Offen, vorurteilslos und kommunikativ
Wie können Ordensmitglieder aus verschiedenen Kulturen gut miteinander leben, wachsen und lernen?
Wir Pallottiner bemühen uns in der Interkulturalität um gegenseitiges Verstehen. Es ist not-wendig. Papst Franziskus formuliert unsere Aufgabe in seiner Ansprache in der Istiqlal Moschee in Jakarta, wenn er über den Tunnel spricht, der Moschee und Kathedrale dort miteinander verbindet: »Wenn wir in die Tiefe gehen und erfassen, was im Innersten unseres Lebens vor sich geht, wenn wir das Verlangen nach Fülle wahrnehmen, das in der Tiefe unseres Herzen wohnt, dann entdecken wir, dass wir alle Geschwister sind, alle Pilger, alle auf dem Weg zu Gott, jenseits dessen, was uns unterscheidet.« Und: »Was uns wirklich einander näherbringt, ist eine Verbindung zwischen unseren Unterschieden zu schaffen, darauf zu achten, Bande der Freundschaft, der Aufmerksamkeit und der Gegenseitigkeit zu pflegen.«
Pater Peter Claver Narh ist seit Mai 2023 Provinzial der Steyler Missionare und stammt aus Ghana. Er empfielt den Ordensgemeinschaften, Diversität und die damit verbundenen Fragestellungen positiv zu betrachten und für die Belebung der Gemeinschaften zu nutzen: „Durch die Globalisierung gibt es Begegnungen zwischen verschiedenen Kulturen, gegenwärtig mehr als je zuvor. Aus unterschiedlichen Gründen werden auch viele Ordensgemeinschaften in Deutschland international, was es notwendig macht, sich mit dem Thema der Interkulturalität zu beschäftigen.
Interkulturalität
Sie bezeichnet unter anderem Begegnung und Austausch zwischen Kulturen – bei Bewahrung der eigenen kulturellen Identität. Sie nimmt die kulturelle Vielfalt der Menschen wahr und würdigt sie. Sie erkennt, dass Menschen in vieler Hinsicht gleich sind – und arbeitet deshalb daran, rassistische, sexistische und andere menschenverachtende Einstellungen zu überwinden. Sie deckt auf, wie sehr Menschen und Kulturen Einfluss aufeinander nehmen, und fordert auf, den eigenen Lebensstil kritisch zu hinterfragen. Interkulturalität sieht jeden einzelnen Menschen als unverwechselbare Person mit ihrer eigenen Würde an. Interkulturalität überschreitet die Grenzen von Kulturen und richtet dabei auch besondere Aufmerksamkeit auf die vielfältigen kulturellen Formationen innerhalb einer Kultur.
Byram drückt es so aus: „interculturalism involves a conscious capacity to ‘mediate’ between two or more cultures, to observe similarities and conflicts, to generate a relationship between oneself and others, and to accept the role of a mediator“ (Hager, 2011, S. 113). Für ein gelungenes interkulturelles Zusammenleben, in dem Mitbrüder zusammenwachsen und voneinander lernen, sind folgende Punkte wichtig:
Offenheit
Interkulturelles Zusammenleben benötigt Offenheit sowohl von einheimischen als auch von ausländischen Mitbrüdern. Die Offenheit für andere Lebensweisen bzw. fremden Kulturen gegenüber und die Bereitschaft, von anderen Menschen und deren Kulturen etwas Neues zu lernen, ist nötig. Dies erweitert den Horizont der Beteiligten und baut Vorurteile ab.
Motivation
Die Motivation, in einer anderen Kultur zu leben und mit Menschen aus anderen Kulturen zusammenzuleben, spielt eine sehr bedeutende Rolle. Sie macht es möglich, sich auf das interkulturelle Zusammenleben einzulassen und sie ist eine starke Kraftquelle, gerade auch in schwierigen Zeiten. Diese Motivation kann auf der Spiritualität einer Ordensgemeinschaft basieren oder aber auch auf der Heiligen Schrift: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus“ (Gal 3, 28).
