Laien: siehe Clerus
Priesterbild im Wandel - eine Revolution hat begonnen
Als Vinzenz Pallotti vor 200 Jahren 1818 geweiht wurde, war das „Priesterbild“ in der Kirche, aber auch in den Europäischen Kulturen, klar. In der nachreformatorischen Zeit brauchte niemand zu entscheiden, ob er zu einer Kirche gehören wollte. Katholisch oder protestantisch zu sein war „Schicksal, nicht Wahl“ (Peter L. Berger) Die Herrschenden sorgten dafür, dass sich die Kirchenmitglieder am Leben ihrer Pfarre beteiligen, am Sonntag zur Kirche und zur österlichen Zeit zur Beichte gehen. Diese wurde mit einem Beichtzettel bestätigt, der in Wien den Hausmeistern zugestellt werden musste. Die Priester waren Verwalter der Sakramente und mussten die Moral der Leute sichern, näher hin das Zahlen der Steuern oder den Gehorsam gegenüber den Fürsten. Die Frauen mussten treu sein, mehr als die Männer, die Kinder waren ihren Eltern und Lehrern untertan. Der Priester war ein Teil dieses obrigkeitlichen Systems der Gesellschaft. Er war – in Österreich zumindest – „Religionsdiener“ des absolutistischen Staates. Das Fach Pastoraltheologie hatte Maria Theresia 1774 für die Ausbildung ihrer „Religionsdiener“ eingerichtet.
Priester als „Charismenschwamm“
Vereinnahmt wurde durch den Staat ein Priester, der seit der Frühzeit der Kirche im Lauf der Jahrhunderte auch schon eine krasse Entwicklung durchgemacht hatte. Ganz anders noch als in den Paulinischen Gemeinden in Korinth (1 Kor 7) oder in Rom (Röm 12). Dort haben viele „geistliche“ Mitglieder mit vielfältigen Charismen das gemeindliche Leben getragen, und nur einer war darunter unter „ferner liefen“, der sie „leitet“. So war im Lauf des raschen Wachstums der Kirche in der Konstantinischen Ära die Kirche zur Priesterkirche geworden. Der Priester wurde so etwas wie ein „Charismenschwamm“. Er saugte alle Begabungen auf, suchte sich höchsten dafür „Mitarbeitende“, die aber seine, und weniger Gottes unmittelbare Mitarbeitende, waren. Zudem waren nur noch die Priester „Geistliche“, die anderen (ungeistliche) Laien. Diese rächten sich sanft, indem sie ihrerseits von „Priestern und Gläubigen“ sprachen.
Das ist in etwa die Ausgangslage für Vinzenz Pallotti, der sich von diesem Priesterbild und noch mehr dem damit verbundenen Laienbild abzusetzen versuchte. Das war auch dringend nötig. Denn im Lexikon für Theologie und Kirche von 1854 stand unter „Laien“ zu lesen: „siehe Clerus“. Vinzenz Pallotti war irgendwie ein Vorläufer des Zweiten Vatikanischen Konzils und der dort durchgeführten Neubestimmung der Kirche und in ihr der vielen Aufgaben, Dienste und Ämter. Die Laien wurden in ihre ursprüngliche Würde und Berufung gesetzt. Das veränderte das Priesterbild nachhaltig.
Zweites Vatikanisches Konzil
Nun ist zwischen einem Konzilsdokument und der realen Entwicklung ein erwartbarer Unterschied wahrzunehmen. Es gibt daher inzwischen eine reiche Vielfalt an Priester- und Laienbildern, je nach Bereitschaft zum Lernen und Verändern. Manche Laien sind nach wie vor untertänig, priesterzentriert. Es gibt Klerikalismus in den Köpfen mancher Laien. Umgekehrt sind manche Priester vorvatikanische Kleriker, manche vermuten, dass unter den jungen Priestern deren Zahl wieder zunimmt. Aber die Entwicklung lässt sich nicht aufhalten. Die Priester sind – wie der Bischof – in erster Linie dafür geweiht, also auch dafür „haftbar“, dass die anvertraute Ortkirche oder Pfarre in der Spur des Evangeliums bleibt. Darum wird dem Bischof bei der Weihe das Evangelium aufs Haupt gelegt. Schaut man einmal – von der Herausforderung durch schutzsuchende Menschen her – bei Matthäus 25 nach (ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen), dann zeigt sich schnell, dass dieser prophetische Dienst von Priestern bei manchen
Pfarrmitgliedern nicht so einfach akzeptiert wird.
