Die Taube
Wenn sie die Tauf- und Kommunionkerze ziert, dann ist sie ein Zeichen für den Anfang und den Aufbruch, für Freude und Friede, für Sehnsucht und Weite: Die Taube ist das Zeichen von Gottes Geist, der weht, wo er will.
Venedig. Markusplatz. Tauben füttern. Sich mit den Tauben fotografieren lassen. Bei vielen wecken diese Stichworte wunderbare Urlaubs-Erinnerungen. Andere sagen: Igitt. Taubendreck verschmutzt nur historische Gebäude! Das wollen Taubenliebhaber nicht hören, schon gar nicht die 84.000 Menschen, die etwa in Deutschland Brieftauben züchten. Sie lieben ihre gefiederten Postbotinnen, von denen man nicht exakt weiß, wieso sie denn aus der Ferne immer wieder ihre Heimat finden.
Viele Menschen mögen Tauben, weil diese schönen Tiere eigentlich ein gutes Image haben. Unter den etwa 300 Arten besonders die Ringeltaube, die Turteltaube, die in Deutschland 2020 „Vogel des Jahres“ war, vor allen aber die weißen Tauben. Als „La Paloma“ schwingt mit ihnen eine Sehnsucht nach Ferne und Freiheit. Hans Albers hat dem aus Mexiko stammenden Lied Heimatrecht in Deutschland verschafft, wie später noch mal Freddy Quinn und Mireille Mathieu.
Hans Hartz sah das zu Beginn der 1980er-Jahre ganz anders, als er mit seiner knorzigen Stimme sang: „Die weißen Tauben sind müde“. Der sonst so positiv bewertete Vogel musste hier herhalten für Weltschmerz und Endzeitstimmung. Dabei steht die Taube für Aufbruch und Anfang.
Von Noah bis Picasso
Als Noah in seiner Arche bemerkte, dass das Wasser sank, ließ er eine Taube los und sie kam zurückgeflogen mit einem Ölzweig im Schnabel (Genesis 8,8). Das war ein gutes Zeichen für Leben und Neuanfang. Die Taube mit dem Ölzweig wird zum Bild der Hoffnung, gar der Auferstehung, wie ein Stein in der Domitilla-Katakombe in Rom zeigt. Und Pablo Picasso hat sie als Friedenstaube unsterblich gemacht; sein Bild ist weltweit beliebt.
Nochmal Stichwort Aufbruch und Anfang. Die Bibel berichtet, dass am Anfang der Schöpfung alles „wüst und wirr“ war. „…und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ (Genesis 1,2). Zur Zeit Jesu gab es Rabbiner-Schulen, die sich diesen Geist als Taube vorstellten. Vielleicht wussten Markus und Matthäus davon, als sie ihren Bericht von der Taufe Jesu im Jordan verfassten. Markus schreibt: „Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel sich öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam.“ (Mk 1,10).
Man beachte das Wörtchen „wie“! So schreibt es auch Matthäus. Auch Johannes berichtet von der Taufe Jesu und legt dem Täufer in den Mund, dass er den Geist wie eine Taube auf Jesus herabkommen sah. Wieder das „wie“. Der Evangelist Lukas verzichtet darauf; bei ihm kommt der Geist „sichtbar in Gestalt einer Taube“ (3,22) auf Jesus herab.
Kein Wunder, dass in der christlichen Vorstellungswelt und besonders in der christlichen Kunst die Taube als Symbol des Hl. Geistes Karriere gemacht hat. Das hat wohl nicht allein mit der Meinung der Rabbiner damals zu tun, sondern auch mit der Ansicht der antiken Naturwissenschaft, dass Tauben keine Gallenblase haben. Sie sind also frei von aller Bitterkeit und allem Bösen; sie sind sanftmütig und gut.
So sah auch Jesus diese Vögel, empfiehlt er doch den Seinen, sie sollen „arglos sein wie die Tauben“ (Mt 10,16). Und er weiß auch, dass sie die Tiere der kleinen Leute sind. Im Mittelmeerraum gab und gibt es viele Tauben; in Palästina sind Turteltauben zahlreich – und damit erschwinglich. Deshalb waren Tauben als einzige Vögel als Opfertiere im Tempel von Jerusalem zugelassen. Was anderes hätten sich viele Leute gar nicht leisten können. So auch Maria und Josef, als sie Jesus im Tempel darstellten und das vorgeschriebene Opfer darbrachten: „ein paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“ (Lk 2,24).
Das erinnert ein wenig an die Bergleute im Ruhrgebiet, deren Brieftauben man gerne die „Rennpferde des Bergmannes“ nannte. Ja, diese Tiere konnten die einfachen Leute sich leisten, sie züchten, sich an ihrem Hobby und an den Wettbewerben erfreuen.
Vom Wind und vom Feuer
Die Taube, besonders die weiße Taube, steht also für Freude, Lebenslust, Frieden, Arglosigkeit, Aufbruch, Sehnsucht und Weite. Sie wird also nicht ohne Grund im Christentum zum verbreitetsten Symbol für den Heiligen Geist. Die Kirchenväter haben ihren Anteil daran. Sie kennen auch Wind, Hauch, Luft (vom hebräischen Wort „ruach“) als Symbol des Geistes, das Salböl oder das Quellwasser, verweisen aber vor allem auf die Taube.
Nicht zu vergessen die Feuerzungen. Von ihnen erzählt die Apostelgeschichte, wenn sie vom Pfingstereignis berichtet. Der Geist Gottes erfasst die Jüngerinnen und Jünger Jesu im Obergemach; sie verlieren alle Angst und predigen dessen Auferstehung. Woher kam dieser Mut? Wer hatte sie beflügelt? Die Antwort war klar: der Geist Gottes, den Jesus verheißen hatte.
Aber „der Geist“ lässt sich so schwer fassen, so schwer erklären. Es braucht ein Bild, ein Symbol, ein „wie“. So schreibt Lukas in seiner Apostelgeschichte, dass vom Himmel her ein Brausen kam, „wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt.“ Und weiter: „Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt“ (Apg 2,2-4).
Während Lukas in seinem Evangelium bei der Taube kein „wie“ gebraucht, benutzt er es bei den Feuerzungen dann doch. Klar, er will seiner Gemeinde die Kraft des Geistes anschaulich vermitteln. Und da greift er auf die gewohnten Symbole – ungriffig und doch griffig – zurück, den Wind, das Feuer. Man fragt sich, warum er nicht auch hier das Bild der Taube nimmt.
P. Alexander Holzbach
Bild: Rudolf Baier
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