Interesse
Was sich bewährt hat bei uns Steyler Missionaren, ist das Interesse, mit jemandem aus einer anderen Kultur zusammenzuwohnen und zusammen zu sein; das Interesse einander kennenzulernen; den Mut zu haben, nicht einfach zu resignieren, wenn etwas beim ersten Mal nicht funktioniert, sondern zu versuchen, einander zu verstehen.
Sprachkompetenz
Die Sprache ist eine der ersten Sachen, die ernst genommen werden muss, weil sie wie ein Schlüssel für das Leben vor Ort fungiert. Es soll hier gut investiert werden, damit die Betroffenen eine gute Basis haben. Denn zum einen ist es schwierig, einmal eingefahrene Fehler in der Zukunft zu beheben, zum anderen erleichtern gute Sprachkenntnisse die Kommunikation in einer interkulturellen Gemeinschaft.
Zuhören
Wertvoll und unendlich wichtig ist das Hin- und Zuhören, sich wirklich auf Menschen anderer Kulturen einzulassen und zu versuchen, sie zu verstehen – zu verstehen, wie sie sind und was sie denken.
Bildung
Man lernt viel im Laufe der Zeit, wenn man in einer interkulturellen Gemeinschaft lebt, gerade auch auf der Basis des ‚learning by doing‘, (wörtlich übersetzt: Lernen durch Tun). Dennoch ist es ratsam, auch gezielt auf eine systematische Einführung in die Thematik des interkulturellen Zusammenlebens zu achten. Das gewonnene Wissen kann im Umgang mit Konflikten, die oft im interkulturellen Zusammenleben entstehen, helfen, und viele Schwierigkeiten, die in der Gestaltung des Alltagslebens entstehen, können vermieden werden.
Austausch
Es ist wichtig, einen regelmäßigen und systematischen Austausch über Probleme in einer interkulturellen Gemeinschaft zu pflegen und diese nicht nur einfach so nebenbei oder im Konfliktfall zu thematisieren. Dieser Kulturaustausch kann hilfreich sein, um Verständnis für den anderen zu haben. Er kann manchmal die Spannungen zwischen Persönlichkeit und Kultur lösen, da man lernt, die fremde Kultur besser zu verstehen. Man hat die Möglichkeit, Fragen zu stellen und zu ergründen, was von einer bestimmten Kultur kommt und was von der Persönlichkeit einer Person beeinflusst wird.
Kulturveranstaltungen
Die unterschiedlichen Kulturen in einer Gemeinschaft können vorgestellt werden, wo die Betroffenen über sich und ihre Erfahrungen reden können. Diese Veranstaltungen können mit kulinarischen Spezialitäten der verschiedenen Kulturen verbunden werden. Wichtig dabei ist, dass alle in der Gemeinschaft nach und nach die Möglichkeit haben, sich und ihre Kulturen vorzustellen. Für viele ist es auch bereichernd, dass Ordensleute nach ihrem Heimaturlaub in ihren Gemeinschaften erzählen, wie es zu Hause war. Diese Erzählungen bringen auch viele kulturelle Elemente zum Vorschein, die das gegenseitige Verständnis in der Gemeinschaft verstärken.
Bewusstsein
Es ist wichtig, das Bewusstsein der Mitbrüder dafür zu wecken, dass die Gemeinschaften hier in Deutschland internationaler werden und dass ein Umdenken in unseren Einstellungen von allen Seiten notwendig ist. Einheimische sollen sich öffnen und ausländische Mitbrüder sollen sich dessen bewusst sein, dass sie in einer anderen Kultur sind, was verlangt, dass auch sie ihr Verhalten verändern müssen. Sie können beispielsweise nicht immer sagen: Bei uns zu Hause wird das aber so oder so gemacht, also mache ich das auch weiterhin so. Interkulturalität geschieht im Rahmen der Kultur vor Ort.
