Priester können das Geheimnis Gottes aufschließen

Man braucht ein Gespür für die Mitmenschen und muss auf sie zugehen

Als Vinzenz Pallotti 1818 zum Priester geweiht wurde, geschah das auf das väterliche Erbe. Das ist ein Modell, das es heute gar nicht mehr gibt. Das Erbe seines Vaters sollte für seinen Lebensunterhalt sorgen, nicht der Bischof. Es gab damals genügend Priester, sodass der Bischof Pallotti als Priester überhaupt nicht gebraucht hätte. Vinzenz Pallotti musste sich seine Aufgaben und Tätigkeiten als Priester selber suchen. Das dürfte Pallotti aus zwei Gründen nicht schwer gefallen sein, denn zum einen wollte Don Vincenco, wie die Leute ihn nannten, nah bei den Menschen und zwar bei allen Menschen sein und zum anderen gab es einige Priester, die den Dienst der Seelsorge nicht so ernst nahmen und sich lieber ein schönes Leben machten, als zu arbeiten. Pallottis Seelsorge bestand darin, auf den Straßen Roms unterwegs zu sein und nicht zu warten, bis irgendjemand zu ihm kam. Er war ansprechbar für die Menschen und hatte ein offenes Auge. Damals bestand die Seelsorge im Wesentlichen darin, die Hl. Messe zu feiern oder Beichte zu hören. Das tat Pallotti mit großer Leidenschaft und Hingabe. Deshalb kann zurecht gesagt werden, dass er ein großer und guter Priester, im wahrsten Sinn des Wortes Seelsorger war.

„O Priester wer bist du?“
Vinzenz Pallotti bewahrte auf einem Zettel einige Zeilen über den Priester auf, die dem Hl. Ephräm zugeschrieben werden. Der Text beginnt mit der Frage „O Priester wer bist du?“. Diese Frage dürfte sich der Heilige immer wieder gestellt haben. Diese Frage ist meiner Meinung nach immer noch sehr aktuell. Sie ist nicht mit der Priesterweihe beantwortet, sondern muss immer wieder in die neuen Situationen des Lebens gestellt und dann auch beantwortet werden. Wenn wir uns also heute der Frage nähern „Priester wer bist du?“, werden wir zu einer ganz anderen Antwort kommen, als es Pallotti damals tat. Schon die äußeren Bedingungen sind ganz andere, als vor 200 Jahren. Die Kirche oder besser gesagt der Glaube, spielt heute – zumindest in Deutschland und dem westlichen Europa keine große Rolle mehr. Wir sind nur ein Anbieter auf dem „Markt der Möglichkeiten“. Natürlich bröckelte auch zu Zeiten Pallottis die Kirchlichkeit im Zuge der Revolution weg. War Pallotti zeitweise doch auch Verfolgter. Aber heute muss doch gegenüber dem Glauben eine gewisse Resignation im Gesamt festgestellt werden. Zweifellos sind die Menschen auf der Suche. Aber nach was? Und ist unsere christliche Botschaft zugänglich und verständlich? Hier setzt für mich das Priesterbild im Jahr 2018 an. Der Priester kann nicht, wie zur Zeiten Pallottis Hl. Messen „anbieten“ und das Beichtgespräch und dann kommen die Leute. Das funktioniert heute nicht mehr.

Ansprechbar und ansprechend sein
Der Priester heute muss – im Grunde wie vor 200 Jahren und zu jeder Zeit zunächst ein offenes Auge für die Welt haben. Der Priester lebt in der Welt mit den Menschen und nicht irgendwo entrückt in seiner Wohlfühloase. Der Priester muss ansprechbar sein und ansprechend. Er muss Empathie zeigen können. Meiner Meinung nach, ist der Priester zunächst bei den Menschen mit allen Freuden und dem Leid und nicht am Schreibtisch, um Manager zu sein und Kalkulationen und Pläne zu machen. Der Priester im Jahr 2018 ist Netzwerker. Das setzt voraus, dass er Menschen kennt und zusammenbringt. Der Priester ermöglicht Begegnungsräume unter den Menschen. Aber nicht nur das. Der Priester ist nicht Sozialarbeiter. Er hat auch die Aufgabe den Menschen zu helfen das Geheimnis Gottes aufzuschließen. Zu nichts anderem studiert der Priester Theologie und Philosophie, als Gott selber etwas mehr auf die Spur zu kommen und den Menschen von diesem Gott zu erzählen. Der Priester ist nicht der Entscheider über würdig oder unwürdig gelebtes Christsein (wenn es das überhaupt gibt).

