Was verraten unsere Träume über uns?
„Ich habe den größten Quatsch geträumt“ sagt der eine. „Ich träume schon seit Wochen nichts mehr“ antwortet ein anderer. Geht es Ihnen auch manchmal so? Nun, dann liegen Sie in beiden Fällen falsch; denn erstens träumt jeder Mensch vier bis sechs mal pro Nacht und zweitens haben auch „unsinnige“ Träume eine durchaus sinnige Bedeutung.
Um dem Geheimnis der Träume auf die Spur zu kommen, schauen wir uns zuerst an, was eigentlich im Körper passiert, wenn wir träumen. Der Mensch träumt vier bis sechs mal pro Nacht, alle 90 Minuten für 10-30 Minuten Dauer. während des Träumens bewegen sich die Augen rasch hin und her (die sogenannte REM-Phase=Rapid Eye Movement). Zweck dieser Motorik: Die Muskulatur bleibt in Übung. Unklar ist, ob man träumt wegen der periodisch auftretenden Aktivierung der Neuronen oder ob der Traum die Neuronen aktiviert. Das Vegetativum ist hocherregt und würde im Wachzustand des Menschen Angst und Unruhe auslösen. Damit dies im Traum nicht passiert, ist die Skelettmuskulatur völlig lahm gelegt, alles andere hingegen läuft auf Hochtouren: Pulsfrequenz, Atmung, Magenbewegungen, sexuelle Erregung. Schlafwandeln, Bettnässen oder Sprechen geschehen in der Tiefschlafphase. Verhindert man die Traumphasen, etwa durch Wecken oder starke Tranquilizer, werden Tiefensehschärfe der Augen und Leistungsfähigkeit des Gehirns vermindert.
Warum wir träumen
Neben der ständigen Übung physiologischer und geistiger Funktionen, dient der Traum auch der Verarbeitung von zurückliegenden Konflikten, blockierten Gefühlen und labilen Stimmungen. Tatkräftige und nüchterne Personen, die im Allgemeinen tiefer schlafen, erinnern sich meist nicht an die Träume; denn nur, wenn man sofort nach einem Traum erwacht, behält man ihn auch. Deshalb können schlechte Schläfer mehr Traumerlebnisse berichten. Im ersten Drittel der Nacht beschäftigen sich die Träume mehr mit den Tageserlebnissen; gegen Morgen kommt mehr Material aus der
Vergangenheit hoch, vermischt mit uralten Kindheitsereignissen, die als „Gefühlsreste“ scheinbar unsinnige und unlogische Konfabulationen erzeugen. Ein verletztes Selbstwertgefühl hat zum Beispiel zur Folge, dass der Betreffende den verletzenden Vorgang träumt, gepaart mit Erinnerungsfetzen an frühere, ähnliche Konflikte, die inzwischen aber bewältigt wurden. Im Traum nun sucht er eine ähnliche Lösung wie damals; wenn das nicht gelingt, bleibt er im Alptraum stecken.
Introvertierte träumen eher aktive, aktionsgefüllte und kontaktreiche Inhalte; Extrovertierte suchen umgekehrt Einsamkeit, unbekannte Räume und Eroberungen im Alleingang. Gatten, die stets über ihren Partner klagen, weisen Träume auf, in denen von eben diesem Partner Gutes ausgesagt wird. Die unterentwickelten Funktionen werden gerne an Gestalten des Gegengeschlechts erlebt: Der Mann träumt von einer sehr gefühlvollen Frau. Dies kann bedeuten: Er sieht die andere Wirklichkeit seiner Frau, die er bisher nie beachtet hat. Oder er vernachlässigt seine eigene Gefühle (die Frau stellt die vernachlässigte Anima des Mannes dar). Oder er fühlt sich von seiner Frau zu wenig verstanden und geliebt.
Im Situationstraum wird lediglich die augenblickliche Lage dargestellt und in archetypischen Bildern eingekleidet: Ein Mann liest ein Fachbuch, während ein Hund ständig an ihm herumspringt und winselt. Bedeutung: Der Mann vergisst bei all seinen Studien seine menschlich-animalische Triebseite. Er ist zu rational, verkopft. Er sollte mehr spielen…. Eine Frau sucht im Laden endlos lang nach einem Kleidungsstück und geht weg, ohne etwas gekauft zu haben. Bedeutung: Unentschlossenheit, Hohe Ansprüche an die Umwelt ohne Gegenleistung.
Ein Lehrer steht splitternackt vor seiner Klasse, die aber überhaupt nicht reagiert. Dann plötzlich schaut er in einen Spiegel und sieht sein Gesicht nicht. Bedeutung: Er hat Angst davor, bloßgestellt zu werden und sein Gesicht zu verlieren. Beide haben die Deutung ihres Traumes bestätigt.
„Ich habe bis ich vierzig war noch von meiner Abi-Prüfung geträumt“
Im Albtraum werden ungelöste Probleme symbolhaft durchlitten: Versagensängste und Hilflosigkeit verraten sich oft in tiefen Sturzträumen; vom eigenen Ich getriebene Menschen, die vor einem Problem weglaufen, werden verfolgt; wenn ihnen das Wasser bis zum Hals steht, sind sie total überfordert oder überschuldet. Wer von einer Autofahrt auf einem sehr schrägen Berghang träumt oder von seiner eigenen Entführung, offenbart seine gefährliche Lebensweise; vielleicht ist der auf der schiefen Bahn gelandet und wird von seinen Trieben verführt. Typisch sind verpasste Züge, (den Anschluss im Leben verlieren); dringende, erfolglose Toilettensuche (man kann etwas nicht loslassen, überwinden) oder Angriffe von katzenartigen Tieren (Angst, von seinen aggressiven oder sexuellen Impulsen übermannt zu werden). Ich hatte bis zum vierzigsten Lebensjahr von meiner Abiturprüfung geträumt und war heilfroh, dass es nur ein Traum war. Denn die gesamte Schulzeit war für mich ein einziger Albtraum.
Tiere haben meist eine allegorische Bedeutung: Kuh als mütterliches Element, wildes Pferd als ungezügelte Leidenschaft, Katze als aggressiv-sex. Symbol, Nagetiere als Hinweis auf „nagende“ Probleme, Gans als Symbol der Wachsamkeit….. Eine Ordensfrau träumte immer wieder, dass eine Gans in ihrer Zelle steht und ausbüchsen will. Im Gespräch kommt heraus, dass sie Angst hat, ihre Berufung zu verlieren. Sie musste ihre Wachsamkeit wieder zurückgewinnen. Eine Schlange, die man einfach nur sieht, bedeutet, dass ein dunkles Geheimnis ungewollt aufgedeckt werden könnte. Ein langsam zukriechendes Exemplar signalisiert ein langsam kommendes Problem. Häutet sich die Schlange jedoch, darf man sich freuen: Es wird Zeit, einen Perspektivenwechsel vorzunehmen und sich in ein neues Abenteuer zu wagen!
Wir sollten unseren Träumen also ruhig mehr Beachtung schenken, sie können uns helfen Dinge zu zu sehen, die uns sonst verborgen sind.
P. Jörg Müller
hat über 60 Bücher geschrieben und ist auch als Kabarettist unterwegs. Neben Theologie hat er unter anderem klinische Psychologie studiert und als Therapeut in eigener Praxis gearbeitet. Den Pallottinern in Freising trat er nach einem Berufungserlebnis in Medjugorje bei.
Bild: nuvolanevicata/AdobeStock
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