Alles, was geschieht, hat einen Sinn

Vinzenz Pallotti wurde vor 225 Jahren in unsicheren Zeiten geboren

Was ist das für eine unsichere Welt: Die Autorität der Kirche gerät ins Wanken, säkulare Tendenzen setzen sich mit Macht und Gewalt durch, in ganz Europa rafft eine Seuche die Menschen dahin, in Rom wütet ein gefährlicher Grippevirus, der Ausbruch der Cholera droht. Es sind unsichere Zeiten, in denen Vinzenz Pallotti aufwächst, der Mann, der das katholische Apostolat begründen und erst über 100 Jahre nach seinem Tod heiliggesprochen wird. Was hat uns dieser Heilige heute, in unserer unsicheren Welt, zu sagen?

Vor 225 Jahren, am 21. April 1795, um 16 Uhr wurde Vinzenz Alois Franziskus Pallotti als drittes von zehn Kindern geboren. Seine 54 Lebensjahre verbrachte er vorwiegend in der ewigen Stadt Rom. Bis er 1850 starb, fegten viele Stürme über die Stadt der Päpste und Cäsaren hinweg. Poltische und gesellschaftliche Umwälzungen, Krankheiten und Seuchen, die durch mangelnde Hygiene noch verschlimmert wurden, stießen viele Menschen ohne einen Sozialstaat in Armut und Not. Die Französische Revolution von 1789 streckte ihre Finger nach Italien aus, Napoleon wurde König von Italien, der Kirchenstaat wankte und wurde immer wieder aufgelöst. Wendezeit. Übergangszeit. Die frühe Neuzeit wandelte sich zur Moderne. Und Vinzenz Pallotti mittendrin. Ein Seelsorger und Sozialarbeiter, ein Visionär und Organisator, ein kontemplativer Mensch in Aktion.

Vielleicht helfen uns seine Einsichten, auch unser Leben neu zu deuten, das Woher und Wohin unseres Daseins zu verstehen, das durch den Corona-Virus bei vielen Menschen in Frage gestellt wird. Wer bin ich noch, wenn ich nicht arbeiten kann? Wenn ich keine Freunde treffen kann? Wenn die Tage leerer und leerer werden und die Sorge um die Zukunft größer und größer?

Im Inneren frei

Vinzenz Pallotti hatte eine Erkenntnis, die über 100 Jahre später auch der jüdische Psychiater und Begründer der Logotherapie, Viktor E. Frankl, aufgriff: Der Mensch ist trotz vieler Grenzen, Prägungen, Armut und Krankheiten, die ihn belasten und unfrei machen, im tiefsten Inneren frei. Er hat immer ein Quantum an Freiheit, um sich zu entscheiden. Für den Psychiater, der als einziger seiner Familie das Konzentrationslager der Nazis überlebt hat, bedeutete Freiheit, sich für bestimmte Werte oder Erfahrungen zu öffnen und im schlimmsten Fall die Einstellung zu einer Krankheit oder zum Schicksal zu verändern. Für Vinzenz Pallotti war es die Freiheit in der Tiefe des menschlichen Wesens, sich für eine Beziehung zu Gott oder dagegen zu entscheiden. Frankl und Pallotti eint dabei der Glaube daran, dass die höchste Form der Freiheit sich in der Bindung an etwas Höherem realisiert. Es ist der Glaube an Gott, oder wie es Frankl formulierte: die Trotzmacht des Geistes, trotz allem Ja zum Leben zu sagen.
Pallotti konnte diese Freiheit leben, weil er ein hörender Mensch war. Er war ganz präsent, ganz im Augenblick, nahm aufmerksam wahr, was er sah und hörte, betrachtete genau, wer mit ihm sprach und empfand alles, was ihm begegnete, als etwas, was es im Glauben an Gottes Vorsehung zu deuten galt. Er lernte die Dinge anzunehmen, wie sie sind, und vertraute darauf, dass ihm in diesen Ereignissen seines Lebens Gott selbst entgegenkommt und mit ihm in Beziehung tritt. Gott ist für Pallotti Dialog. Der dreieinige Gott, der in sich selbst – Vater, Sohn und Heiliger Geist – im Dialog ist, stellt auch zu den Menschen ein Beziehungsgeschehen her. Und deshalb geschieht für Pallotti nichts, wofür er nicht auch dankbar sein könnte. Aber danken kann nur, wer daran glaubt, dass letztlich alles gut wird, dass es einen letzten Sinn gibt, wie ihn später auch Viktor Frankl postulierte, als er seine Logotherapie, seine auf den Sinn des Lebens zentrierte Therapie, entwickelte. Der Sinn für Pallotti war, dass sich in allem die Gegenwart Gottes ausdrückt, auch im Leid.

Als Menschen verbunden

Wenn jetzt schon seit Wochen keine Eucharistiefeiern mehr möglich sind, kann Vinzenz Pallotti uns daran erinnern, dass Eucharistie Danksagung heißt, und dass wir selbst eucharistisch leben können, in dem wir unser Leben dankbar annehmen und es als Beziehungsgeschehen zu erkennen. Und auch wenn der physische Kontakt erschwert ist, so spüren die Menschen gerade jetzt, wie lebensnotwendig Beziehung zu anderen Menschen sind, wie wir sie durch neue Formen und moderne Techniken aufrechtzuerhalten suchen, weil wir im anderen in unserem Nächsten das Ebenbild Gottes suchen und dessen Zuwendung erfahren. Wir erkennen in der Corona-Krise, dass alle Menschen untereinander verbunden sind, weil sie Menschen sind. Und Pallotti würde hinzufügen, weil alle denselben Schöpfer haben und denselben Bruder: Jesus Christus.

Text: Alexander Schweda
Bild: Walter Habdank

Tipp: Vizeprovinzial spricht zum 225. Geburtstag über den Gründer

Wie der heilige Vinzenz Pallotti bis heute das Leben der Gemeinschaft beeinflusst

Vor 225 Jahren wurde Vinzenz Pallotti geboren. Im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur erzählt Pater Michael Pfenning, Vizeprovinzial der Pallottiner für Deutschland und Österreich, wie Pallotti das Leben in der pallottinischen Gemeinschaft prägt – und was er den heutigen Menschen zu sagen hat.

Link zum Beitrag auf katholisch.de

Vinzenz Pallotti
Zeitgenössische Kunst: Vinzenz Pallotti sitzt inmitten der leeren oder auch vollen Jakobskirche. Bildrechte: Kath. Stadtpfarrei St. Jakob Friedberg, Sara Opic: Pallotti – Zurück zur Wirklichkeit, Foto: Heiko Grandel

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