Ordensgelübde: Verheißung und Verzicht
Mitgliederversammlung der DOK ging am Mittwoch zu Ende – Ordensgelübde als Studienthema – Gratulation an Papst Leo: Dankbarkeit für Betonung der Aufgabe des Brückenbauens
Am Mittwochvormittag, 21. Mai 2025, ist in der Hochschule der Pallottiner in Vallendar die Mitgliederversammlung der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) zu Ende gegangen. Die Tagung, die am Sonntag, 18. Mai, begonnen hatte, beschäftigte sich im Rahmen eines Studienschwerpunkts mit einem ureigenen Thema der Ordensgemeinschaften: Unter vielfältigen Blickwinkeln nahm sie die Ordensgelübde in den Blick und suchte Antworten auf die Frage, was es bedeutet, diese heute zu leben.
Da gibt es „etwas“, ohne das man nicht leben will und kann
So stellte der Kapuziner und Fundamentaltheologe Bruder Dr. Stefan Walser sein Referat unter die Überschrift „Verheißung und Verzicht“. Unter Bezug auf den französischen Jesuiten und Kulturphilosophen Michel de Certeau stellte er fest, die Entscheidung für das Ordensleben bedeute zunächst eine „Verweigerung von Verzicht“, nämlich die Erkenntnis, dass es da „etwas“ gebe, ohne das man nicht leben wolle und könne. Wenn Ordensleben zugleich heiße, auf einiges zu verzichten, so doch niemals um des Verzichts willen, sondern um auf dieses Eine eben nicht verzichten zu müssen. Ordensleben bedeute zugleich, diesen Weg in Gemeinschaft zu gehen: Dieses „Nicht ohne Gott leben zu wollen“ sei das Verbindende, das die Gemeinschaft zusammenhalte. Ohne die Ergänzung durch die bzw. den anderen sei es nicht möglich, diesen Weg zu gehen. In diesem Sinne seien die Ordensgelübde nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Der damit verbundene Verzichtsgedanke sei, so Bruder Stefan, in der aktuellen Post-Wachstumsgesellschaft durchaus anschlussfähig. Verzicht sei offenbar in bestimmten Situationen sinnvoll und nötig, um etwas nicht zu zerstören, sondern am Leben zu erhalten. Allerdings müsse in jedem Gelübde neben dem Verzicht bereits etwas von der Verheißung greifbar sein, auf die es abzielt. Die Ordensgelübde seien irritierend, aber zugleich stets Anstoß zum Aufbruch. Sie wollten lebendige Erinnerung an die Lebens- und Handlungsweise Jesu sein und seien ein Aufruf, seinen Spuren zu folgen.
Der damit verbundene Verzichtsgedanke sei, so Bruder Stefan, in der aktuellen Post-Wachstumsgesellschaft durchaus anschlussfähig. Verzicht sei offenbar in bestimmten Situationen sinnvoll und nötig, um etwas nicht zu zerstören, sondern am Leben zu erhalten.
Hingabe und Gehorsam dürfen keine Unterdrückung sein
Die Franziskanerin Schwester Dr. Margareta Gruber reflektierte über den Begriff der „Hingabe“ in der Dynamik der Ordensgelübde. Sie zeigte auf, wo dieser Begriff in den aktuellen Debatten kritisch hinterfragt und auch mit Unterdrückung und Machtmissbrauch in Verbindung gebracht wird. In Fehlentwicklungen habe der Begriff der Hingabe dann der Unterdrückung von Frauen gedient. Die christliche Mystik zeige die Frau jedoch keineswegs als passives, sich hingebendes Wesen ohne eigenes Verlangen. Vielmehr sei Hingabe und die damit verbundene Lebensform als ein aktives „Sich-Überlassen“ zu deuten. Es sei ein Zeichen für die dienende Liebe untereinander und auch nach außen. Gehorsam sei dabei weniger als individueller asketischer Akt zu verstehen, sondern als „gemeinsame Entscheidung für ein Leben und einen Einsatz für andere“. In ihm und der damit verbundenen Hingabe konkretisiere sich ein größerer Gehorsam sich selbst, seinem Nächsten und auch der Welt und der Erde gegenüber. Auf diesem Weg werde auch das Gegenüber neu entdeckt. Der franziskanische Sonnengesang könne hier eine Leitlinie sein. Prof. Dr. Margareta Gruber OSF leitet den Lehrstuhl für Neutestamentliche Exegese und Biblische Theologie an der Vinzenz Pallotti University in Vallendar, eines ihrer Spezialgebiete ist das Evangelium nach Johannes.
