Die Öffnung zur Vielfalt als Vermächtnis

Provinzial P. Helmut Scharler scheidet am 2. August aus dem Amt

Nach fast zehn Jahren als Provinzial und drei Jahren Vizeprovinzial verabschiedet sich P. Helmut Scharler aus der Provinzleitung und übergibt das Amt an Pater Markus Hau. Der ausgebildete Psychotherapeut möchte sich wieder gerne ganz der Begleitung von Menschen widmen, wird es aber weiterhin nur reduziert tun können. Nach der Übergabe am 2. August steht für ihn wahrscheinlich ein Wechsel an die Hochschule an, die unter seiner Ägide eine neue Ausrichtung erfahren hat – hin zur Interkulturalität.

Zwei große Linien erkennt der gebürtige Österreicher in seiner Amtszeit: Zum einen die Konsolidierung der Provinz mit immer weniger werdenden Mitbrüdern und vielen Häusern. Zum anderen die Begegnung mit anderen Kulturen in Afrika und Indien und die daraus erwachsenden neuen Perspektiven. „Das ist etwas, was mir auch zugewachsen ist, und was mich selbst ebenfalls verwandelt und mein Denken verändert hat“, sagt Scharler.

Er habe sich nie sonderlich für Afrika interessiert. Das änderte sich erst, als er als Vizeprovinzial gezwungen war, die Mitbrüder in Südafrika zu besuchen. Diese hatten eine schwierige Situation zu meistern und brauchten Hilfe. Da wusste er auf einmal: „Ich muss da hinreisen. Und als ich ankam, ist es passiert. I fell in love, wie man auf Englisch sagt, also: Liebe auf den ersten Blick, und das Thema Interkulturalität war da.“

Sich der Schönheit anderer Kulturen öffnen

Das wichtigste Element der Interkulturalität ist für P. Scharler die Begegnung. „Begegnung ist der Ernstfall des Lebens,“ sagt er. Da braucht es Behutsamkeit auf beiden Seiten: „Ich darf den Mitbrüdern aus Afrika und Indien nicht sagen, `wie man es richtig macht´, auf der anderen Seite braucht es deren Einpassung in unsere Kultur. Da ist viel Fingerspitzengefühl nötig, um nicht zu verletzen.“ Auch die deutschen Mitbrüder bräuchten Zeit, sich an veränderte Traditionen zu gewöhnen und zuzustimmen, dass das Alte und das Neue zu einer anderen Art des Zusammenlebens führen. Kritisch betrachtet gebe es keinen anderen Weg.

Aber Scharler findet: „Entweder sind wir am Ende, verkaufen alles, um noch ein paar Jahre fristen zu können, und dann begraben wir uns und unserer Hoffnungen. Oder wir öffnen uns für andere Gedanken.“ P. Helmut Scharler ist wichtig, dass es ihm dabei nicht vorrangig darum geht, das eigene Aussterben zu verhindern. „Wir nehmen die anderen nicht auf, damit wir um jeden Preis überleben. Der Grund ist ein spiritueller: Weitung und Verschiedenheit dürfen Eingang in unsere Gemeinschaft finden, um voneinander zu lernen, zu wachsen und das Größere in den Blick zu nehmen. Wir lernen, die Schönheit und dynamische Kraft anderer Traditionen zu schätzen und uns von ihnen inspirieren zu lassen.“ Das empfindet P. Scharler auch als sein eigentliches Vermächtnis.

Alltagstauglich werden

Der Anfang war geprägt von Spontaneität, Initiative und Aufbruchsstimmung. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, sagt er. Nun muss diese Entwicklung alltagstauglich werden. Es geht um Vermittlung, Akzeptanz, Aufbau von tragfähigen Strukturen und planmäßiges Voranschreiten. „Wir müssen die Interkulturalität in die Häuser bringen.“ Ein weiterer Schwerpunkt Scharlers bleibt die Vinzenz Pallotti University: „Es ist wichtig, einen Ort zu haben, wo das Denken erlaubt ist, wo wir Themen setzen dürfen und abseits des Mainstreams nachdenken, forschen und lehren dürfen“, sagt er.

