Der Tag ist immer zu kurz
Rom ist immer etwas Besonderes. Da ist das antike Rom, das christliche, das barocke, das moderne. Die „Ewige Stadt“ bietet jedem Geschmack etwas.
In jedem Heiligen Jahr ist Rom etwas ganz Besonderes. Denn da reizt es nicht allein gläubige Pilgerinnen und Pilger, sondern auch suchende und fragende Menschen durch Türen zu gehen, die ansonsten verschlossen sind. Traditionell werden in den vier Papst-Basiliken alle 25 Jahre Türen geöffnet, die dann einladen zu einem besonderen Hindurchgehen. Auch wenn in unserer Zeit kaum noch jemand mit dem Begriff „Ablass“ etwas anfangen kann – wer weiß, was Sündenstrafen sind? – dieses Hindurchgehen lässt nicht kalt. Junge Leute würden von Gänsehautmoment sprechen. Denn da kommt für einen Augenblick die Frage auf nach der Tiefe des eigenen Glaubens und nach der Bereitschaft zu Frieden und Versöhnung. Denn Heiliges Jahr hat viel mit dem Ruf zur Versöhnung zu tun.
Heiliges Jahr hat auch etwas mit Organisation zu tun. Organisieren und Zelebrieren, das können die Römer. Angemeldete Gruppen beginnen auf der Via della Conciliazione ihren Gang über den Petersplatz zum Petersdom. Der Weg ist freigehalten von Touristen. Jede Gruppe bekommt in ihrer Sprache Gebetsblätter und ein Kreuz. Man ist manchmal verwundert, wer aus der Gruppe zum Kreuz greift. Der Weg geht ohne Störung in die Vorhalle des Doms, dann zur besagten Heiligen Pforte; hat man diese durchschritten, geht es weiter bis hin zum Petrusgrab, über dem der Papstaltar unter dem mächtigen Baldachin Berninis steht. Hier endet der Pilgerzug mit dem Apostolischen Glaubensbekenntnis. Das Kreuz wird abgegeben. Man möchte noch verweilen. Aber da kommt schon die nächste Gruppe.
Und dann ein Kaffee auf der Piazza
Draußen beginnt dann der in Rom übliche Spagat zwischen Pilger und Tourist. Aber erst einmal lockt die Pause. In der Nähe des Petersplatzes gibt es viele Bars und Restaurants. Hinsetzen, wenigstens einen Cappuccino trinken, sich austauschen und Leute-gucken tut gut. Aber was jetzt?
Durch Papst Leo XIV., der Mitglied des Augustinerordens war, wird die Kirche des Hl. Augustinus eine neue Aufmerksamkeit erfahren. Sie liegt ganz in der Nähe der berühmten Piazza Navona. Kunstkenner mögen Sant‘ Agostino, ist dort doch die „Pilgermadonna“ von Caravaggio zu sehen. Ein Skandal, als das Bild 1605 enthüllt wurde. Denn allein der hauchdünne Heiligenschein um den Kopf der jungen Frau mit dem Kind auf dem Arm lässt vermuten, dass es sich hier um Maria und Jesus handelt. Modell stand wohl eine junge Mutter aus irgendeiner Ecke Roms. Das vor ihr knieende Ehepaar stammt wohl aus der Campagna, denn so waren damals die Bauersleute dort gekleidet. Und sie hatten immer dreckige Füße. Dennoch passen sie gut in das Motto des Heiligen Jahres 2025 „Pilger der Hoffnung“.
Ganz in der Nähe steht die „Madonna von der Geburt“. Sie ist immer mit Votivgaben geschmückt, die darauf verweisen, dass hier viel um das Gelingen von Geburt geht und um Dank. Nicht zuletzt birgt Sant‘ Agostino die Grablege der Hl. Monika, der Mutter des großen Bischofs und Kirchenlehrers, um den sie sich in seiner Jugend so viele Sorgen gemacht hat. Vermutlich erzählen die Kerzen, die hier brennen, von Müttern unserer Tage, die Kummer haben mit ihren Kindern.
Unweit von Sant‘ Agostino gibt es noch einen sehenswerten Caravaggio. In einer Seitenkapelle der Kirche San Luigi dei Francesi betrachten viele die „Berufung des Matthäus“ (1600). Gerade im Heiligen Jahr dürfte hier aus dem Touristen ein Pilger werden. Denn wem stellt sich vor diesem Bild nicht die Frage nach der eigenen Berufung?
Jetzt aber genug von Kirche, Kunst und Kultur. Der Weg zum Pantheon ist nicht weit. Und rechts und links davon gibt es viele Bars bzw. Cafés, teure und weniger teure, besonders in der Gegend von San Eustachio, die zu einer längeren Pause einladen. Das gehört in Rom einfach dazu: auf einer Piazza oder Piazzetta sitzen, etwas trinken, ein Dolce oder ein Eis essen, plaudern und schauen. Neben der Architektur und der Kunst, sind es in Rom die Menschen aus aller Herren Länder, die man betrachtet. Was bewegt sie, in diese Stadt zu kommen? Sind sie Pilger oder Tourist oder Beides? Diese und jener sind sicher einheimische. Wie halten sie den täglichen Trubel aus?
Zum Abendessen nach Trastevere
Schluss mit der Pause. Der Weg geht noch zum Campo dei Fiori. Am Morgen wirklich noch Markt. Jetzt ein Platz mit vielen Restaurants, sehenswerten Gebäuden und Kirchen in der Nähe und in den Gassen interessanten Geschäften. Ihre Preise unterscheiden sich deutlich von denen der Geschäfte rund um die Spanische Treppe.
Wenn man zum Abendessen in Trastevere verabredet ist, also in jenem Stadtteil jenseits des Tibers, muss man sich jetzt losreißen von den vielen Verlockungen und den Weg durch die Via dei Pettinari über den Ponte Sisto nehmen. Ich wäre ein schlechter Pallottiner, würde ich nicht auf die Grabeskirche des Hl. Vinzenz Pallotti in dieser Gasse hinweisen. Nach San Salvatore in Onda verlieren sich kaum Touristen oder Pilger. Außer Gruppen aus der weltweiten pallottinischen Familie, die hier gern beten oder die Hl. Messe feiern.
Jenseits des Tibers geht es für mache nicht gleich zum Abendessen. Sie feiern zunächst das tägliche Nachtgebet von Sant‘ Egidio mit, jener Laiengemeinschaft, die sich von Rom aus schon so sehr um den Frieden in der Welt verdient gemacht hat. Daneben ist Trastevere am Abend ein einziges Restaurant für den großen und den kleinen Geldbeutel. Da schmeckt nach einem vollen Tag die Pizza und der Wein. Und man sagt sich, der Tag war wieder zu kurz, denn Rom bietet so viel, ist und hat eben immer etwas Besonderes.
P. Alexander Holzbach
Fast 30 Jahre war Pater Alexander Holzbach Chefredakteur der Pallottiner-Zeitschriften „das zeichen“ und „Pallottis Werk“. Heute ist er Rektor des Missionshaus der Pallottiner in Limburg.
Bild: Givaga/AdobeStock
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