„Anstoßen, fördern und wieder loslassen“

Seit 50 Jahren leiten Pallottiner die Pfarrei St. Jakob

Es ist ein Jubiläum: In fünf Jahrzehnten haben fünf Pallottiner als Pfarrer in St. Jakob gewirkt. Und sie haben Spuren hinterlassen. Spuren, die die Menschen damals und heute als „typisch pallottinisch“ identifizieren. Auf diesem Erbe kann die Pfarrgemeinde aufbauen, auch wenn die Zeiten inzwischen stürmischer geworden sind.

Die Linie der Pallottiner-Pfarrei ist schnell skizziert: Vom „Baulöwen“ Pater Heinz Wipfler, der das Pfarrzentrum baute und so den Grundstock für moderne Seelsorge legte, ging die Entwicklung weiter mit dem progressiven Pater Rolf Fuchs, der die Aufbruchsstimmung in der Pfarrei zu nutzen wusste und den Pfarrgemeinderat stärkte, setzte sich fort mit Pater Michael Pfenning, der heilende und annehmende Seelsorge in den Mittelpunkt rückte, und mündete vorerst in die sich öffnende Phase der Pfarrei mit Pater Markus Hau, der das Leuchtturm-Projekt „Divano“ begann, mit dem die Gemeinde sich ganz nach außen hin öffnete und das von seinem Nachfolger Pater Steffen Brühl eingeweiht wurde.

Der jetzige Pfarrer steht vor der Herausforderung, den Geist Pallottis in schwierigen Zeiten weiterzutragen, die geprägt ist von einem tiefgreifenden kirchlichen, aber auch gesellschaftlichen Wandel, der dazu zwingt als Kirche neue Wege zu gehen. Dass der Heilige Vinzenz Pallotti als Plastik aus Lehm und Stroh in der Kirchenbank sitzt, mag ein Zeichen dafür sein, dass die Gemeinde ein pallottinisches Selbstverständnis hat, und Pater Brühl ist sicher, dass dieser Geist, der vor 50 Jahren in kleinen Schritten mit dem promovierten Theologen Pater Heinz Wipfler (1974-1990) begann, weitergetragen werden kann.

Als die Zeit reif war für die Pallottiner

Es war die Zeit nach dem Konzil – zehn Jahre waren vergangen – als die Zeit 1974 reif war, dass die Pallottiner die Pfarrei an ihrem Provinz-Sitz in Friedberg übernahmen. Der Pragmatiker Wipfler erkannte sofort, dass dort Bautätigkeiten nötig waren: Die Kirchen mussten saniert werden, ein neues Pfarrhaus sollte entstehen und ein Pfarrzentrum sollte gebaut werden. Wipfler verwirklichte alles und er band die Laien ein: Das Pfarrfest wurde eingeführt, Besuchsdienste eingerichtet und Kommunionhelfer geschult.

Als 1990 Pater Rolf Fuchs (1990-1996) kam, erlebte er „eine Pfarrei, die in den Startlöchern stand und darauf wartete, dass sie mitwirken durfte“, erinnert sich der heute 75-Jährige. Er machte den Pfarrgemeinderat zum Entscheidungsgremium, stieß Prozesse in Diakonie und Liturgie an, entwickelte mit dem damaligen Landtagsabgeordneten Georg Fendt für die Sozialstation eine zeitgemäße Form. „Mein Part war es dabei, Pfarrer und Seelsorger zu sein“, sagt er. Die Gemeinde sollte übernehmen, was die Gemeinde selbst leisten könne. Diese Gemeindeorientierung ist es, die Pater Fuchs als pallottinisch bezeichnet. Allerdings, so fügt er hinzu, sei dies seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eigentlich nicht mehr etwas Außergewöhnliches gewesen.