Kommunikation
In interkulturellen Gemeinschaften ist es auch notwendig, das Thema Kommunikation im Zusammenhang mit interkulturellen Prozessen zu behandeln. Dabei ist die nonverbale Kommunikation zu beachten, da es viele Dinge gibt, die in den unterschiedlichen Kulturen und Traditionen nonverbal kommuniziert werden. Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema beugt vielen Kommunikationsschwierigkeiten in interkulturellen Gemeinschaften vor.
Abbau von Vorurteilen
Es ist sehr wichtig, durch Dialog, Fragen und Hinterfragen und durch gegenseitiges Interesse Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen.
Fazit
Wenn Diversität bzw. Anders-Sein in einer Gemeinschaft als ein Problem gesehen wird, das gelöst werden muss, werden viele Schwierigkeiten erlebt. Wenn Diversität jedoch positiv betrachtet wird, wächst ein erfinderischer Geist, der eine Gemeinschaft beleben kann.“
Empfehlungen: Pater Dr. Peter Claver Narh SVD, Provinzial der Steyler Missionare Deutschland
Foto: Steyler Missionare
Was machen die Steyler Missionare?
Die Steyler Missionare leben und arbeiten seit 1875 mit den Menschen in aller Welt. Sie helfen mit beim Aufbau christlicher Gemeinden, bauen Schulen für eine bessere Zukunft, Brunnen für ein gesünderes Leben und auch Brücken zwischen Kulturen und Religionen. Als „Boten der göttlichen Liebe“ verkünden sie die Frohe Botschaft in Wort und Tat. Dabei gehen sie mit einer Haltung der Achtung und Liebe, des Dialogs und der Solidarität auf alle Menschen zu.
1875, mitten im deutschen Kulturkampf, gründete Arnold Janssen – weil dies auf deutschem Boden nicht möglich war – im niederländischen Steyl die Steyler Missionare. Aus einer Gemeinschaft von sechs Priestern wurde eine internationale Ordensgemeinschaft aus Priestern und Brüdern mit heute rund 6.000 Mitbrüdern aus 60 Ländern, die in über 70 Ländern tätig sind.
Wenige Jahre nach der Gründung konnte er bereits 1879 die ersten Missionare nach China schicken. Sein Werk breitete sich schnell aus und auf allen Erdteilen wurden Missions- und Arbeitsgebiete übernommen.
Die für die damalige Zeit ungewöhnlichen Ideen Arnold Janssens sind – wie bei Vinzenz Pallotti – durch das Zweite Vatikanische Konzil bestätigt worden. Janssen hat dem Missionswerk neue Horizonte geöffnet. Er förderte die Exerzitienbewegung, wurde zum Vorläufer des katholischen Presseapostolates und trat als unermüdlicher Verfechter des Laienapostolates hervor.
Grundlage unseres missionarischen Engagements ist – damals wie heute – die lebendige Beziehung zu Gott und ein waches Interesse an den Menschen.
Das Missionsverständnis der Steyler Missionare
„Mission ist Gottes Mission, und wir alle sind eingeladen, uns an ihr zu beteiligen. Nicht die Kirche ist der Ursprung von Mission, denn sie verdankt sich selbst der göttlichen Sendung.
Wer Christ*in ist und zur Kirche gehört, „ist“ Missionar*in und kann sich dieser Sendung nicht entziehen. Mission wird nicht an „Spezialist*innen“ delegiert.
Mission ist eine Ausweitung des Dienstes am Leben und am Glück der Menschen. Ziel der Mission ist die Verwirklichung des Reiches Gottes. Sie bedeutet deshalb auch Parteinahme für die Armen, Entrechteten und Ausgegrenzten. Sie bedeutet ein Sich-Verbünden für Menschenwürde und Überleben.
Mission ist so umfassend wie die Schöpfung Gottes. Die ganze Wirklichkeit, alle Bereiche des menschlichen Lebens und der Natur, sollen erfasst werden von der Liebe Gottes. Das gilt für die Psyche des Menschen genauso wie für das menschliche Zusammenleben, die Strukturen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik. Der unterschiedliche Kontext der Welt bringt so ein breites Feld missionarischer Ausdrucksformen mit sich…“
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