In die Beziehung zu Gott helfen
Die priesterliche Berufung ist kein Selbstzweck. Vielmehr ist es eine Berufung, um andere Berufungen aufzuspüren und freizulegen. Die heutigen Priester müssen mehr Eli sein. In 1 Samuel 3 lesen wir, wie Eli mit dem jungen Samuel im Tempel ist. Gott spricht Samuel an, aber er erkennt ihn nicht. Nach einigen Anläufen versteht Eli, dass Samuel von Gott gerufen wird. Er erklärt Samuel, wie er sich nach Gottes Anrede verhalten soll. Samuel wird ein großer Prophet. Aber nur weil Eli ihm in die Beziehung zu Gott geholfen hat. Und das ist meiner Ansicht nach wichtige Aufgabe der Priester: In die Beziehung zu Gott zu helfen. Und das bedeutet nicht, dass der Priester nur andere Priesterberufungen erkennen soll. Es geht bei Berufung um das, was das Wort eigentlich meint, nämlich, dass alle Menschen von Gott zu ihrem Leben gerufen und mit Fähigkeiten ausgestattet sind. Berufung zu erkennen, heißt, wofür kann ich mein Leben einsetzen und was für Fähigkeiten habe ich, die ich dafür gebrauchen und auch anderen zur Verfügung stellen kann. Der Priester sollte heute mehr denn je so etwas wie eine Hebamme sein. Er sollte Menschen leben helfen.

Die frohe Botschaft übersetzen
Als Priesterkandidat setze ich mich immer wieder mit der Frage auseinander wer und wie ich als Priester sein möchte. Natürlich beschäftigt mich auch die Frage, was ich im seelsorglichen Bereich konkret tun soll. Dabei ist mir wichtig geworden, dass es wohl auch priesterliche Aufgabe ist, die Schere zwischen Kirche/Glaube und Welt nicht zu weit auseinandergehen zu lassen. Gemeint ist, dass der Priester im Besonderen die Aufgabe hat, das Evangelium, die Frohe Botschaft von der unendlichen Liebe Gottes zu allen Menschen immer wieder in die aktuelle Situation der Welt und der Menschen zu übersetzen. Das geschieht nicht nur in der Verkündigung des Wortes, sondern auch durch die Verkündigung in der Tat. Sehr interessant finde ich das pastorale Angebot in der CityPastoral, in dem selbstverständlich nicht nur Priester tätig sind und sein können. Aber gerade in diesem Arbeitsfeld ist es notwendig, die Welt um uns herum nicht aus dem Blick zu verlieren und ein Gespür für die Menschen zu haben und aktiv auf sie zuzugehen. Dazu gehört auch in Lebensbereiche hineinzugehen, die im pastoralen Kontext vielleicht noch nicht im Blick sind oder sogar abwegig und ungeeignet erscheinen und Glauben mit unkonventionellen Mitteln zu verkünden. Dazu zählt auch, weltliche Dinge mit Glaubensinhalten zu verbinden.

