Limburger gründete vor 150 Jahren den St. Raphaels-Verein

Pallottiner leiteten die Auswandererseelsorge

2021 rückt der Limburger Kaufmann und katholische Sozialpolitiker Peter Paul Cahensly durch eine besondere Glanztat in den Blickpunkt, die seit 150 Jahren bis heute segensreiche Früchte trägt. Er gründete 1871 den St. Raphaelsverein, der Auswanderer aus Deutschland berät und begleitet. Cahensly und sein Werk sind eng mit den Pallottinern verbunden. Nicht nur, dass er sich 1892 für die Ansiedlung der ersten Niederlassung der Gesellschaft des apostolischen Lebens in Deutschland, sprich: in Limburg, stark machte. 55 Jahre lang führten Pallottinerpatres den Raphaelsverein als Generalsekretäre.

Wer Deutschland für eine längere Zeit oder gar für immer verlässt – das sind fast 120.000 Menschen im Jahr – will gut vorbereitet sein. Dabei verfolgt nur der geringste Teil die Absicht auszuwandern, um sich beispielsweise den Traum von der eigenen Surfschule auf den Malediven zu erfüllen oder in Australien eine Koala Farm zu eröffnen. Berufsgruppen wie Ingenieure, Ärzte oder Studierende entscheiden sich zumeist aus Karrieregründen für einen vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des europäischen Kontinents oder brechen für immer ihre Zelte in Deutschland ab. Viele wissen oft nicht, was sie dabei beachten müssen. Und das ist eine ganze Menge.

Hier setzt die Arbeit des 1977 in Raphaelswerk e.V. umbenannten Vereins ein. Namensgeber ist der Erzengel Raphael, der als Schutzengel der Reisenden gilt. „Was wir tun, das bekommt man nicht alles im Internet“, sagt die Sozialpädagogin Cornelia Banisch, die seit mehr als 30 Jahren Dreh- und Angelpunkt im Büro des Raphaelswerks nahe des Hamburger Hauptbahnhofs arbeitet. Am „Tor der Welt“, dort wo die Elbe die Hansestadt mit der Nordsee verbindet, befindet sich seit nunmehr 100 Jahren die Hauptgeschäftsstelle.

Die Tätigkeit erstreckte sich einst auch auf die katholischen Seeleute und Matrosen, in Deutschland zudem auf italienische Gastarbeiter sowie die Unterstützung der Mädchenschutzvereine und des deutschen Nationalkomitees zur Bekämpfung des Mädchenhandels. Heute existiert ein Netz von Beratungsstellen in der Trägerschaft von Caritasverbänden, deren Berater über die Genehmigung zur Auswanderungsberatung verfügen.

Das 19. Jahrhundert war die Zeit, da fünf Millionen Deutsche ihre Heimat verließen. Zumeist waren es keine Abenteuerlustigen, sondern arme und verzweifelte Menschen, die sich in der sogenannten Neuen Welt eine bessere Zukunft versprachen. Zumeist begaben sie sich mittellos nur mit dem nötigsten Gepäck, aber voller Hoffnung auf die Schiffe in Hamburg oder Bremerhaven, um nach Amerika auszuwandern. Schon in dieser Zeit gab es skrupellose Agenten, die es mit falschen Versprechungen verstanden, die Emigranten ins private und wirtschaftliche Verderben zu locken.

Das gab dem rührigen Limburger Kaufmann Peter Paul Cahensly den Anstoß, „zum Schutze katholischer Auswanderer“ den St. Raphaels-Verein ins Leben zu rufen. Er wollte die Menschen nicht ohne Seelsorge und geistlichen Beistand sich selbst überlassen. Der Verein besorgte Fahrkarten und dafür, dass Priester im Auftrag des Raphaelswerks an Bord halfen, die lange Überfahrt zu überstehen. Im Zielland arbeiteten Vertrauensleute für den Verein, die Neuankömmlingen zur Seite standen, um sich zurechtzufinden, beispielsweise mit Arbeit und Wohnung Fuß zu fassen.

