„Tu Deinem Leib etwas Gutes, damit Deine Seele Lust hat darin zu wohnen“
Der berühmte Ausspruch der heiligen Teresa von Avila inspiriert unsere Autorin über das Alt werden nachzudenken. Wie fühlt sich das an und welche Rolle spielt Gott dabei?
Es kommt nicht häufig vor, dass jemand ihre Lebensweise nachahmenswert findet, so ganz allein in einem alten Hof auf dem Land wohnend, in einem lieblichen Hügelland zwar, von Bächen durchzogen und mit viel Wald drumherum. Wenn sie dann versichert: „Ich bin gar nicht allein; i c h bin doch bei mir“, halten viele ab da die alte Frau für verrückt.
Sie ist aber nicht verrückt, nur im Einklang mit sich selbst, was keine Selbstverständlichkeit ist, sondern das Ergebnis eines langen Reifeprozesses aus beständigem Mühen und konsequentem Einsatz. Große Sprünge waren sowieso nie ihr Ding, auch was das Thema Sport angeht.
„Gott allein genügt“
Aber Naturlandschaft ist doch nicht alles, sagen besorgte Bekannte. Für Teresa ist das in der Tat sehr viel, weil sie die friedliche Stille hier über alles liebt. Hier kann sie zu sich kommen und bei sich bleiben. Wenn sie auch noch nicht so weit ist, wie ihr Vorbild, die große Teresa von Avila, deren Lebensanspruch lautete: Gott allein genügt. Eine moderne Teresa braucht auch Musik und Literatur und Internet sowie die Besuche von Kindern und Kindeskindern. So weit ist für alles gesorgt.
Die eigenen Schwachstellen nicht ausblendend, kommt sie sich selbst näher und weiß, wie sie für ihre eigene Balance sorgt. Ihre Ziele an veränderte Umstände anzupassen, macht sie zufrieden und ausgeglichen. Schließlich möchte sie die Kontrolle über sich behalten, auch wenn durch Krisen der Boden unter ihren Füßen vorübergehend schon zu schwinden droht.
Wer ist schon perfekt?
Einsame Zeiten kennt schließlich jeder. Einsamkeit und Langeweile gehören zusammen wie die beiden Seiten einer Medaille. Beides lässt sich jedoch kreativ ummünzen. Auch Scheitern ist keine Schande. Wer sich allerdings nach Misserfolgen selbst entwertet, wird sich nicht gerecht. Wer ist schon perfekt?
Nun, da die ihr verbleibende Lebenszeit überschaubar ist, soll diese nicht länger mehr geprägt sein von Selbstverleugnung, Überanpassung und generösem Verzicht. So genießt sie jeden Tag die herrliche Natur in großer Dankbarkeit. Auch wenn manche Tage nicht von Anfechtungen verschont bleiben, und sie sich gelegentlich wieder neu ausbalancieren muss, ist sie inzwischen weniger abhängig von der Bewertung durch andere, und als Frau froh darüber, ihr „eigener Herr“ zu sein.
Misserfolge sind das Salz in der Suppe
Nicht ohne ein Quäntchen Wehmut schaut sie manchmal auf junge Leute und ist dennoch froh für alles, was hinter ihr liegt. Wenn sie hin und wieder junge Frauen beneidet um all die Möglichkeiten, die ihrer Generation verwehrt geblieben sind, dann sieht sie, welcher Preis heute dafür zu entrichten ist und ist froh, dieses Hamsterrad verlassen zu haben. Kein Nachtrauern über das, worauf einst verzichtet werden musste. Vielmehr ist sie dankbar für alles, was ihr trotzdem gelungen ist; wie ja Dankbarkeit generell der Schlüssel für Zufriedenheit ist. Misslungenes am besten als das Salz in der Suppe ansehen, die für Teresa oft reichlich gesalzen war.
Kürzlich sagte eine Bekannte: „Mein Leben lang habe ich meine guten Kleider geschont, nur sonntags kurz angezogen und dann wieder in den Schrank gehängt, und mich selbst ganz aus den Augen verloren. Heute ziehe ich mich jeden Tag schön an, nur für mich, weil ich es mir wert bin.“ Fürwahr ein nachahmenswertes Modell. Wen geht es schon was an, wenn eine alte Frau elegant daherkommt? Hatte Teresa, die spanische Mystikerin aus dem 16. Jahrhundert, nicht geraten: „Tu deinem Leib etwas Gutes, damit deine Seele Lust hat, darin zu wohnen?“
Wie schnell alles vorbei sein kann, erlebt jeder alte Mensch ständig. Es ist das Schicksal aller Hochbetagten, dass sie vermehrt zu Empfängern von Trauernachrichten werden.
Heute erlaubt Teresa niemandem mehr Erwartungen an sie und das Recht, ihre Zeit einzuteilen; darüber verfügt sie nun zum Glück allein; das muss sie aber auch, weil keiner zugegen ist, der sie mit ihr teilt und gestaltet.
Wie das alte Haus ist sie selbst nach Meinung ihrer Familie auf dem besten Weg zum Denkmal zu werden. Darüber lacht sie. Sie hat ihren Frieden und zu sich selbst gefunden. Auch weil sie gewiss ist: Meine Zeit und alle Zeit steht in Gottes Händen.
Herma Brandenburger
hat viele Jahre als Redakteurin religiöses Programm für den Hörfunkgemacht. Heute schreibt die Großmutter von sieben Enkeln nur noch für „das zeichen“ und das seit über 30 Jahren.
Bild: jd-photodesign/AdobeStoc
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