Spirituelle Autonomie muss gestärkt und erlernt werden
In Workshops beschäftigte sich die Versammlung mit Möglichkeiten, Ordensregeln und Gelübde „ins Heute“ zu übersetzen und diese in unterschiedlichen Lebenskonstellationen zu leben. Hervorgehoben wurde die Notwendigkeit, die Mitglieder der Gemeinschaften aktiv in diese Erörterungen einzubinden und für die Vielfalt der Möglichkeiten, die Ordensgelübde zu leben, zu sensibilisieren. In unterschiedlichen Kulturen und Lebensaltern, ja von Person zu Person würden die Gelübde je unterschiedlich verstanden und gelebt. So seien etwa der Ordensgehorsam und eigenverantwortliches Handeln quasi zwei kommunizierende Röhren, die zusammengingen. Allerdings sei hier der Gefahr des Missbrauchs geistlicher Autorität zu wehren – spirituelle Autonomie müsse gestärkt und gegebenenfalls erlernt werden. Auch hier gelte es, Vielfalt und verschiedene Kulturen zuzulassen ohne die eigenen Traditionen und die Spiritualität der jeweiligen Gemeinschaft aus dem Blick zu verlieren.


Bischof Gerber: Hinterfragbar sein und Sehnsucht nach Neuaufbruch bewahren
In Vallendar zu Gast war auch Bischof Dr. Michael Gerber aus Fulda, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz und Vorsitzender der Kommission für geistliche Berufe und Kirchliche Dienste. Die aktuelle Situation von Kirche und Ordensleben bezeichnete er im Gespräch mit den Ordensfrauen und -männern als von „Infragestellung“ geprägt. In dieser Situation gelte es, sich radikal die Frage zu stellen, was „das Jetzt unserer Berufung“ sei; je einzeln, aber auch gemeinsam. Dieses „Jetzt“ bedeute, nicht bei eigenen Vorstellungen anzusetzen, sondern bei der vorgefundenen Situation. Es gelte, sich die Sehnsucht nach dem Neuaufbruch und die „Wachheit für Aufbrüche“ zu bewahren.
„Wir freuen uns, dass Sie die Aufgabe des Brückenbauens betont haben und den Weg der Synodalität, den der verstorbene Papst Franziskus gebahnt hat, fortsetzen. Die Tradition und die synodale Praxis in den Ordensgemeinschaften bieten, so sind wir überzeugt, Modelle für die Weltkirche.“
Oberinnen und Obere fühlen sich mit dem Augustiner Papst Leo besonders verbunden
Die in Vallendar versammelten Oberinnen und Oberen nutzten die Gelegenheit ihres Zusammenkommens, um Papst Leo XIV. ihre Glückwünsche zu seiner Wahl zu übermitteln. Mit ihm als langjährigem Generalprior des Augustinerordens fühlen sie sich besonders verbunden. DOK-Vorsitzender Bruder Andreas und die stellvertretende Vorsitzende, Schwester Maria Thoma Dikow stellten fest: „Wir freuen uns, dass Sie die Aufgabe des Brückenbauens betont haben und den Weg der Synodalität, den der verstorbene Papst Franziskus gebahnt hat, fortsetzen. Die Tradition und die synodale Praxis in den Ordensgemeinschaften bieten, so sind wir überzeugt, Modelle für die Weltkirche.“ Sie boten an, eigene synodale Erfahrungen aus Deutschland in den Diskurs der Kirche einzubringen und erklärten ihre Bereitschaft, selbst von den Erfahrungen anderer zu lernen. Mit Bezug zum Studientag zum Thema Ordensgelübde erklärten sie ihren Willen, darauf hinwirken zu wollen, dass „die lebenslange Bindung und das Lebenszeugnis der Ordensfrauen und Ordensmänner auch heute, in einer Situation rasanter Veränderung und gesellschaftlicher Säkularisierung, Strahlkraft nach innen und außen entwickeln“ könne. Dieses Versprechen sei unverzichtbarer Teil der Sendung der Kirche.



Quelle: Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK)
Bilder: Arnulf Salmen / Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK)
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