„Ich will mir gar nicht ausmalen, was da los war!“
Pallottiner-Missionssekretär: In Indien fehlt den Armen Geld für Vorräte
Die Bedrohung durch das Corona-Virus ist weltweit. Und in Entwicklungs- und Schwellenländern in Afrika oder auf dem indischen Subkontinent kommt noch eine große Gefahr hinzu: Die Armen haben aufgrund des Shutdowns nicht einmal mehr das Geld, um sich ernähren zu können. Der Missionssekretär des Pallottinerordens, Pater Markus Hau, wirbt jetzt um Hilfsbereitschaft.
Noch ist die große Infektionswelle nicht über Indien hereingebrochen. Aber es herrscht bereits genauso Ausgangssperre wie bei uns, sogar noch strenger. Das ist für so ein Land sicher verheerend.
Pater Markus Hau: Ja. Und vor allem die Auswirkungen dieses Shutdowns sind katastrophal. Sie müssen sich vorstellen: Die Anordnung, dass man das Haus nicht mehr verlassen darf, kam innerhalb weniger Stunden. Es ist nicht wie bei uns, dass man noch einkaufen gehen kann. Das Haus darf nicht mehr verlassen werden. Den Menschen blieben nur wenige Stunden, um Vorräte zu kaufen. Und in einem Staat wie Indien mit Abermillionen Menschen mag ich mir das gar nicht ausmalen, was das bedeutet, was da los war! Wie die Leute in die Läden gestürmt sind, um für die nächsten 14 Tage Vorräte zu kaufen.
Und dann kommt ja noch hinzu: Man braucht erstmal Geld, um die Lebensmittel kaufen zu können. Und wir haben es in Indien viel mit Tagelöhnern zu tun, die haben immer nur das Geld für den nächsten Tag, um ihre Familie zu ernähren. Oder die Familie lebt weit entfernt, und die Arbeiter schicken das Geld nach Hause. Wie soll das nun gehen? In Indien gibt es ja kein Kurzarbeitergeld. Man wird sofort entlassen. Der öffentliche Nahverkehr ist auch sofort eingestellt worden. Das heißt, die Arbeiter sind an dem Tag nicht mal mehr nach Hause gekommen und irgendwo gestrandet.
Ich weiß das von unseren Arbeitern in Bangalore, wo wir eine Schule bauen. Die bekommen von uns jetzt wenigstens noch Lebensmittelpakete, damit sie überleben können. Die pallottinischen Mitbrüder verteilen an vielen Stellen Reis, Linsen und Öl, eben das Lebensnotwendigste. Und wie gesagt: Vorräte kaufen kann man nur, wenn man Geld hat, und dieses Problem betrifft jetzt alle Armen in Indien. Das gibt eine Katastrophe. Und je länger es dauert, umso katastrophaler wird es.
Steht Afrika diese Entwicklung noch bevor, die in Indien jetzt stattfindet?
Pater Markus Hau: Ich weiß, in Nigeria und Malawi ist ebenfalls der Shutdown angeordnet worden. Unser ehemaliger Missionssekretär, Bruder Bert, musste Malawi daher vor einigen Wochen verlassen. An dem Tag, an dem er das Land verließ, wurden auch alle Läden geschlossen, der Nahverkehr eingestellt, und alle Kirchen wurden geschlossen. Das ist für so ein Land, das viele Probleme hat, zusätzlich destabilisierend. Man weiß nicht, was an sozialen und politischen Unruhen dazukommt. Schwierig sind auch das Unwissen und die fehlende Bildung der Bevölkerung. Viele fallen auf falsche Behauptungen herein und entwickeln beispielsweise Aggressionen gegen Weiße und Chinesen, weil diese angeblich die Krankheit ins Land gebracht haben.
Wie sieht es mit den Kirchen aus?
Pater Markus Hau: Es herrscht Unverständnis darüber, dass man keinen Gottesdienst feiern kann. Der Gottesdienst liegt vielen sehr am Herzen. In Nigeria gibt es auch den Shutdown, das wird akzeptiert, aber dass der Gottesdienst verboten wurde, ist der Landbevölkerung gar nicht zu vermitteln. Gerade in Zeiten, in denen Angst und Unsicherheit herrscht, ist das Bedürfnis nach Religion umso stärker.


Und die Sicherheitsmaßnahmen in Afrika werden auch nur schwer einzuhalten sein, oder?
Pater Markus Hau: Was die Hygiene, den Sicherheitsabstand oder das Maskentragen betrifft, das ist in Ländern wie Nigeria und Südafrika oder auch in Indien nur schwer durchzuhalten. Die Menschen leben sehr dicht aufeinander. Es gibt Familien, die wohnen mit mehreren Generationen in einem Haus, das sind 20 bis 30 Personen! Alle Märkte in Nigeria und Malawi sind Buden auf engstem Raum, wie soll das funktionieren? Die Distanz kriegt man da gar nicht hin.
Ist die relativ junge Bevölkerung ein guter Schutz gegen das Virus? Inwieweit teilen Sie diese Hoffnung?
Pater Markus Hau: Die Hoffnung ist in der Tat, dass eine junge Bevölkerung besser durchkommt und die gewünschte Durchseuchung der Bevölkerung mit 70 Prozent schneller passiert. Meine Sorge ist aber, dass zur Risikogruppe auch unterernährte Menschen gehören, und viele sind schlecht ernährt. Dazu kommt, dass das Gesundheitssystem so gut wie nicht existiert. In allen diesen Ländern, über die wir sprechen, hängt Gesundheitsvorsorge mit Geld zusammen. Und das bedeutet: Die Armen habe keinen Zugang.
Wir sind selbst betroffen und in der Krise. Aber dennoch: Was können Europäer jetzt tun, um sowohl in Indien als auch Afrika zu helfen?
Seit einigen Wochen kommen ganz viele Hilfeanfragen zu uns, aus Indien, Südafrika, Kamerun. Die anderen afrikanischen Länder werden sicher nachkommen. Und all das zeigt diesen wirtschaftlichen Aspekt: Die arme Bevölkerung wird in Not gestürzt. Die pallottinischen Mitbrüder sorgen sich um das tägliche Essen. Die Bitte um Geld für Nahrungsmittel ist das Hauptanliegen. Da ist es wichtig, neben dem Anliegen, die Krise in Deutschland zu meistern, diese Armut nicht zu vergessen.
Was ist Ihre Hoffnung?
Pater Markus Hau: Es gibt eine Theorie, die sagt: Afrikanische Länder haben durch Ebola viel gelernt und viel früher als Europa zugemacht. Vielleicht hilft ihnen das. Das ist meine kleine Hoffnung.
Interview: Alexander Schweda


Coronahilfe der Pallottiner
Die Pallottiner helfen auf drei Ebenen:
1. Tägliche Nahrungsmittelpakete
2. Unterstützung von Familien in der Umgebung
3. Versorgung der eigenen Mitarbeiter, die zurzeit nicht arbeiten dürfen
Bitte helfen Sie mit Ihrer Spende.
Tipp:
Auch in seinem Interview mit DOMRADIO.DE, dem Sender des Erzbistums Köln, berichtete unser Missionssekretär Pater Markus Hau über die Corona-Krise in mehreren afrikanischen Ländern. Die Ausgangssperren führen bei der armen Bevölkerung bereits jetzt überall zu Hunger und Verzweiflung.
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