
Liturgie neu erlebt
Besondere Gottesdienste in der Friedberger Pallotti-Kirche erweiterten den Horizont
Eine liturgische Woche vom 10. bis zum 13. November 2025 in der Friedberger Pallotti-Kirche bot die Chance, besondere Gottesdienstformen zu erleben. Da wurde herumgegangen, um den Kirchenraum bewusst zu erleben und nach einem gesungenen Abendlob still in die Nacht hinausgegangen. Bei einem Popsonggottesdienst war der Griff zum Handy erwünscht, ehe ein poetischer Abschluss folgte.
Verschiedene Gottesdienstformen neu feiern
Gelegenheit dazu bot ein Seminar zum Thema „Liturgie und Sprache“ für Seelsorgerinnen und Seelsorger. Ein Angebot der kirchlichen Fort- und Weiterbildung Freising unter Leitung von Fachreferentin Andrea Schmid. Pater Christoph Lentz freute sich als Leiter des Pastoraltheologischen Instituts (PthI) der Pallottiner in Friedberg, Gastgeber zu sein. Andrea Schmid ist auch Referentin im PthI, das deutschen Ordensnachwuchs bei der Einführung in die Seelsorgepraxis begleitet. Sie hatte die Idee: „Lass uns doch etwas gemeinsam machen.“ So kam in Friedberg eine bunt gemischte Truppe von 25 Leuten zusammen – etwa jeweils die Hälfte junge Ordensleute und Leute aus ganz unterschiedlichen kirchlichen Bereichen. Im Rahmen des Seminars wurden an vier Abenden Gottesdienste anders als sonst üblich gefeiert. Dazu lud Pater Lentz als Rektor des Friedberger Pallotti-Hauses auch alle Interessierten ein. Ein Angebot, das gut angenommen wurde.
Liturgie und Raum – Eine Kirche als Einladung
Zum Auftakt ermunterte Pater Lentz dazu, die Pallotti-Kirche neu kennenzulernen. Nach seinen meditativen Impulsen erkundeten die Besucher den Raum, indem sie umhergingen, verweilten und schauten. Beispielsweise in die blaue Glasscheibe am Eingang, wo sie sich flüchtig widerspiegelten. Manchen ist das zuvor gar nicht aufgefallen. Gedacht ist das als Gruß, dass hier alle willkommen sind. Insgesamt ist die vor 13 Jahren neu gestaltete Kirche laut Pater Lentz als Einladung gedacht, Glaubensgemeinschaft zu erleben. Anhand vieler Details vermittelte er, warum das Motto der Pallotti-Kirche lautet: „Aus der Sammlung in die Sendung“. Gerade für Neulinge an diesem Ort wirkt die Richtungslosigkeit mit der leeren Mitte ungewohnt. Es ist auch ein Hinweis auf die Bibelstelle: „Das Reich Gottes ist in eurer Mitte.“ Aufgrund der mittigen Weite fällt umso mehr der einfache graue Boden ins Auge. „Franziskanische Einfachheit oder pallottinische Sparsamkeit?“, fragte Pater Lentz. Aber sogar der Industrieboden soll eine Botschaft vermitteln. Er steht für das Grau der Woche, das man auch mit in den Sonntagsgottesdienst bringt. Dort steht man dann zwar noch mit beiden Beinen auf dem grauen Boden der Tatsachen, aber sonntags ist kein Alltag mehr.
In der Pallotti-Kirche leuchtet das Rot des großen Hinterglasbildes, das auf Pfingsten hinweist, und daneben glänzt golden der Tabernakel. Alle waren eingeladen, davor Weihrauch aufsteigen zu lassen, und neben der Madonna Kerzen anzuzünden. Zum Abschluss wies Pater Lentz auf das Pallotti-Gemälde hin. Oskar Kokoschka hat den Heiligen bunt gemalt und die segnende Hand hervorgehoben. „Wer die Kirche verlässt, darf sich des Segens des Heiligen auf seinen Weg in den Alltag sicher sein“, sagte Pater Lentz.