Priestermangel als Entwicklungsanstoß
Aber nicht nur die Reformen des Konzils prägen die derzeitige Entwicklung der Bilder von Kirche, Priestern und Laien. Auch der Mangel an Priestern spielt neuestens stark mit. Weil es einen dramatischen Priestermangel gibt, werden derzeit die Verantwortungsräume für die wenigen und immer älteren Priester bis ins Unzumutbare erweitert. Der Großteil der arbeitsfähigen Priester mutiert zu Pastoralmanagern. Das, wofür sie Priester geworden sind, tritt immer mehr in den Hintergrund. Dazu zählt die Begegnung mit Menschen auf deren Lebensweg. Priester haben keine Zeit mehr für „spirituelle Kommunikation“, zu der übrigens zwei Drittel der ausländischen Priester laut einer Studie der Deutschen Bischofskonferenz nicht in der Lage sind. Genau diese spirituelle Kommunikation suchen aber die Menschen in der Kirche.
Es gibt dennoch Hoffnungszeichen. Denn nicht wenige – ich zähle mich auch dazu – meinen, es reiche in der Zeit des Endes der Konstantinischen Ära nicht aus, lediglich „im Rahmen“ Reformen durchzuführen. Es sei inzwischen unübersehbar klar, dass es erforderlich sei, „den Rahmen“ zu reformieren. Papst Franziskus scheint dazu entschlossen zu sein, die Kirche auf einen neuen Reformweg zu bringen. Er hört auf, die Lösung „weltkirchlich“ zu erwarten. Der panische Uniformismus hat die Kirche in den letzten beiden Pontifikaten gelähmt.
Amazonassynode 2019
Jetzt forderte der Papst die Bischöfe des Amazonasgebiets auf, ihm „mutige Vorschläge“ zu machen. Dom Erwin Kräutler, emeritierter Bischof von Xingu, erzählte dieser Tage in einem Interview in der ARD (Kirche ohne Priester? nachzuhören auf www.zulehner.org ), dass dieser mutige Vorschlag in Ausarbeitung sei. Auch sickerte schon etwas vom Inhalt durch: Die Amazonasbischöfe möchten 2019 beschließen, verheiratete und nebenberuflich ausgebildete Katechisten zu Priestern zu weihen. Sie werden dazu auf die schon vorhandenen „gemeindeerfahrenen“ Personen zurückgreifen können.
Ältestenteams
Vielleicht folgen sie Fritz Lobinger, emeritierter Bischof von North-Aliwal in Südafrika, der schon seit Jahren den Vorschlag macht, drei solche gemeindeerfahrene Personen von der Gemeinde wählen zu lassen, nebenberuflich auszubilden und in ein „Team of Elders“ (Ältestenteam) zu weihen. Auf diese Weise würde es zu einer nachhaltigen Anreicherung des katholischen Priesterbildes kommen. Es gäbe dann zwei Arten von Priestern: die akademisch ausgebildeten ehelosen Priester, daneben die auf einer Art „dritten Bildungsweg“ vorbereiteten verheirateten Priester(teams). Die akademisch ausgebildeten ehelosen Priester würden (familienfrei) hauptberuflich arbeiten, die Mitglieder der neuen Teams nebenberuflich – wie heute schon manche Diakone. Hauptberufliche Priester könnten eine Handvoll von neuen Priesterteams begleiten und ihnen pastorale Supervision geben. Gegen diesen Schritt nach vorn gibt es keinerlei theologische Argumente, wie Peter Neuner und ich mit Bischof Lobinger schon vor Jahren publiziert haben.
Frauenordination
Freilich, auch dieser Schritt wird nur ein erster sein. Bischof Lobinger und ich reden bei diesen Priestern neuer Art nicht von „viri probati“ (gemeindeerfahrene Männer), sondern von „personae probatae“ (gemeindeerfahrene Personen). Damit wird unsere feste Überzeugung ausgedrückt, dass in Zukunft auch die römisch-katholische Kirche nicht mehr an der Ordination von Frauen vorbeikommt.
Längst ist in aller Fachwelt klar, dass es gegen die Frauenordination keine biblischen und theologischen Gründe gibt. Die oft beschworenen „Hindernisse“ sind kultureller und damit mythischer Art. Im manchen Kulturen wird die Gottheit als männlich-lebensspendend (phallisch) dargestellt. Die Menschheit hingegen empfängt das Leben (wie auch die Kirche, und in ihr übrigens auch die Männer). Das Symbol für das Empfangen ist weiblich, der weibliche Schoß. Für ihn steht aber die Kirche selbst. Löst man die Geschlechterbilder (endlich) von Gott ab, dann kann man füglich sagen, dass Männer wie Frauen zur empfänglichen Kirche gehören, und das schon vor einer Ausbildung von Ämtern und Diensten in der Kirche. Dann stehen aber auch, fallen die heidnischen Archetypen weg, alle kirchlichen Dienste und Ämter Frauen wie Männern gleichermaßen offen. Die Frage ist also nicht, ob das Priesteramt männlich ist, sondern ob die Kirche selbst schon mann-weiblich ist und auf diese Weise „einer in Christus“ (Gal 3,28). Ist das einmal anerkannt, dann ist auch einsichtig, dass die Ämter in der Kirche mann-weiblich, genauer geschlechtsunabhängig zu gestalten sind.
