
Die Pallottiner hatten ein Gymnasium in Katscher
Barfuß zur Maiandacht
Ich bin geboren im November 1929 in Katscher, Kreis Leobschütz, Oberschlesien, ein Ort mit damals ca. 9.000 Einwohnern. In unserem ehemaligen Schloss der Grafen Gaschin war ein Pallottiner-Kloster. Als Vorschulkind besuchte meine Mutter mit mir zusammen öfter die Kapelle der Pallottiner. Gleich rechts am Eingang stand ein „Negerlein mit Sammelbüchse“. Wenn ich eine Münze hineinwarf nickte es mit dem Kopf. Das war schön.
Als Schulkind gingen wir zur Mariandacht lieber zu den Pallottinern und nicht in unsere Stadtkirche. Wir gingen ja barfuß und in der Stadtkirche war kalter Steinfußboden, während bei den Pallottinern angenehmer Holzfußboden war.
Und das noch: wenn beim „tantum ergo“ Weihrauch aufgelegt wurde, war der 3 m niedrige Raum sehr schnell mit Weihrauchwolken voll ausgefüllt. War das ein feierlicher Geruch!
Neben unserer Städtischen Oberschule hatten die Pallottiner auch ein Gymnasium. Einmal sah ich eine Gruppe, wohl 30 Jungen, mit dem damals üblichen verschieden farbigen Mützen (zum Unterscheiden für Obersekunda oder Unterprima) singend durch die Graf-Gaschin-Straße marschieren. Einer ihrer Lehrer war von 1931 bis 1937 Pater Richard Henkes, der am 15. September 2019 in Limburg seliggesprochen wurde.
Pater Henkes wirkte während des Krieges in Branitz, einem bekannten, damals modernen und christlichen Nervenkrankenhaus, unweit von Katscher. Er erlebte, wie unheilbar Kranke nach der Ideologie des Dritten Reiches als „lebensunwertes Leben“ abtransportiert wurden, um ausgelöscht zu werden. Gegen dieses Vorgehen hat Pater Henkes öffentlich Stellung bezogen. Des halb wurde er am 8. April 1943 verhaftet. Er kommt in das KZ Dachau.
Dort lässt er sich freiwillig Ende 1944 in den Quarantäne-Block für Typhus-Kranke einschließen, um die Todgeweihten zu Pflegen. Am 22. Februar 1945 stirbt er selbst an Typhus, 44 Jahre alt.
Dieser Pater Henkes hat mir als kleines Kind wahrscheinlich in einer Maiandacht den eucharistischen Segen gespendet. Sein Bild liegt jetzt hier vor mir.


Ich war Schüler der Oberschule Katscher. Ab September 1944 hatten wir Unterricht in den Klassenräumen in unserem ehemaligen Pallottinerkloster, das in den Kriegsjahren aufgelöst worden ist. Unser Schulgebäude war Hauptverbandsplatz für Soldaten, die an der schon nahekommenden russischen Front verwundet worden waren. Bei Fliegeralarm lernten wir die dicken Kellermauern des ehemaligen Schlosses kennen.
Das Gebäude des historischen Schlosses und späteren Pallottinerklosters ist heute ein Schutthaufen. Bei den Kampfhandlungen ließ es sich wegen seiner dicken Mauern leicht verteidigen, wurde aber komplett zusammengeschossen.
Zum Schluss möchte ich noch dieses sagen:
Heute kann ich zum seligen Pater Henkes, einem Pallottiner, beten. Heute ist die katholische Kirche in Deutschland und der Vatikan nicht auf einer Linie.
Guter Pater Henkes, schau auf unsere Kirche und predige du an der richtigen Stelle!

Erinnert hat sich:
Georg Pawlofsky aus Bayreuth
Aktuelle Anmerkung der Online-Redaktion:
Feier zur Ankunft der Pallottiner vor 100 Jahren
Am 20. Oktober 2019 wurde in Frankenstein ein besonderes Pontifikalamt gefeiert. Grund war die Ankunft der Pallottiner vor 100 Jahren in Schlesien.
Nach dem ersten Weltkrieg beschlossen die Pallottiner sich auch in Schlesien niederzulassen und erhielten dafür 1919 vom Breslauer Fürstbischof Adolf Bertram die Erlaubnis. Deshalb erwarben die Pallottiner 1921 in Frankenstein (heute: Ząbkowice Śląskie, polnische Woiwodschaft Niederschlesien, ca. 65 Kilometer von Breslau) ein Haus für eine örtliche Kommunität und die Unterrichtung von Schülern (St.-Adalbert-Gymnasialklosterkonvikt). 1923/1924 bauten und eröffneten sie ihr Missionshaus in Frankenstein. 1930 errichteten sie die ein Pallotti-Gymnasium in Katscher (heute: Kietrz).
1940 wurde das Missionshaus und das St.Adalbert-Konvikt von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und aufgelöst. Die deutschen Pallottiner mussten nach dem zweiten Weltkrieg Polen verlassen. Die Mitbrüder der polnischen Provinz übernahmen und erweiterten das Missionshaus und bauten die Kapelle zur Kirche aus. In das Konviktgebäude zogen Pallottinerinnen ein. Heute beherbergt das Missionshaus das Noviziat und ein Exerzitienhaus der Pallottiner.
Quelle: Cornelia Loy und Siegmund Bulla, in: Schlesien in Kirche und Welt, Nr. 3, Dezember 2019, 46. Jahrgang

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