Cahensly selbst, der von 1838 bis 1923 lebte, war zwei Jahrzehnte Generalsekretär des St. Raphael-Vereins, der 1878 durch Papst Leo XIII. offiziell anerkannt und ab 1899 als e.V. geführt wurde. Er reiste 1883 selbst nach Amerika, um die Lebensverhältnisse der Auswanderer auf der Überfahrt, ihre Situation nach der Ankunft in New York City sowie in den Zielgebieten kennenzulernen. Auf der drei Monate dauernden Reise besuchte er deutsche Siedler in verschiedenen Bundesstaaten.

Damals haben sich besonders die Pallottiner, die 1892 auch auf Fürsprache Cahenslys in Limburg ihre erste deutsche Niederlassung begründeten, um das Wohl der Emigranten gekümmert und den Verein von 1920 bis 1975 geführt. Unterbrochen wurde die Arbeit 1941 – 1946 vom Verbot durch die Gestapo. Der Vatikan erreichte in der Nazizeit auf diplomatischem Wege in den südamerikanischen Botschaften die Vergabe von Visa an Flüchtlinge. Bei den Verfolgten handelte es sich vor allem um Katholiken jüdischer Abstammung, die von der nationalsozialistischen Rassengesetzgebung betroffen waren.

Heute berät das Raphaelswerk e. V. im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz bundesweit Auswanderer und Auslandstätige unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem rechtlichen Status und ihrer Religionszugehörigkeit. Den rechtlichen Rahmen der Beratung bildet das 1975 erlassene und 2013 novellierte Auswandererschutzgesetz.

Auswandererseelsorge - Einsatz für Gott und die Menschen - Pallottiner

Hamburg – Tor zur Welt

Der gebürtige Hamburger Pallottinerpater Georg Timpe war von 1920 bis 1930 der erste pallottinische Generalsekretär des St. Raphaelsvereins. Er verlegte das Generalsekretariat nach Hamburg, wo es auch heute noch ist, weil dort ehemals die Auswanderer* auf die Schiffe gingen.

Seit 101 Jahren leben und arbeiten Pallottiner in Hamburg, die Gründung der Kommunität geht auf die Auswandererseelsorge für den St. Raphaelsverein zurück. Der pastorale Raum der Pfarrei “Seliger Johannes Prassek”, in dem unsere Mitbrüder heute tätig sind, umfasst die Gemeinden St. Wilhelm in Bramfeld, St. Bernard in Poppenbüttel, Hl. Kreuz in Volksdorf, Hl. Geist in Farmsen und Mariä Himmelfahrt in Rahlstedt.

Buchtipp zum Thema Auswandererseelsorge

Weltweiter Dienst am Menschen unterwegs
von Prof. Manfred Hermanns
Pallotti Verlag Friedberg

Armut und Verzweiflung, Hoffnung auf Arbeit und wirtschaftlichen Aufstieg, politische, rassistische und religiöse Verfolgung, mitunter auch Abenteuerlust, trieben seit Mitte des 19. Jahrhunderts mehr als 50 Millionen Menschen aus Europa in die Neue Welt. Seit der Gründung des Raphaels-Werks 1871 durch den engagierten und weitsichtigen Limburger Kaufmann Peter Paul Cahensly haben mehr als vier Millionen Auswandernde bei ihrem Wagnis Begleitung, Fürsorge und Seelsorge erfahren.

Bericht & (Repro-)Fotos: Dieter Fluck

Das könnte Sie auch interessieren

Mitreden, Mitmachen, Mithelfen!

In Kontakt bleiben. Kostenlos 12 x pro Jahr!

Liken, kommentieren, abonnieren

Herzliche Einladung: Reden Sie mit!

Öffnen Sie sich Räume

Gemeinsam die Welt verändern!

Print Friendly, PDF & Email