Denn was den Psychotherapeuten sehr beschäftigt, ist der heutige Mensch. Denn der habe sich verändert. Die Menschen fragten heute: `Was nährt mich? Was habe ich davon? Was gibt mir die Religion?‘ „Wir brauchen eine Theologie und Spiritualität, die auf diese Fragen eine Antwort gibt – theoretisch und praktisch. Wir müssen die Frage beantworten, ob es einen Unterschied macht, ob ich bete oder nicht, ob ich Zugang zur geistigen Welt habe, ob ich an Gott glaube oder nicht.“

"Der große Strom der Provinz ist spürbar"
Vizeprovinzial P. Michael Pfenning scheidet am 2. August ebenfalls aus dem Amt

Pater Michael Pfenning SAC

Vizeprovinzial P. Michael Pfenning war vor allem mit der Konsolidierung der Provinz stark beschäftigt. Bei vielen Schlussgottesdiensten war der 62-Jährige dabei, wo Niederlassungen aufgegeben wurden. Viele Mitbrüder hat er dabei begleitet, teils bis zur Pensionierung und beim Umzug auf den Altersruhesitz.

Aber trotz solchen Rückzugs gab es auch Aufbruch und Stärkung. Stationen wie zum Beispiel Hamburg oder Bad Zwischenahn wurden gestärkt, und dann gab es auch Neuanfänge wie Kohlhagen, Konstanz, Meran. Auch die Seniorenstation Vinzenz Pallotti am Hersberg war ein intensiver Prozess.

Und die Hochschule war ebenfalls eine Herausforderung. „Da war die Visionskraft von Helmut Scharler ganz wichtig“, sagt P. Pfenning und resümiert: „Insofern sind wir in den neun Jahren kleiner und älter geworden, aber es gab auch Aufbrüche. Und was sich in Afrika für uns entwickelt hat, das war am Anfang nicht absehbar. Das ist uns zugewachsen.“

„Wir haben ein großartiges Erbe“

Für P. Pfenning war es eine wichtige Erfahrung zu spüren, dass ohne die Leistung der älteren Mitbrüder heutige Aufbrüche gar nicht möglich wären. „Ich sehe, dass wir ein großartiges Erbe haben“, sagt er und vergleicht es mit dem Veredeln von Obstbäumen, wenn auf einen alten Stamm neue Triebe gepfropft werden. „So ist der große Strom der Provinz, auch der missionarische Geist spürbar. Das finde ich sehr hoffnungsvoll.“

Und für sich selbst hat er auch schon eine Vision: Mit einem afrikanischen und einem indischen Mitbruder möchte er sich an einem spirituellen Ort wie einer Wallfahrtskirche niederlassen, um diesen Ort mit Leben zu erfüllen. „Dabei wollen wir auch interkulturelles Lernen miteinander einüben und fruchtbar machen. Das wird unheimlich spannend.“

Erfolge - Enttäuschungen - Was bleibt? - Wie geht es weiter?

Rückblicke und Ausblicke - Pater Scharler und Pater Pfenning im Interview

Pater Helmut Scharler SAC

Für Pater Helmut Scharler beginnt nach fast zehn Jahren in der Leitung der Provinz ein neuer Lebensabschnitt. Eine Rückschau – und nach drei Amtszeiten – eine Gelegenheit zum Bilanz ziehen.

Pater Michael Pfenning SAC

Pater Michael Pfenning war neuneinhalb Jahre an der Seite von Provinzial P. Helmut Scharler Vize-Provinzial. In dieser Zeit gab es Rückzug und Aufbruch. Für die Zukunft bleibt er hoffnungsvoll.

Bericht: Alexander Schweda

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