Mit tibetischen Mönchen unter einem Dach
Entgrenzende Spiritualität
Es war eine Chance für alle Beteiligen. Vier gelehrte tibetische Mönche baten die Pallottiner in Friedberg um eine Herberge. Die Mönche befinden sich seit Mitte September auf einer Tour durch Deutschland. Sie legen in acht Städten – von Münster bis Nürtingen – in jeweils einer Woche ein kunstvolles Mandala aus buntem Sand. Die Tour soll dem Frieden in der Welt dienen und Begegnung ermöglichen. Außerdem sollen Spenden für zwei soziale Projekte in Indien gesammelt werden.
Vom 01. bis 11. November 2019 lebten vier Mönche vom Kloster Drepung Lukhil Khangsten in Mundgod (Südindien) mit den pallottinischen Mitbrüdern im Pallottihaus zusammen. Tagsüber gingen die Mönche in die sogenannte Archivgalerie, die sich neben der St. Jakobskirche in der Stadtmitte der bayerischen Stadt Friedberg befindet, um aus Millionen feinster Sandkörner ein Sandmandala zu streuen. Zu den Mahlzeiten trafen sich Pallottiner und Gäste im Refektorium der Kommunität.
Für die Friedberger und aus dem Umland angereiste Interessierte gab es täglich vormittags und nachmittags für drei Stunden die Möglichkeit, das Werden des Sandmandalas zu verfolgen. Außerdem luden die Mönche die Öffentlichkeit zu einem „Interkulturellen Austausch“ und zu einer „Abschlusszeremonie“ ein. Das mühevoll erstellte Mandala wurde am Ende zusammengewischt und in die Friedberger Ach gestreut.
Einen besonderen Abend erlebten die Gemeindemitglieder und ihre Gäste am Freitag in der Stadtpfarrkirche St. Jakob. Bei der gemeinsamen buddhistisch-christlichen Begegnung mit Friedenstexten, konnte man sowohl rituelle tibetische Musik wie auch abendländische Orgelwerke hören. Die vorgetragenen Texte verströmten abwechselnd christliche und tibetisch-buddhistische Spiritualität. Im Mittelpunkt stand die Botschaft, dass alle Menschen als eine Menschheitsfamilie miteinander verbunden sind und dass Frieden möglich ist, wenn wir füreinander echtes Mitgefühl empfinden.
Die Kunst der Sandmandalas entstammt der Lehre der Gelugpa-Tradition im tibetischen Buddhismus. Mandalas symbolisieren die Vergänglichkeit allen Lebens und die Loslösung von der materiellen Welt. Deshalb wird das Sandmandala nach der Fertigstellung wieder zerstört und – mit dem im Mandala enthaltenen Segen – in ein fließendes Gewässer gestreut. Bei ihrer diesjährigen „Sacred Dharma Tour“ legten die vier Mönche ein ganz besonderes Mandala: die „Grüne Tara“ symbolisiert die weibliche Weisheit und die weibliche Energie der Intuition. Tara ist im tibetischen Buddhismus eine Mutterfigur, eine Göttin des Mitgefühls und der Heilung. Daneben ist „Tara“ auch der indo-europäische Name für „Mutter Erde“. Der Begriff ist mit dem lateinischen „Terra Mater“ verwandt.
Die Mönche Geshe Lobzang Gilek, Geshe Lobzang Rinchen, Geshe Lobzang Tsondus, Geshe Eyshe Wangail stammen alle aus Ladakh, es liegt hinter dem Himalaya-Hauptkamm auf mindestens 3.400 m Höhe, umgeben von Bergen bis über 7.000 m. Einige von Ihnen leben allerdings zur Zeit im Kloster Drepung Lukhil in Mundgod in Südindien. Dort leben heutzutage viele der aus Tibet geflohenen Menschen, da die indische Regierung den Tibetern dort Land zur Verfügung gestellt hat. Mit den Jahren entstanden Siedlungen und auch Klöster, von denen einige sehr groß sind und als religiöse Universitäten dienen. Alle vier Mönche haben den Geshe-Grad erworben. Das ist vergleichbar mit einem Doktor-Grad einer deutschen Universität im Fach „Theologie“; wobei dieses Wort etwas ungenau ist, da die Buddhisten keinen Schöpfergott wie im Christentum kennen; dennoch gibt es vieles Ähnliche, etwa das absolute Fundament des „Mitgefühls“, das identisch mit der christlichen „Nächstenliebe“ verstanden werden kann.
So gehen die Spenden, die die Mönche sammeln, vollständig in zwei soziale Projekte.
„Lassen Sie mich erklären, was wir unter Mitgefühl verstehen. Normalerweise bezieht sich unsere Vorstellung von Mitgefühl oder Liebe auf das Gefühl der Nähe zu unseren Freunden und Menschen, die wir lieben. Manchmal trägt Mitgefühl auch ein Gefühl des Mitleids. Das ist falsch – jede Art von Liebe oder Mitleid, bei der man auf andere herabschaut, ist kein echtes Mitgefühl. Um aufrichtig zu sein, muss Mitgefühl auf Respekt vor dem anderen basieren und auf der Erkenntnis, dass andere das Recht haben, glücklich zu sein und Leiden genauso zu überwinden wie wir selbst. Wenn man erkennen kann, dass Andere leiden, entwickelt man auf dieser Grundlage ein aufrichtiges Gefühl der Anteilnahme.
Echtes Mitgefühl basiert auf der Erkenntnis, dass andere das Recht auf Glück haben, genau wie man selbst, und deshalb ist sogar ein Feind ein Mensch mit dem gleichen Wunsch nach Glück wie man selbst und dem gleichen Recht auf Glück.“Zitat des Dalai Lama, vorgetragen in St. Jakob
„Pallottinische Spiritualität ist entgrenzend. Christsein bedeutet, in der Offenheit für andere keine Unterschiede zu machen, allen alles zu werden. Pallotti fordert auf, der Unendlichkeit der Liebe Gottes in grenzenloser Weise zu antworten. Pallottis Option für alle fordert uns auf, sowohl vor Ort als auch global mehr das Verbindende unterschiedlicher Weltanschauungen und Kulturen zu suchen, als das Trennende.
Pallottiner stellen sich als Werkzeug und Instrument in den Dienst der Einheit der Menschheitsfamilie – nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eine zentrale Aufgabe der Kirche. Netzwerke bilden und zusammenarbeiten ist pallottinischer Kernauftrag. Die Zusammenarbeit beschränkt sich nicht auf die Mitglieder und Freunde oder auf Katholiken, sondern geht weit darüber hinaus und lädt alle Menschen guten Willens ein. Diese Haltung führt zum Dialog.“Zitat zur Pallottinischen Spiritualität, Webseite der Pallottiner
Quellen: Peter Brülls, Flyer Sacred Dharma Tour, Wikipedia
Bilder: Peter Brülls, Ann-Ruth Kolbe, Josef Eberhard, Mazur Travel Adobe Stock
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