Eine tiefe Verankerung in Christus haben
Das klingt nach einer ganzen Palette von Anforderungen und Voraussetzungen, die wohl niemand erfüllen kann. Aber zum Priester heute gehört und das möchte ich am Schluss nennen, als Höhepunkt sozusagen, das eigene geistliche Leben, die eigene Christusbeziehung. Der Priester heute muss vielleicht mehr als zuvor eine tiefe Spiritualität im Sinne einer tiefen Verankerung in Christus haben. Sie muss nicht in äußerem Frömmigkeitsgetue Ausdruck finden. Vielmehr ermöglicht diese Christusbeziehung die Menschen wirklich zu sehen und das zu tun, was dran ist. Der Priester kann durch diese Beziehung von Christus lernen, was es heißt bei den Menschen zu sein und ihnen von Gott zu erzählen. Das Priesterbild von heute muss sich an Christus orientieren. Diese Orientierung an Christus kann, bei aller Begrenztheit des Menschen, den Priester zu einem guten Seelsorger werden lassen.

Der Autor: Frater Marcus Grabisch SAC ist zeitlicher Professe und Priesterkandidat für die Pallottiner. Er stammt aus Ribnitz-Damgarten und arbeitet derzeit als Pastoralpraktikant in der Pfarrei St. Jakob in Friedberg bei Augsburg.

Priesterweihe Vinzenz Pallottis

Themenreihe: „Von 1818 bis 2118 - Priesterbild im Wandel?“

Am 16.05.2018 jährt sich die Priesterweihe des heiligen Vinzenz Pallotti. Vinzenz Pallotti lebte in einer Zeit massiver gesellschaftlicher Veränderungen und Herausforderungen und war leidenschaftlich Priester.
Zu Vinzenz Pallottis 200. Priesterjubiläum haben wir nachgefragt: Wie hat sich das Priesterbild seit 1818 gewandelt? Wie vielfältig stellt es sich heute dar? Gibt es unterschiedliche Blickwinkel? Wie geht es den Priestern, wie den Laien? Welche Perspektiven zeigen sich am Horizont? Wie wird sich das Priestertum in den kommenden einhundert Jahren möglicherweise verändern?

Vielen Dank an alle, die ihre Gedanken mit uns teilen!

Bicentenario dell'Ordinazione di S. Vincenzo Pallotti

1818 - 2018: Bicentenario dell'Ordinazione di S. Vincenzo Pallotti

Neben unserer Themenreihe gibt es in verschiedenen Teilen der Welt ganz unterschiedliche Initiativen zum „Bicentenario dell’Ordinazione di S. Vincenzo Pallotti“. Unser Generalat in Rom hat hierfür eine eigene Webseite gestaltet: https://sac.info/bicentenario/

Wer sich zu diesem Thema zu Wort melden möchte, kann das – wie immer – in unserem facebook Auftritt tun. Herzliche Einladung!

Alle Beiträge aus dieser Serie

Ein Beitrag zur Themenreihe: "1818-2118 - Priesterbild im Wandel?" von Frau Annamaria Stahl
Ein Beitrag zur Themenreihe: "1818-2118 - Priesterbild im Wandel?" von Prof. Paul M. Zulehner
Ein Beitrag zur Themenreihe: „1818-2118 – Priesterbild im Wandel?“ von Pater Ignacio Chiphiko
Ein Beitrag zur Themenreihe:
"1818-2118 - Priesterbild im Wandel?"
von Pater Hans-Joachim Winkens
Ein Beitrag zur Themenreihe:
"1818-2118 - Priesterbild im Wandel?"
von Frau Andrea Schmid
Ein Beitrag zur Themenreihe:
"1818-2118 - Priesterbild im Wandel?"
von Pater Prof. Paul Rheinbay
Ein Beitrag zur Themenreihe:
"1818-2118 - Priesterbild im Wandel?"
von Pater Siegfried Modenbach

Das könnte Sie auch interessieren

Mitreden, Mitmachen, Mithelfen!

In Kontakt bleiben. Kostenlos 12 x pro Jahr!

Liken, kommentieren, abonnieren

Herzliche Einladung: Reden Sie mit!

Öffnen Sie sich Räume

Gemeinsam die Welt verändern!

Print Friendly, PDF & Email