Der Benediktweg
Im Herzen Oberbayerns - von Altötting zum Chiemsee
Der verstorben Papst Benedikt XVI. ist auf eine besondere Art und Weise mit Oberbayern verbunden. Der 250 Kilometer lange Benediktweg führt auf seine Spuren, er beginnt in Altötting.
Eine Frau geht mit gefalteten Händen über den Kapellplatz. Sie spricht leise ein Gebet, in portugiesischer Sprache wendet sie sich an die Mutter Gottes. Von weit her ist sie gekommen, aus dem fernen Brasilien, um einmal die „Schwarze Madonna“ von Altötting zu sehen. Sie öffnet die Tür zur Gnadenkapelle und hält vor jener Figur aus Lindenholz inne, die seit über 500 Jahren die Gläubigen aus nah und fern nach Oberbayern aufbrechen lässt.
Andächtiges Schweigen erfüllt den kleinen Kirchenraum. Die hohen Wände sind gold- und silberverziert, in einer matt beleuchteten Nische ruhen die Herzen der bayerischen Kurfürsten und Könige. Auch Ludwig II, der legendäre Märchenkönig ist darunter. Am 19. Juni 1886 wurde er in München bestattet und sein Herz zwei Wochen später in der Gnadenkapelle in Altötting beigesetzt. Der Kerzenruß hat die 70 Zentimeter große Muttergottes immer dunkler werden lassen, bis sie am Ende nur noch „Schwarze Madonna“ hieß: ein Gnadenbild, das Wunder wirkt, zum ersten Mal 1489, als sie einen ertrunkenen Buben wieder zum Leben erweckt haben soll.
Mehr als 2000 Votivtafeln bedecken die Außenwand der Gnadenkapelle. Kleine Dankesbildchen, die zeigen, wie Maria in schwieriger Lage geholfen hat: Als das erste Kind geboren wurde, die Ehefrau schwer erkrankt war, der Bauer mit dem Traktor verunglückte. Das Älteste stammt von 1501, das Jüngste ist erst ein paar Tage alt.
„Grüß Gott.“ Bruder Vinzenz hat es eilig. Er muss in seiner Kirche St. Anna die nächste Wallfahrtsmesse vorbereiten. Bis zu 9000 Menschen passen in die unweit der Gnadenkapelle gelegene Basilika, die der Papst direkt unter seinen Schutz gestellt hat. Zwei Päpste waren hier schon zu Gast: Johannes Paul II. im Jahre 1980 und Benedikt XVI. im Jahre 2006.
Mit Benedikt XVI., dem inzwischen verstorbenem deutschen Papst, waren die Oberbayern auf eine ganz besondere Art und Weise verbunden. Er ist ein Kind des Landes, hier geboren und aufgewachsen. In Oberbayern wurde der Papst unter dem Namen Joseph Ratzinger zum Priester geweiht, unzählige Male war er in seiner Kindheit als Wallfahrer in Altötting. An der Papst-Linde beginnt der 250 Kilometer lange Weg auf seinen Spuren.
Seine erste Station ist das 15 Kilometer entfernte Marktl. Am Ufer des grünen Inn liegt der Geburtsort Joseph Ratzingers. Die Dorfkirche spiegelt sich im Wasser, ihre schneeweiße Spitze überragt die Häuser hinter dem Uferdamm um Längen. In Marktl wurde Benedikt als Sohn eines Dorfpolizisten geboren und an Ostern 1927 getauft.
Messgewand von Benedikt XVI. ist ein Prunkstück
Als er fast 80 Jahre später zurückkehrte, vermachte er der Gemeinde ein reich verziertes päpstliches Messgewand. Es gehört heute zu den Prunkstücken der Ausstellung im Geburtshaus. Im Geburtshaus am Marktplatz 11 ist seit 2006 ein sehenswertes Papstmuseum untergebracht. Immer wieder zeigt es auch Sonderausstellungen, noch bis 3. Oktober 2024 ist die Schau „Aus dem Nachlass von Papst Benedikt XVI.“ zu sehen.
Vorbei an Wäldern und Feldern geht der Benediktweg weiter nach Süden. Am Wegesrande bimmeln Kuhglocken, liegen saftig grüne Weiden neben kleinen Wäldchen und großen Bauernhöfen. Manchmal steht ein Kapellchen mitten auf der Wiese, Ausdruck der tiefen Traditionalität und Frömmigkeit, die das Leben auf dem Land noch immer bestimmt.
Am linken Wegesrand erscheint Burghausen. Die Zinnen und Türmchen der längsten Burganlage Europas bekrönen einen Bergkamm. Auf dem Weg liegt auch Tittmoning, wo die Familie 1929 hinzog. Er sollte es später einmal als das „Traumland meiner Kindheit“ bezeichnen. Schließlich folgte 1932 Traunstein, wo er das Gros seiner Kindheit und Ministrantenjahre verbrachte.
Hier streift man den äußersten Osten Oberbayerns, über dem Fluss Salzach beginnt bereits Österreich. Im Süden bilden die Alpen die Grenze, im Norden die Donau und im Westen der Lech: Oberbayern ist eine Landschaft voller Höhen und Tiefen, Seen und Moore, Dörfer und Dorfkirchen.
Manche sind so spitz wie die in Marktl. Andere zwiebelförmig wie das gelbe Gotteshaus in Breitbrunn. Wieder andere eine Wucht wie St. Maria Himmelfahrt auf dem Marienberg: In der Aufklärung sollte sie schon abgerissen werden, heute ist die große runde Rokokokirche Ziel einer der vielen regionalen Wallfahrten, die es in Oberbayern gibt. Der Treppenaufgang hat die Form eines Rosenkranzes, auf dem Friedhof um die Kirche ruhen altbayerische Familien, die Wolfgrub, Aigner, Obermayer oder Heimpoldinger heißen.
Irgendwann ist der Benediktweg am Chiemsee angekommen. Hier endet der interessanteste Teil der Strecke. Dutzende von Segelbooten schwimmen auf seiner Oberfläche und ab und zu ein kleiner Ausflugsdampfer, der die Gäste auf die Herren- oder Fraueninsel bringt. Auf der Fraueninsel gibt es ein noch aktives Benediktinerinnenkloster. Wenn die Tagesgäste verschwunden sind und die Insel am Abend wieder ruhig wird, ist es fast ein wenig wie früher. Ein herrlicher Abschluss für eine Reise auf den Spuren Benedikts XVI., dem Papst aus Oberbayern.
Text: Andreas Steidel
Fotos: Andreas Steidel (Altötting); Erika (Unterwegs auf Pilgerwegen, KI) by Adobe Stock.
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