Dennoch hat Pater Michael Pfenning (1996-2008) als sein Nachfolger auf dieser Gemeindeorientierung aufbauen können. Mit Neugier auf neue Entwicklungen ging der heute 64-Jährige auf seine Aufgabe zu, legte den Schwerpunkt auf Heilung und Versöhnung, gestaltete die Erstkommunion neu, organisierte Ausstellungen und ließ die Passionsgeschichte in tänzerischer Form aufführen. Anstoßen, fördern und wieder loslassen, um Weiterentwicklung zu ermöglichen: Das war Pfennings Credo, der St. Jakob auch später als Vizeprovinzial immer als eine wichtige Pfarrei für die Pallottiner ansah, in der „pastoral vieles verwirklicht wurde“.

Die Berufung aller Christen ermöglichen

So entstand in der Zeit von Pater Markus Hau (2008-2017) die Idee, ein Café für alle Friedberger zu eröffnen, die sich nach Begegnung sehnen und das für alle Bevölkerungsschichten der Stadt offen ist: das Divano – Kaffee, Kunst & Spirit. „Weite war damals ein großes Thema“, erinnert sich der heute 50-jährige Pater Hau, der inzwischen Provinzial ist. Schon damals begannen sich kirchliche Strukturen aufzulösen und es stellte sich die Frage, wie vertiefte Gemeinschaft möglich sei und wie die Berufung alles Christen noch mehr möglich werde, erzählt Pater Hau.

Wie geht es mit der Kirche weiter? Diese Frage stellte sich in noch größerem Maße Pater Haus Nachfolger Pater Steffen Brühl (2017 bis heute). Er sieht sich vor allem mit einem zunehmenden Mangel an Ehrenamtlichen konfrontiert. Gerade Frauen könnten es sich neben Beruf und Familie nicht mehr erlauben, sich zu engagieren, sagt er. Noch mehr als seine Vorgänger setzt er aber trotzdem auf die Laien. Er findet, dass die Gemeinde immer weniger auf den Pfarrer fixiert sei. Wenn eine Messe ausfalle, halten die Leute einen Wortgottesdienst, erzählt er.

Von draußen sehen, was drinnen los ist

Das Divano, das in seiner Amtszeit eröffnet wurde und in seiner Kaplanszeit bei Pater Hau geplant wurde, ist für ihn ein Zeichen für die Aufgabe der Kirche: In einer Zeit, in der die Milieus auseinanderdriften, müsse eine Pfarrei gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, ist Pater Brühl überzeugt. Kirche müsse transparent werden und zu den Leuten gehen, fordert der 48-Jährige. Dies spiegle sich auch in der Gebäudearchitektur wider. Denn das Pfarrzentrum war ursprünglich ein abgeschlossener Bau mit Fenstern auf der Rückseite. „Die Leute sollten aber von draußen sehen., dass drinnen was los ist“, erzählt Pater Brühl. Daher wurde die Wand aufgerissen und große Fenster eingebaut.

Die Herausforderungen der Zeit sieht Pater Steffen Brühl so: „Auseinanderdriften der Gesellschaft, Vereinsamung, Verarmung und die Gefahr der Radikalisierung. „Als Pfarrei müssen wir hier als Kitt wirken“, findet der Pfarrer. Als Vision für die Pfarrei der Zukunft hat er, dass der pallottinische Geist weiterwirke, dass die Gemeinde „getragen wird von den Menschen, die hier leben und glauben“.

Pallotti-Festmesse

Das Jubiläum „St. Jakob – 50 Jahre pallottinische Pfarrei“ feiert die Pfarrei am Gedenktag des Heiligen Vinzenz Pallotti, am 21. Januar um 18:00 Uhr, mit einer Festmesse. Hauptzelebrant und Prediger ist Provinzial P. Markus Hau. Musikalisch wird der Festgottesdienst vom Kirchenchor und dem Collegium Musicum unter der Leitung von Monika Trinkl-Peters mit Teilen aus der Missa Sonora von Rainer Waldmann und verschiedenen Liedern gestaltet.

Pater Rolf Fuchs wollte in St. Jakob vor allem Seelsorger sein
Pater Michael Pfenning setzte in der Pfarrgemeinde St. Jakob auf neue Wege
Pater Markus Hau wollte die Gemeinde von St. Jakob zur Stadt hin öffnen
Pater Steffen Brühl SAC bei seinem Amtsantritt in St. Jakob, Friedberg

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