Richard Henkes im KZ in Dachau

Das ist Mord an Wehrlosen

Wir gedenken dem Vorbild von Pater Richard Henkes

Seit 2019 gilt Pater Richard Henkes als Seliger und kann von Gläubigen als Vorbild im Glauben verehrt werden. Am 21. Februar ist sein Gedenktag – Kinder, die nach ihm benannt sind, haben an diesem Tag Namenstag. Am 22. Februar 1945 war sein Todestag, er starb im bayerischen Konzentrationslager in Dachau.

Die Idee, politische oder weltanschauliche Gegner in Straflager zu schicken, gibt es auch heute noch. Damals, wie heute, kommt dieses Verhalten von Menschen mit einer menschenverachtenden Ideologie, die in einer Gesellschaft zu Macht gekommen sind. Faschisten wie Hitler, Franko oder Mussolini, konnten ihre perverse Menschenfeindlichkeit ausleben. Heute sind es Staaten wie Nordkorea, Russland, Belarus, Iran, China, … die sich Kritikerinnen, ethnische oder religiöse Minderheiten und Andersdenkende vom Leib halten wollen. Viele Menschen sterben in Haft, wie unlängst der russische Regimekritiker Alexej Nawalny oder die Kurdin Jina Mahsa Amini.

Populisten, Autokraten und Faschisten geben vor, für die Mehrheit des Volkes zu sprechen. Sie versuchen im Vorfeld der Machtergreifung, damals wie heute, die Sprache und das Denken der Mehrheit zu vernebeln.

Die Nazis wollten während des Zweiten Weltkrieges die Branitzer Anstalten mit etwa 2000 Bewohnerinnen und Bewohnern auflösen. Die Kranken sollten getötet werden. Die nationalsozialistische Propaganda bereitete dies durch Faltblätter in den Schulen vor, die von den Lehrerinnen und Lehrern als Unterrichtsstoff behandelt werden mussten. Behinderte wurden als „Schädlinge am Volksvermögen“ bezeichnet, weil sie „essen und keine Leistung erbringen“. Die Faltblätter suggerierten, dass dieses „unwerte Leben“ „ausgemerzt“ werden müsse, „wie es bei Pflanzen und Tieren ja auch geschehe“.

Wir gedenken dem Vorbild unseres Mitbruders Pater Richard Henkes

Mord an Wehrlosen

Unser Mitbruder Pater Richard Henkes protestierte damals dagegen und predigte sonntags dagegen an. Er nannte es „Mord an Wehrlosen“. Er wurde verwarnt, kam in ein Vernichtungslager und starb an Typhus.

Was lernen wir heute daraus?

Treten wir ein, für Beteiligung, Vielfalt und Dialog. Für ein anderes Miteinander auf dieser Welt! Achten wir auf unsere Sprache. Wählen wir Worte, die nicht ausgrenzen, sondern ermutigen und schützen.

Ausmerzen – ein Nazibegriff
»Ausmerzen« war bis ins 18. Jahrhundert ein Wort, das in der Schafzucht verwendet wurde: Im März (früher Merz) wurden schwache oder zur Zucht unbrauchbare Schafe ausgesondert. Bereits um 1900 taucht das Wort im Zusammenhang mit rechter Rassenideologie und der sogenannten „Rassenhygiene“ auf. Die Nazis hielten sich nicht nur für Menschen, sondern für eine „Rasse“, die man vor schädlichen Einflüssen schützen müsse. Deshalb gab es für kranke, behinderte und schwache Lebewesen der eigenen Rasse oder der von den Nazis proklamierten „anderen Rassen“ nur ein untergeordnetes oder kein Lebensrecht. Andere Begriffe der NS-Zeit waren beispielsweise: entartet, Endlösung, Euthanasie, Führer, Gleichschaltung, Überfremdung, Umvolkung.

Die heute benutzten Unwörter sind: ausländerfrei, ethnische Säuberung, Klimaterroristen, Remigration, Pushback, Corona-Diktatur, Klimahysterie, Anti-Abschiebe-Industrie, Lügenpresse, Sozialtourismus, alternativlos, Überfremdung, Wohlstandsmüll. Damals, wie heute, soll mit einer bewusst anderen Wortwahl eine andere Politik und Gesellschaftsordnung vorbereitet werden. Wenn Asylbewerber-Heime brennen, Obdachlose oder Politiker getötete werden, dann werden auch heute wieder Wehrlose ermordet.

