Heimat – ein gefährlicher Begriff?
Was die Instrumentalisierung durch rechte Parteien mit ihr macht.
Der österreichische Liedermacher Gerd Steinbäcker, Mitglied der Band S.T.S., schreibt in seinem Lied „Steiermark“ über die Heimat:
„Es war sowas wie Heimat für mich lang kein Begriff. An dem Wort klebt viel Blut, viel dummer Stolz und der Nazimief. Nur I hab‘ da meine Wurzeln und meine ältesten Freund‘. Einen Platz, wo I mich z’rückzieh’n kann, wenn Wolken aufzieh’n, bis die Sonne wieder scheint. Und I bin da gebor’n. Es sind die Eltern da g’storb’n.“
Heimat ist in unserem deutschsprachigen Raum ein durch unsere Geschichte beschädigter Begriff. Heimat – wo wir sie auch finden, und uns wünschen – ist eigentlich eine wichtige, uns da-sein lassende Erfahrung, die uns das Gefühl von Zuhause-Sein, von Daheimsein vermittelt. Jede und jeder von uns braucht einen guten Platz zum Sein, damit wir einen Raum, einen Schutz, einen Halt haben. Damit wir dort das Leben mögen – und dort leben mögen.
Heimat ist ein Ort und ein Gefühl, das jeder Mensch braucht – an dem Ort, an dem er lebt. Heimat ist ein Ort für alle, an dem Ort, wo wir gerade gewollt und freiwillig oder ungewollt und unfreiwillig leben, weil wir vielleicht heimatvertrieben wurden oder als Geflüchtete leben.
Heimat wird jedoch in den letzten Jahren immer mehr zum ideologisch aufgeladenen politischen Kampfbegriff. Rechte Parteien versuchen, Heimat für sich zu instrumentalisieren. Sie versuchen, ihre Definition von Heimat gesellschaftsfähig zu machen. Heimat wird eingeengt auf die, die „immer schon hier“ wohnen. Auf Brauchtum, auf eigene Kultur, eigene Essgewohnheiten, eigene Sprache, Nationalität, Blutsabstammung, Christentum. Heimat wird zu einem Begriff vermeintlicher Klarheit, vermeintlicher Stabilität, des Patriotismus und der Abgrenzung.
Kein exklusiver Ort
Gerade weil der Begriff „Heimat“ so emotional aufgeladen ist, ist es verständlich, dass wir uns nach Sicherheit, Verlässlichkeit und Zugehörigkeit sehnen. Doch genau hier liegt eine Gefahr: Die schnellen und einfachen Botschaften rechter Bewegungen geben uns möglicherweise ein beruhigendes Gefühl – aber sie trügen. Wir sollten nicht unbedacht und emotional zustimmen, nur weil etwas scheinbar Halt gibt. Vielmehr ist es notwendig, innezuhalten. Unsere Gefühle zu prüfen. Was bewegt uns wirklich? Woher kommen unsere Ängste und Sehnsüchte? Nur durch diese bewusste Selbstreflexion können wir verhindern, dass wir einem Heimatbild folgen, das andere ausschließt und Ideologie über Menschlichkeit stellt.
Heimat wird zunehmend als ambivalent erlebt. Gerd Steinbäcker beschreibt diese Ambivalenz gut in seinem Lied:
„An dem Wort klebt viel Blut, viel dummer Stolz und der Nazimief. Nur I hab’ da meine Wurzeln und meine ältesten Freund’. Einen Platz, wo I mich z’rückzieh’n kann, wenn Wolken aufzieh’n, bis die Sonne wieder scheint.“
Heimat braucht als Begriff und als Wirklichkeit eine Art von Inklusion, eine Weitung und eine Offenheit, damit er wieder ein positiver Begriff, ein positiver Ort und ein positives Gefühl für alle Menschen im Zusammenleben und in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben werden kann. Heimat darf eben nicht zu einem exklusiven Ort und zu einem exklusiven Gefühl nur für die „Deutschen“, „Österreicher“ und so weiter werden.
Unsere Zeit, unsere Welt, unsere Gesellschaften brauchen andere Antworten. Antworten, die Menschen nicht ausschließen, die Menschen nicht gegeneinanderstellen, die Menschen nicht explizit zu Einheimischen und zu Fremden machen. Wir brauchen die Antwort der Offenheit, der Interkulturalität, der Bereitschaft zur Veränderung, zur Transformation.
Heimat ist auch nicht nur ein Wohlfühlort. Heimat bedeutet auch Auseinandersetzung, Meinungsverschiedenheiten und Streit. Ich werde in meiner Meinung angefragt, und mir wird Neues, Ungewohntes begegnen. Heimat war und ist nicht friedlicher oder liebenswerter, wenn nur die unter sich sind, die eh schon immer da sind. Dieser Illusion, diesem Wunschbild von Heimat, wie sie uns rechte Parteien vermitteln möchten, dürfen wir nicht erliegen.
Lederhosen und Falafel
Heimat ist kein statischer Begriff und keine rückwärtsgewandte Wirklichkeitsbeschreibung. Heimat ist – wie alles auf dieser Welt – immer auf Transformation, also auf Wandlung und Entwicklung ausgelegt. Heimat ist ein Begriff und eine Weise des Daseins, die vieles in sich vereinen darf: Lederhosen und Falafel, Blasmusik und Laute, Jesus und Mohammed, Deutsch und Farsi, Schweinsbraten und Vegetarisch. Nichts davon ist besser oder schlechter. Alles hat seine Berechtigung an dem Ort, an dem es sich zeigt – weil an diesem Ort Menschen leben, für die das zu ihrer Identität gehört.
Unsere Welt, unsere Wirklichkeit ist komplex und vielschichtig. Sie ist divers und in Bewegung. Wenn wir uns diesen Bewegungen stellen, dann können wir Heimat finden – wo und mit wem wir leben. Dann kann Heimat für uns wieder zu einem positiven Begriff werden: einer, der einschließt, nicht ausschließt. In dessen Wirklichkeit wir uns dem Hier und Jetzt mit all seinen Fragen und Herausforderungen offen und zuversichtlich stellen können.
P. Sascha Heinze
trat nach einer Ausbildung zum Altenpfleger den Pallottinern bei. Heute lebt er als Rektor der örtlichen Kommunität Österreich in Salzburg und ist als Mitarbeiter im Leitungsteam des PthI in Friedberg tätig.
Bild: SoftChaos/AdobeStock
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