Warum Liturgie Tiefe braucht

Pastoralliturgische Tagung „Liturgie im synodalen Wandel“

Weder an der Gestalt der Kirche noch an der Liturgie, die sie feiert, gehen die Wandlungsprozesse unserer Zeit einfach so vorüber. Für die Kirche wäre es klug, mit ihnen umzugehen und mitzugestalten, was ihr an Herausforderungen aufgetragen ist. Genau darum ging es bei der Tagung an der Vinzenz Pallotti University. Die beiden Referate des Tages wurden von den Professoren Paul Michael Zulehner (Wien) und Wolfgang Beck (Frankfurt, Sankt Georgen) gehalten.

„Ein neues Bewusstsein ist erwacht für die Mitverantwortung und die Mitgestaltung bei kirchlichen Entscheidungen, was sich auch auf die Liturgie auswirkt“, stellte Professor Andreas Redtenbacher in seiner Eröffnungsworten fest und übergab das Wort an den bekannten Pastoraltheologen Paul Michael Zulehner, der den ersten Vortrag unter dem Titel „Ecclesia de Eucharistia auf dem pastoralen Prüfstand“ hielt. Seine These: Die Eucharistie müsse eine den Menschen umzuwandelnde Kraft entfalten können.

Gottesdienste bräuchten daher eine gläubige Tiefe, aber auch die Beteiligung möglichst vieler. Als er daher kürzlich vertretungsweise einen Gottesdienst übernommen hatte, habe er der Gemeinde gesagt: „Ich danke Ihnen, dass Sie mich zu Ihrer Eucharistiefeier eingeladen haben, in der ich konzelebrieren darf.“ Das sei eine sinnvolle Umkehrung im Sinne des neuen synodalen Denkens, so Zulehner. Angesichts der allgegenwärtigen pastoralen Not seien die bisherigen Maßnahmen vieler Diözesen, pastorale Räume auszuweiten, nach Meinung vieler Experten nicht ausreichend, dem dreifachen Mangel an Priestern, Geld und Gläubigen abzuhelfen.

„Erprobte Personen“ als Priester

Der emeritierte südafrikanische Bischof Fritz Lobinger habe als Lösung der Krise ein Modell favorisiert, auf das Erwin Kräutler, der Bischof von Xingu (Brasilien, Amazonasgebiet), in der Amazonassynode Bezug genommen hatte. Nach diesem Modell sollten neben dem regulären Priesteramt „erprobte Personen“ aus den Gemeinden ordiniert werden können, die reiche Erfahrung in einer lebendigen Gemeindepraxis gesammelt haben. So könne dann eine neue Form des priesterlichen Dienstes entstehen.

Das zweite Referat hatte Professor Wolfgang Beck von der PTH St. Georgen übernommen. Alle Grundvollzüge des kirchlichen Lebens – also auch die Liturgie – seien für ihn als öffentliches Handeln zu begreifen. Damit Kirche wahrnehmbar sei, sei es nötig, die Relevanz des liturgischen Handelns für den heutigen Menschen zu erhöhen. Es reiche hierbei nicht, nur ein paar aktuelle Themen in den Fürbitten aufzugreifen. Kirche dürfe sich nicht als von der Gesellschaft der Gegenwart getrennt und als ihr Gegenüber verstehen.

Nach den Ergebnissen der jüngsten Studie der EKD zur Kirchenmitgliedschaft werden die Kontakte zu kirchlichen Einrichtungen von vielen als eher relevant für den Lebensalltag eingestuft als für den persönlichen Glauben. Es scheint entscheidend zu sein, dass Menschen von einer kirchlichen Veranstaltung sagen: Das ist irgendwie ein Gewinn für mich.

Heutige Liturgie wirke aber dagegen oft sehr „aus der Zeit gefallen“. Die Erfahrungen der Fremdheit liturgischer Handlungen und liturgischer Sprache führten nicht zu einer besonders sakralen Wahrnehmung, sondern was geschieht, wirke vor allem skurril. Was es bräuchte, sei ein wirklicher Gegenwartsbezug von Theologie und Kirche.

Das Wort ergreifen aus der Taufwürde heraus

Ausführlich sprach Beck über die Gottesdienste nach Großschadensereignissen. Hier gehe es nun nicht darum, nur der Verstorbenen zu gedenken oder mit der persönlichen Not vor Gott zu treten. Entscheidend sei der gesellschaftliche Austausch. In der Unübersichtlichkeit der kollektiven Krisenerfahrung bestehe immer wieder die Erwartung, dass kirchliche Akteure mitwirken. Wird dann aber in der Verkündigung nur aus einer rein kirchlichen Perspektive gesprochen, falle die Beteiligung der Kirche an der Bewältigung der Krisensituation eben aus.

Beck verwies auf die antike Tradition des Rechtes der Bürger in den Versammlungen das freie Wort zu ergreifen und so selbstbewusst auch Probleme zur Sprache zu bringen. Das Selbstbewusstsein aufgrund der eigenen Taufwürde das Wort ergreifen zu dürfen sei nun auch ein ganz zentrales Moment religiöser Kommunikation im Christentum. Ausgehend von dieser Form des christlichen Selbstverständnisses sollte es viele Ereignisse – nicht nur Großschadensereignisse – geben, die sich Bahn brechen können in liturgischen Feiern.

Professor Paul Michael Zulehner bei seinem Vortrag „Ecclesia de Eucharistia – Auf dem pastoralen Prüfstand".
Professor Paul Michael Zulehner bei seinem Vortrag „Ecclesia de Eucharistia – Auf dem pastoralen Prüfstand".

Text und Foto: P. Jürgen Riegel

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