn hoffen können.
Ein schweres Schicksal trifft Hiob, den gerechten gottesfürchtigen Mann. Er verliert alles. Sein Vermögen, seine Kinder und zuletzt auch seine Gesundheit. Auch er klagt und fragt nach dem Sinn dieser Verluste und seines Lebens. Seine Freunde versuchen Rechtfertigungen für Gottes Handeln zu finden, sie wollen ihm einreden, dass er selbst an seinem Unglück schuld ist und glauben, dass er Buße tun soll und Demut zeigen musss.
Doch Hiob kann sich sein Leiden nicht erklären. Die Freunde sind nicht hilfreich, deshalb wendet er sich direkt an Gott und erkennt, dass er kein Recht hat, Gott um eine Erklärung zu bitten. Er kann nur vertrauen und glauben, dass Gott den Sinn seines Leidens kennt und ihn wieder daraus befreit.
Von Gott verlassen
Auch im Prophetenbuch des Jesaia tritt ein, was der Prophet befürchtet hat. Weil das Volk Israel überheblich wird, und Gottes Gebote missachtet, wird die Stadt Jerusalem zerstört und die Bewohner nach Babylon verschleppt. In der Fremde erkennen sie ihre Schuld und sie klagen über ihr eigenes Versagen. Sie sind heimatlos und fühlen sich von Gott verlassen.
Es dauert siebzig Jahre, bis sich ihr Schicksal wendet. Und nun verkündet der Prophet in Gottes Auftrag: „Tröstet, tröstet mein Volk, redet Jerusalem zu Herzen und verkündet, dass ihr Frondienst zu Ende geht.“ (Jes 40,1) „Wie eine Mutter ihr Kind tröstet, so tröste ich Euch“ (Jes 66,13). Gott hat also ihre Schuld vergeben und wendet sich ihnen mit so viel Fürsorge zu, wie kleine Kinder sie von ihrer Mutter erfahren. Vergeben ist ihre Schuld und damit ist ein Neuanfang möglich.
In den neutestamentlichen Evangelien wird uns überliefert, wie auch Jesus in der Tradition der alttestamentlichen Schriften lebt und lehrt. Im Lukasevangelium liest Jesus in der Synagoge aus dem Propheten Jesaia vor: „Der Geist des Herrn ruht auf mir… er hat mich gesandt damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ (Lk 4,16ff) Und damit nimmt er die Trostworte des Propheten für sein Wirken in Anspruch.
Und wir lesen in den Texten der Evangelien, wie Jesus sich den Menschen zuwendet, ihre Not, ihre Trauer und ihre Schmerzen sieht, Mitleid mit ihnen hat und sie heilt. Doch die größte Zuwendung Gottes geschieht im Tod und in der Auferstehung von Jesus. Wer dies glauben kann, für den öffnet sich ein Tor über das irdische Leben hinaus. Was in der Welt an Trauer, Schmerz und Schuld nicht aufgelöst werden kann, was hier sinnlos erscheint und ohnmächtig macht, das ist aufgehoben und verwandelt sich in ein neues Leben bei Gott.
Wir modernen Menschen können oft mit den alten Texten nicht mehr viel anfangen und viele Menschen haben die Beziehung zu dem Glauben an Gott verloren. Trotzdem meine ich, dass die biblischen Texte eine tröstliche Inspiration sein können, weil sie existentielle Erfahrungen von Menschen wiedergeben, die in der Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrem Glauben Trost und Ermutigung erfahren haben.
Gertrud Brem
Bild: unsplash
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