Gute Gründe, um zurückzukommen

Wiederaufnahme in die Kirche ist an der Wallfahrtskirche Herrgottsruh in Friedberg möglich

Die Statistik sagt: Die großen christlichen Kirchen verlieren in Deutschland jedes Jahr viele ihrer Mitglieder. Sicher auch durch Schuld und unglaubwürdiges Handeln der Kirchen als Institution in der Missbrauchsfrage. Dennoch kommen tatsächlich auch regelmäßig Menschen zurück und suchen das Gespräch mit Vertretern der Kirche zur Wiederaufnahme.
Als neuer Wallfahrtsdirektor in Friedberg und langjähriger Pfarrer in Hamburg (2007–2020) hat Pater Hans-Joachim Winkens SAC mittlerweile viel Erfahrung mit der Wiederaufnahme von Katholikinnen und Katholiken in die Kirche. An der Wallfahrtskirche Herrgottsruh ist eine der zahlreichen Wiedereintrittsstellen im Bistum Augsburg. Pater Winkens heißt dort eine steigende Zahl von Menschen willkommen. Für manche ist es schlicht ein Wiedereintritt, für andere eine Heimkehr, für einige eine Versöhnung.

 

Einem Wiedereintritt geht ein Austritt voraus – weshalb sind Menschen aus der Kirche ausgetreten?
Die Gründe sind vielfältig, oft sehr persönlich, manchmal banal. Menschen treten aus ihrer Kirche aus, weil sie noch nie einen Zugang zu Gott oder ihrer Kirche gefunden haben. Vielleicht auch, weil ihnen ihr Glaube irgendwie abhandengekommen ist, ihr „Kinderglaube“ nicht mehr trägt und sie keinen „Erwachsenenglauben“ für sich finden konnten. Viele Menschen sind enttäuscht von den Schwächen des „Bodenpersonals“ oder von einem von ihnen nicht geteilten Gottes-, Kirchen- oder Menschenbild. Hinzu kommt dann noch – und das ist in Deutschland einzigartig –, dass die Möglichkeit besteht, die Kirchensteuer zu sparen. Wir nehmen die Probleme, die Menschen aktuell mit der Kirche oder ihrem Glauben haben, sehr ernst. Wir können die Kirchenkrise nicht ignorieren, aber wir Seelsorgerinnen und Seelsorger können von Gott reden und wir können Beziehungen herstellen und Wege aufzeigen.

Weshalb treten Menschen bei Ihnen wieder in die Kirche ein?
Oft wird den Menschen bewusst, was auf einmal schwierig wird, was ihnen fehlt. Oder sie fühlen sich sogar ausgeschlossen. Oft sind die Sakramente der Kirche, gleichsam ihre Heilszeichen, wichtige Gründe oder Anlässe, um über eine Wiederaufnahme nachzudenken. Manchmal darf man etwas nur, wenn man Mitglied einer christlichen Kirche ist, wie zum Beispiel bei der Kirche arbeiten.
Aber es gibt auch Glaubensgründe, man sucht die Gottesbegegnung, die Teilnahme am kirchlichen Leben oder es sind Anfragen zum Sinn des Lebens. Vielleicht will man auch etwas in Ordnung bringen, denn alle Altersstufen sind vertreten.

Also auch lebenspraktische Gründe?
Im Leben mancher Leute gibt es ganz konkrete Anlässe, die für einen Wiedereintritt sprechen. Sie wollen Taufpatin sein, die eigenen Kinder taufen lassen, katholisch heiraten, die eigenen Kinder in eine katholische Schule schicken, in einen kirchlichen Dienst eintreten oder eine verantwortliche Position in der Kirche annehmen.

Was haben die Leute vermisst?
Manche vermissen das kirchliche Leben und das Miteinander in den Pfarrgemeinden und in gemeindeübergreifenden Institutionen. Viele Menschen, also auch Menschen, die ausgetreten sind, sind auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens. Es regt sich die Stimme des Glaubens oder die frühere katholische Sozialisation macht sich bemerkbar. Nicht wenige, die wieder eintreten wollen, haben katholische Kindergärten und Schulen besucht, waren Messdiener, sind gefirmt und haben katholisch geheiratet. Manchmal gibt eine neue Freundin oder ein Partner, dem der Glaube wichtig ist, einen Anstoß, um über eine Wiederaufnahme nachzudenken.

Wie läuft so eine Aufnahme dann ab?
Menschen kommen, suchen den Kontakt, freuen sich über ein offenes Gespräch und eine freundliche Begegnung. Im Gespräch stellt sich öfter heraus, dass ganz viel von der Person die ganze Zeit über trotz des Austritts immer noch in der Kirche verblieben war. Hier kann man gut anknüpfen und den Wiedereintritt wie eine Versöhnung als heilsam erfahren.
Ich erbitte dann – stellvertretend – in einem Brief an unseren Bischof die Wiederaufnahme. An Dokumenten benötige ich einen aktuellen Taufschein und die Bescheinigung über den Kirchenaustritt. Sobald der Bischof oder ein Stellvertreter zugestimmt hat, muss vor Zeugen der Wunsch bestätigt werden, der Kirche wieder anzugehören. Dies feiern wir dann in einem einfachen Wiederaufnahme- oder Versöhnungsgottesdienst. Dabei sprechen wir gemeinsam das Glaubensbekenntnis. Es ist immer wieder ergreifend, wenn bei dieser Feier unterstützend auch nahe Familienmitglieder oder enge Freunde anwesend sind.

Und dann?
Dann hat unsere Kirche, das durch die Geschichte pilgernde Gottesvolk, wieder ein Mitglied mehr. Einen Gottsucher oder eine Gottsucherin, die unsere Gemeinschaft bereichert, mit Begeisterung, mit Gottesfurcht, mit Fragen, mit Zweifeln, mit Sehnsucht, schlicht: mit seiner oder ihrer Persönlichkeit und individuellen Geschichte.

 

Pater Hans-Joachim Winkens SAC ist Wallfahrtsdirektor in Herrgottsruh im bayerischen Friedberg.
Das Interview führte: Josef Eberhard

Das könnte Sie auch interessieren

Mitreden, Mitmachen, Mithelfen!

In Kontakt bleiben. Kostenlos 12 x pro Jahr!

Liken, kommentieren, abonnieren

Herzliche Einladung: Reden Sie mit!

Öffnen Sie sich Räume

Gemeinsam die Welt verändern!

Print Friendly, PDF & Email