Katholiken und Katholikinnen bedauern Verwässerung des EU-Lieferkettengesetzes

ZdK-Präsidentin Stetter-Karp kritisiert „deutsche Haltungslosigkeit“

Während sich die Bundesregierung erneut enthielt, stimmte bei der finalen Abstimmung zum Lieferkettengesetz im Rat der Europäischen Union am 15. März 2024 eine Mehrheit für den neu ausgehandelten Entwurf. Die Chance, Menschenrechte und Umwelt entlang von Wertschöpfungsketten zu schützen, wird nun doch noch vor der Europa-Wahl genutzt.

Massive Zugeständnisse an Bedenkenträger

Wir begrüßen dies im Grundsatz, nachdem wir jahrelang darauf gedrängt haben, eine europäische Lösung zu finden“, kommentiert Wolfgang Klose, Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), das Votum. „Allerdings ist dies nun ein Lieferkettengesetz, das weit hinter dem zurückbleibt, was wir erwartet haben.“

Nachdem im Februar die erforderliche Mehrheit verfehlt worden war, wurde der vorliegende Entwurf in Verhandlungen modifiziert, um auch ohne die Zustimmung der Bundesregierung eine Mehrheit zu organisieren. Nicht nur die Reichweite wurde drastisch reduziert, sondern auch die Liste der Risikosektoren gekürzt und die Sorgfaltspflichten für die nachgelagerte Lieferkette abgeschwächt, beispielsweise bei der Pestizidnutzung. Volle Gültigkeit wird die Regulierung erst in acht Jahren entfalten.

Ein entkerntes Lieferkettengesetz für die EU

Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des ZdK, bedauert diese Entkernung des Gesetzes: „Der heutige Tag stellt den Durchbruch für dieses wichtige europäische Projekt dar. Leider ist es aber nicht der Meilenstein für Menschenrechte und Umweltschutz, der zu Beginn des Jahres noch greifbar war. Die von der FDP forcierte Uneinigkeit in der Ampel-Koalition führte zur Enthaltung und zu Nachverhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die deutsche Haltungslosigkeit hat nun dafür gesorgt, dass das EU-Lieferkettengesetz deutlich hinter dem ursprünglichen beachtlichen Kompromiss zurückbleibt, der im Dezember gefunden worden war. Im Zuge der Umsetzung werden in Deutschland weniger Unternehmen erfasst sein als durch das deutsche Lieferkettengesetz.“

Dennoch gehe vom heutigen Tag ein vorsichtiges Signal für eine gerechtere Globalisierung aus: „Die Missachtung von Menschenrechten und Umweltschutz in Handelsbeziehungen wird durch die einheitliche europäische Regelung zumindest reduziert. Auch die Neufassung eröffnet Betroffenen erstmals den Zugang zu Gerichten in Europa. In der Umsetzung gilt es nun, jene kleinbäuerlichen Betriebe im Globalen Süden adäquat zu unterstützen, für welche die vorgesehenen Berichtspflichten eine Herausforderung darstellen.“

Zunächst muss noch das Europäische Parlament formal über den neuen Gesetzestext abstimmen, damit es noch vor der Europawahl beschlossen werden kann. Das ZdK setzt sich seit Jahren für die europäische Fortschreibung des deutschen Lieferkettengesetzes ein und hat für eine entsprechende Richtlinie plädiert, die die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette von Unternehmen adressiert und diese dazu verpflichtet, die Menschenrechte, die ILO-Arbeitsnormen sowie Umwelt und Klima zu achten. Gemeinsam mit seinem europäischen Netzwerk Initiative Christen für Europa (IXE) hatte das ZdK insbesondere gefordert, den Finanzsektor aufgrund seiner Schlüsselrolle bei der Finanzierung wirtschaftlicher Aktivitäten einzubeziehen.

Initiative Lieferkettengesetz – ein Bündnis für Menschen und Umwelt

Fünf Jahre lang hat ein Bündnis aus mehr als 140 zivilgesellschaftlichen Organisationen dafür gekämpft, dass Unternehmen keine Profite mehr auf Kosten von Mensch und Umwelt machen. Die Verabschiedung des deutschen Lieferkettengesetzes 2021 war ein erster Zwischenerfolg. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) ist ebenfalls für das Bündnis aktiv, außerdem Missio, Misereor, adveniat, die Diözesen Osnabrück, Hildesheim, Freiburg, Paderborn und Speyer, das Kindermissionswerk „die sternsinger“, die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), Kolping international oder Pax Christi. Die Akteure sind nach dem akuellen Beschluss froh und erleichtert, dass sie ihrem Ziel einen weiteren, entscheidenden Schritt nähergekommen sind: Mit der Entscheidung für das EU-Lieferkettengesetz gibt es zukünftig in ganz Europa verbindliche Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Gleichzeitig gibt die leichtfertige Abschwächung der Rechte von Menschen, für vermeintlich europäische Interessen, auch weiterhin Grund zur Sorge.

Quellen: ZdK Pressemitteilung 15.03.2024; Initiative Lieferkettengesetz, BDKJ, ARTE.
Bilder: mariyana_117 (Handshake); Nico (Lieferkettengesetz); beide Adobe Stock

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Dokumentation auf ARTE

Bittere Früchte – Ausbeutung in der Landwirtschaft

Deutschland 2023 | arte
MEDIATHEK

Der Dokumentarfilm verfolgt die Spuren von Obst und Gemüse aus dem Einkaufswagen zurück zu verschiedenen Anbauflächen in ganz Europa. Die gesamte Lieferkette über ein System, das die menschenverachtende Ausbeutung von Erntehelfern, aber auch von Agrarbetrieben beinhaltet, wird offengelegt. Die aggressive Preispolitik der Supermarktkonzerne, ihr „Tiefstpreisversprechen“, hat eine moderne Form von Sklaverei in Europa etabliert.

Der Dokumentarfilm zeigt auch Lösungen auf und schildert, wie im EU-Parlament – gegen den Widerstand der Wirtschaft – um ein neues europaweites Lieferkettengesetz gerungen wurde, das die Supermärkte stärker in die Verantwortung nimmt. Und er dokumentiert, wie eine Kooperative in Süditalien es trotz allem schafft, faire Orangen zu produzieren und ihren Arbeitern menschenwürdige Bedingungen zu schaffen. (Quelle: ARTE)

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