Evensong – „Between Darkness and Light“
Ein von den Jakobsingers der Friedberger Pfarrei St. Jakob gesungenes Abendgebet – genannt Evensong (abgeleitet vom Englischen „Evening Prayer“) setzte den Schlusspunkt am nächsten Abend. Das Motto lautete „Between Darkness and Light“. Zu hören waren Neue geistliche Lieder, die aber unter anderem mit Psalmen Bezug nehmen auf alte Gebete der Ordenskirche. Mitsingen war erwünscht von der schwungvollen Leiterin Andrea Schmid. Die Abendandacht bot Gelegenheit, sich von dem Tag zu verabschieden, seinen Frieden zu machen, mit dem was war, und frei zu machen, für das was der nächste Tag bringen mag. Quasi die Seele auspendeln lassen, wie es hieß. Bei Zwischentexten der Chormitglieder wurde deutlich, dass auch alte Psalmen sich auf die Gegenwart beziehen lassen. Von Adlers Schwingen (Psalm 55) möchte man sich gerne tragen lassen angesichts der Sorgen um die Welt, das Klima, den Krieg in der Ukraine … . Die gesungene Andacht beinhaltete schwungvolle, leisere, auch stille Momente und einen Weihrauchritus. Das Schlussgebet endete so: „Gott, Du klingst als Lied in unseren Herzen. Begleite uns in dieser Nacht und diesen Tagen.“ Nach dem abschließenden Lied bat Chorleiterin Andrea Schmid um Stille. Das passte nach diesem stimmungsvollen Evensong.

Popmusik mit Schummerlicht und Handy – Beten ohne Worte
Völlig verändert wirkte beim Popsonggottesdienst die dann nur mit Rotlichtstrahlern beleuchtete Kirche. Und noch ungewöhnlicher: Diesmal war es nicht wie sonst peinlich, sondern ausdrücklich erwünscht zum Handy zu greifen. Damit bezogen Clara Vogel und Thomas Klima von der Jugendkirche Kana aus Wiesbaden die Besucher mit ein. Sie boten eine Liturgie im Popsongformat mit Gesang und E-Piano zum Thema Heimat finden. Die Sportfreunde Stiller und Johannes Oerding würden wohl staunen, dass sich ihre Heimat-Songs bestens als Kirchenlieder eignen. Auch hörenswerte Eigenkompositionen von Jugendkirchenleiter Klima waren dabei. Er sagte: „Am Klavier bete ich ohne Worte.“ Im lockeren Plauderton erzählten die beiden, wie sich aus ihrer persönlichen Sicht Heimat im Glauben finden lässt. „Glaube braucht Leichtigkeit“, meinte Jugendseelsorgerin Clara Vogel. Gefragt waren am Handy aber auch die Besucher. Sie konnten eingeben, was ihnen Heimat bedeutet. Die ganz unterschiedlichen Antworten wurden an die Wand projiziert. Dort war dann auch das Ergebnis einer Handy-Abstimmung in der Pallotti-Kirche zu sehen: Demnach hilft Gemeinschaft den meisten am ehestens dabei, Glauben zu finden.
Liturgie und Poesie – Ein Elfchen zum Evangelium
Abschließend fand Poesie Einzug in die Liturgie bei einer Eucharistiefeier – gestaltet von Andrea Schmid und Pater Sascha Heinze. „Auf dem Weg zu mir bleibe ich nicht selten ratlos stehen und ich verfehle mich“, hieß es zu Beginn von der Empore herab, um später hoffnungsvoller zu werden mit Sätzen wie „Wenn wir uns verfehlen, bahnst Du Dir einen Weg zu uns.“ Und wieder wurden die Gottesdienstbesucher mit einbezogen. Zum Evangelium über „… das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ wurden sie ermuntert, ein Elfchen, ein Gedicht aus elf Wörtern, zu schreiben. Nach der Kommunion waren die letzten Sätze aus einem Gedicht von Silja Walter die passenden Schlussworte: „Das Geschenk ist da. Auf das Mitheimnehmen kommt es jetzt an.“
Zeigen, was in der Kirche möglich ist
So sah das auch Gastgeber Pater Lentz. Er sprach nach den vier ungewöhnlichen Gottesdiensten von einer Horizonterweiterung: „Es war sehr bereichernd und hat gezeigt, was alles möglich ist: Sowohl im Kirchenraum der Pallotti-Kirche als auch insgesamt in der Institution Kirche.“

Bericht und Bilder: Andreas Schmidt
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