
Erst Zeltgottesdienst dann Maßkrug
Pater Christoph Lentz hat sich vorgenommen, das Bierzelt künftig ganz zu füllen
Zunächst sitzen die Gäste beim Friedberger Volksfest auf dem Trockenem – eine absolute Seltenheit in einem bayerischen Festzelt. Trotzdem ist es gut gefüllt an diesem Sonntagvormittag. Statt Maßkrug und Partyband steht der Zeltgottesdienst mit dem Rektor der Friedberger Pallottiner, Pater Christoph Lentz, auf dem Festprogramm. Es ist seit Langem eine Traditionsveranstaltung, die aus Friedberg nicht mehr wegzudenken ist.
Seit einigen Jahren zelebriert Pater Lentz die Messe beim Volksfest. Anfangs hat er – wie er zugibt – mit der Bierzeltatmosphäre ein wenig gefremdelt. Doch längst fühlt er sich hier wohl, nicht etwa nur geduldet, sondern erwünscht. Der Pallottiner-Pater freut sich auch über etliche Gottesdienstbesucher, die Kirchen ansonsten eher meiden. Zugute kommt dem Publikumszuspruch, dass die Stadtpfarrei St. Jakob ihre Hauptmesse zugunsten des Volksfest-Gottesdienstes sausen lässt. Pater Lentz würde am liebsten sogar alle Bierbänke voll besetzt sehen. „Ich arbeite daran, dass es am Sonntagvormittag so voll ist wie am Samstagabend“, kündigt der Pallottiner-Pater zu Beginn des Gottesdienstes an und sagt voraus: „Irgendwann heißt es dann vielleicht, Reservierung erforderlich.“ Von seinen Friedberger Mitbrüdern würde sich der Rektor wünschen, dass an diesem Sonntag auch Gottesdienste in der Pallotti-Kirche und der Wallfahrtskirche Herrgottsruh ausfallen würden, um die Kirchgänger ins Bierzelt umzulenken.


Gottesdienst und Bierzelt passen gut zusammen
Aber geht das – ein Bierzelt zumindest vorerst ohne Bier? Ja, lautet die Antwort von Festwirt Thomas Kempter in dem Binswanger-Zelt. Für ihn würde es nicht passen, vor oder während der Messe etwas auszuschenken. Überhaupt passt für den Festwirt Gottesdienst und Bierzelt gut zusammen: „Schließlich sind die Volksfeste aus der Kirchweih hervorgegangen.“
Zu den Gottesdienstbesuchern zählt auch Daniel Götz, der Präsident des Volksfest-Veranstalters Friedberger Verkehrsverein. Für ihn ist das Volksfest eine Veranstaltung aus der Mitte der Friedberger Bevölkerung. Er blickt in die Runde und sagt: „Für die Leute gehört der Zeltgottesdienst einfach dazu zum Festprogramm.“ Wie lange schon, ist aber unklar. Jedenfalls geht die Traditionsveranstaltung auf Pallottiner-Pater Heinz Peter Schönig (1927-2003) zurück, der über Deutschland hinaus als katholischer Zirkus- und Schaustellerseelsorger viel unterwegs war. Pater Schönig hielt ab 1956 auch den Wiesn-Gottesdienst auf dem Oktoberfest in München ab. Dann könnte vermutlich bald der Zeltgottesdienst in Friedberg gefolgt sein – jeweils zelebriert von Pallottiner-Patres.
Der Mensch als Vorratskammer
So freut sich diesmal Pater Christoph Lentz darüber, dass auch Kirche und Glauben ihren Platz im Bierzelt haben dürfen. Zwar bleibt der Ausschank zunächst trocken, doch die Brathendl drehen sich schon im Grill. Und auch in der Predigt geht es zumindest anfangs um Essen. „Die Vorratskammer im Keller bei uns Zuhause habe ich geliebt“, erinnert sich der Pater Lentz an die vielen Einmachgläser, Flaschen mit dem selbst gemachten Saft und Marmeladengläser. Vorräte würden gebraucht und im übertragenen Sinne sei jeder Mensch selbst wie eine Vorratskammer.
„Damit meine ich nicht die am Bauch, sondern all die Erfahrungen, die er sammelt, all die Erinnerungen, von denen er zehrt“, sagt der Rektor der Friedberger Pallottiner. Er bezieht sich in seiner Predigt auf das Tagesevangelium. Darin warnt das Gleichnis vom reichen Kornbauern vor einer Bevorratung, die nur das eigene Wohl im Blick hat. Gott stellt dabei laut Pater Lentz folgende ganz persönliche Frage: „Wie gehst du eigentlich mit dem um, was du hast? Mit Besitz, Einfluss oder auch mit deinen Begabungen? Behältst du sie für dich? Oder machst du etwas daraus? Indem du sie einbringst im Engagement in deiner Nachbarschaft, einem Verein, einer politischen Partei oder auch in deiner eigenen Kirchengemeinde?“
Miteinander teilen
Pater Lentz entdeckt im Evangelium folgende Mut machende Botschaft des Herrn: „Vertraue auf Gottes Gegenwart in deinem Leben und sein Heil schaffendes Handeln.“ Der Festzelt-Prediger schließt mit den Sätzen: „Wir sind nicht zum Horten und Bewahren auf der Welt, sondern zum Geben und zum Teilen. Sei es im materiellen Sinne – sei es im Sinne von Zeit, Aufmerksamkeit und füreinander da sein.“
Musikalisch sind die Aretsrieder Musikanten für die Gottesdienstbesucher mit der Schubert-Messe da. Pater Lentz hat zufällig zwei Tage zuvor die Eltern des Dirigenten Thomas Schneider in Augsburg als langjährige Ehejubilare gesegnet und ihnen angekündigt: „Am Sonntag treffe ich ihren Sohn im Bierzelt.“ Und das Friedberger Bierzelt wird nach dem Zeltgottesdienst wieder seinem Namen gerecht. Festwirt Thomas Kempter hat im Ausschank alle Hände voll zu tun, um die Maßkrüge zu füllen.

Bericht & Bilder: Andreas Schmidt
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