Was würde Pater Henkes heute zu „Remigrations“-Plänen von Rechtsextremen sagen?

NACHGEFRAGT
Antworten von Pater Alexander Holzbach zum 79. Todestag von Pater Richard Henkes

Am 22. Februar 1945 ist Pater Richard Henkes in der Typhusbaracke des KZ Dachau zu Tode gekommen. Er hat sich mit der Krankheit angesteckt, weil er seine Mitgefangenen begleiten wollte und sich daher in die Baracke einsperren ließ. Ein todesmutiger Schritt. Was könnten wir heute daraus lernen?

Nachvollziehen kann man das nicht. Das war eine außergewöhnliche Situation, die sich Pater Henkes Jahre zuvor so auch nicht hätte vorstellen können. Wer sonst im Leben nie Mut gezeigt hat oder Liebe zu Menschen oder einer Sache, kann in einer solchen Herausforderung nicht über seinen Schatten springen. Wir heute können aus diesem letzten Schritt von Pater Henkes höchstens lernen, uns selbst ehrlich zu fragen, ob wir sensibel sind für Verletzungen und Ungerechtigkeiten, die Menschen in unserer Umgebung durch Mitmenschen oder Systeme erfahren. Und wie wir darauf reagieren.

Ins KZ kam Pater Henkes, weil er gegen den Abtransport von Kranken als „unwertes Leben“ in einer Predigt Stellung bezog. Er wehrte sich schlicht dagegen, Menschen auszugrenzen, aus der Gesellschaft auszuschließen und am Ende sogar zu töten. Was würde er wohl heute zu „Remigrations“-Plänen von Rechtsextremen sagen?

Pater Henkes hatte den Mut, das christliche Menschenbild von der gleichen Würde aller gegen das der Nazi-Ideologie in Schule und Predigt zu verteidigen. Das hat ihn letztlich das Leben gekostet. Er würde auch heute nicht schweigen, wenn Menschen ausgegrenzt werden, wenn abschätzig Unterschiede beschworen werden zwischen „uns“ und „denen“, wenn Juden wieder Angst haben müssen, wenn das Leben gesunder Menschen höher bewertet wird als das von kranken und behinderten.

Pater Henkes bemühte sich als Pfarrverwalter in Strandorf – heute Strahovice in Tschechien, um Ausgleich und Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen. Kann er uns Vorbild sein in der Versöhnungsarbeit zwischen den Völkern, auch denen die heute Krieg führen?

Eigentlich nicht sprachbegabt hat Pater Henkes in Pfarrei und KZ Tschechisch gelernt, um „den anderen“ zu verstehen und ihm auf Augenhöhe begegnen zu können. Den anderen zu verstehen suchen, ist der erste Schritt im Bereich von Versöhnung und Vergebung. Das heißt, ihn als gleichwertigen Gesprächspartner anzuerkennen und kein „von oben“ zuzulassen, sondern in einem gerechten Geben und Nehmen Schritte aufeinanderzu zu tun. Was Pater Henkes am Ende seines Lebens getan hat, ist sicher für uns heute eine Überforderung: Sich nicht zuletzt wegen der tschechischen Mitgefangen in den todbringen Quarantäneblock einschließen zu lassen.

Impuls zum Gedenktag des Seligen Pater Richard Henkes 2024: Josef Eberhard
Interview: Alexander Schweda (Fragen), Pater Alexander Holzbach (Antworten)
Bilder: Bistum Limburg (Graphic Dokumentary); A. Kratz (Gemälde Heinen); Josef Eberhard (Gedenkstele)
Künstler: „Drushba Pankow“ Volker Schlecht and Alexandra Kardinar (Graphic Dokumentary), Beate Heinen (Gemälde)

Link zum Podcast von HR2 zu Pater Richard Henkes

Link zum Podcast auf HR2
von Pastoralreferentin Andrea Maschke aus Frankfurt

Für Pastoralreferentin Andrea Maschke ist unser Mitbruder Richard Henkes ein Vorbild. Aus ihrer Sicht hat er mit seinem Leben Spuren hinterlassen und im Widerstand gegen das Nazi-Regime viel riskiert. Ein Podcast zum Todestag auf HR2.

Autorin: Pastoralreferentin Andrea Maschke, Frankfurt
Veröffentlicht am 22.02.24 um 05:25 Uhr
Quelle: © Hessischer Rundfunk
Bild: Hessischer Rundfunk, Screenshot

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