Es besteht kein Zweifel, dass die derzeitige römisch-katholische Lösung, Frauen vom Amt auszuschließen, einer theologischen Argumentation nicht mehr standhält. Wenn manche Vertreter der Kirche (unter diesen war auch Papst Johannes Paul II.) dennoch meinen, „die Kirche habe keine Vollmacht“, Frauen zu ordinieren, dann dient dieses Argument lediglich dem Festhalten einer diskriminierenden Männerdominanz in der Kirche. Es ist bitter und für Frauen heute nicht mehr hinnehmbar, dass aus der Ordination von Männern eine Subordination von Frauen (und im Übrigen auch vieler Männer, die „Laien“ sind) wird. Frauen (so in der Osnabrücker Erklärung, federführend Margit Eckholt) lassen sich durch schlechte Theologie nicht mehr vertrösten. Sie verlangen daher auch nicht mehr die „gnädige“ Zulassung zur Ordination (scheibchenweise zuerst das Diakonat, dann in Jahrhunderten vielleicht Priesteramt, Bischofsamt, Papstamt), sondern erwarten, dass die Amtsinhaber in der Kirche erklären, warum sie den – den Frauen zustehenden – Zutritt heute immer noch verweigern.
Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel
Im Rahmen der Aktion „ProPopeFrancis“ haben sich viele Teilnehmende aus aller Welt sich zur längst fälligen Ordination von Frauen geäußert. Sie sehen im derzeitigen Zustand eine schwere Wunde der Kirche, ein Unrecht gegenüber Frauen, eine Anmaßung von Männern, die theologisch nicht mehr begründet werden kann und für die lediglich ein fadenscheiniges Traditionsargument vorgebracht wird. Wie schwach die Position eines Teils der (männlichen) Kirchenführung ist, kann daran erkannt werden, dass „Mann“ meinte, die Diskussion durch ein Redeverbot beenden zu können.
Sollten gar jene recht haben, dass die Kirche ein massives Glaubwürdigkeitsproblem hat, solange die Frage der Frauenordination und damit der Beteiligung an den maßgeblichen Entscheidungen in der römisch-katholischen Kirche nicht positiv gelöst ist? Ich fürchte, dass die Frist für eine frauenfreundliche Lösung rascher als uns lieb ist abläuft. Lange Zeit hat die Kirche angesichts des belegbaren Auszugs zumal junger Frauen, also einer fatalen „Entfeminisierung“ der Kirche, (Anna Findl-Ludescher), nicht mehr.
Der Autor: Paul M. Zulehner wurde in Döbling (Wien) geboren, er ist katholischer Priester und emeritierter Universitätsprofessor und lebt und arbeitet in Wien. Prof. Zulehner gehört zur Pallottiner-Pfarre St. Hubertus im Wiener 13. Bezirk.
Themenreihe: „Von 1818 bis 2118 - Priesterbild im Wandel?“
Am 16.05.2018 jährt sich die Priesterweihe des heiligen Vinzenz Pallotti. Vinzenz Pallotti lebte in einer Zeit massiver gesellschaftlicher Veränderungen und Herausforderungen und war leidenschaftlich Priester.
Zu Vinzenz Pallottis 200. Priesterjubiläum haben wir nachgefragt: Wie hat sich das Priesterbild seit 1818 gewandelt? Wie vielfältig stellt es sich heute dar? Gibt es unterschiedliche Blickwinkel? Wie geht es den Priestern, wie den Laien? Welche Perspektiven zeigen sich am Horizont? Wie wird sich das Priestertum in den kommenden einhundert Jahren möglicherweise verändern?
Vielen Dank an alle, die ihre Gedanken mit uns teilen!
1818 - 2018: Bicentenario dell'Ordinazione di S. Vincenzo Pallotti
Neben unserer Themenreihe gibt es in verschiedenen Teilen der Welt ganz unterschiedliche Initiativen zum „Bicentenario dell’Ordinazione di S. Vincenzo Pallotti“. Unser Generalat in Rom hat hierfür eine eigene Webseite gestaltet: https://sac.info/bicentenario/
Wer sich zu diesem Thema zu Wort melden möchte, kann das – wie immer – in unserem facebook Auftritt tun. Herzliche Einladung!
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