Die Zahl Vier und der Weltenwandler

Priester, Schriftsteller und Mentor für Persönlichkeitsbildung (HAWOP) P. Christian Stumpf SAC

Sie haben vor 16 Jahren Ihre Erste Profess abgelegt, was hat sich für Sie seither verändert?

Stumpf: 16 Jahre ist das schon her? Nun, das ist auf jeden Fall eine heilige Zahl: Denn 4 x 4 steht ja für die Fülle des Lebens und hat eine hohe Symbolkraft für mich. Auch Angelus Silesius sagt: „Vierfach ist das Ackerfeld – Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“ (n. Mk 4,3-9)
Tatsächlich könnte man sagen, dass ich in diesen 4 mal 4 Jahren auch im Wesentlichen vier verschiedene „Äcker“ bearbeitet habe:
Als erstes habe ich nach der Ersten Profess erst mal drei Jahre an unserer Hochschule in Vallendar studiert und dort das Studium als Diplom-Theologe abgeschlossen. Das ging deshalb ein bisschen schneller als die Regelstudienzeit von fünf Jahren, weil ich praktisch mit meinem Lehramtsstudium in Heidelberg vor dem Noviziat das „Vordiplom“ schon mitbrachte. Danach folgte das Pastoraljahr in der Pfarrei St. Jakob zu Friedberg, wo ich meine ersten „pastoralen Schritte“ machen durfte. Dass ich diese in einer pallottinisch geleiteten Gemeinde und mit Unterstützung des Pastoralinstituts der Pallottiner (PthI) machen durfte, hat mich in meiner Berufung, als Pallottiner den „Acker“ weiter bearbeiten zu dürfen, wesentlich bestärkt.

Was kam dann nach dem ersten „Ackerfeld“, also Ihrer pallottinischen „Ausbildungszeit“?

Nach dem Pastoraljahr wurde ich auf eigenen Wunsch ans Paulusheim nach Bruchsal versetzt, wo ich knapp sieben Jahre (klappt nicht mit der Vierjahres-Rechnung, aber schon wieder eine heilige Zahl!) als Dekanats-Jugend- und -Schulseelsorger arbeiten durfte. In dieser Zeit konnte ich viel frei gestalten, Neues entwickeln und vor allem so viele junge Menschen kennenlernen, denen der Glaube und die kritische Gemeinschaft mit der Kirche alles andere als egal war. Besondere „Highlights“ waren da sicher die Aktionen der Jugendgottesdienstgruppe, später dann mit dem Projekt Jugendkirche verbunden – und die Gründung einer eigenen KSJ-Gruppe an der Schule. Sehr gern denke ich an diese Zeit zurück und bin auch heute noch mit vielen, mittlerweile erwachsenen, engagierten Christen verbunden.
Nach diesen Jahren wartete wieder eine neue Herausforderung auf mich, die ich zunächst mit gemischten Gefühlen, aber in Solidarität mit der Provinzleitung und den Mitbrüdern vor Ort im Sommer 2012 doch überzeugt annahm: Die Mitarbeit in unserer pallottinischen Pfarrei in Hamburg.

Also eine komplett neue Herausforderung!

Ja, zumal sich die Pfarrei während meiner Zeit dort zu einer „XXL-Pfarrei“ entwickelte: Es war die Aufgabe von uns Seelsorgern (Priestern, Gemeindereferentinnen und Diakonen), zusammen mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern und dem Erzbistum aus fünf selbstständigen und – Gott sei Dank – sehr selbstbewussten Gemeinden, ein gemeinsames Pastoralkonzept zu erstellen, Schwerpunkte zu setzen und Kooperations-Aktionen zu planen. Ziel war die Gründung einer großen Pfarrei, bestehend aus 25.000 Katholiken im Nordosten der Hansestadt. Ein besonders schönes Erlebnis war für mich dabei die Planung und Feier des Pfarrei-Gründungsgottesdienstes im Sommer 2013. Die Pfarrei trägt seither stolz den Namen eines Lübecker Märtyrer, der aus Hamburg stammte und dort auch starb: Der Sel. Johannes Prassek.

Was hat Ihnen in Hamburg am meisten Spaß gemacht?

Natürlich war ich in der neuen „Groß-Pfarrei“ auch wieder u. a. für die Jugend zuständig, die mit einer eigenen Gottesdienstreihe, der „Wichtig-Tour“, durch die Gemeinden reiste und Jugendliche vor Ort in die Vorbereitung einbezog. Das hat mir immer am meisten Spaß gemacht: Eine gemeinsame Idee zu entwickeln, sie Gestalt werden zu lassen und zusammen mit anderen zu verwirklichen. Deshalb bin ich nach vier Jahren dort „meiner“ Hamburger Jugend und auch den Gemeindemitgliedern in Dankbarkeit verbunden. Trotz der Schwierigkeiten, „aus fünf eins zu machen“, war es eine gute Zeit, vor allem mit meinen jungen Mitbrüdern „aus aller Herren Ländern“, die ich in dieser Zeit kennenlernen durfte: Indien, Polen und Kroatien, alle arbeiteten mit an der einen Pfarrei.
Zudem war es eine große Chance, als pallottinische Gemeinschaft in einem Pfarrhaus zu leben und sich in der Arbeit gegenseitig zu ergänzen. Nur so war es mir möglich, in den letzten drei Hamburger Jahren auch meine Ausbildung als Mentor für Persönlichkeitsbildung in einem logotherapeutischen Institut in Blankenese abzuschließen.

Sie leben und arbeiten nun seit einem Jahr im Pallottihaus Freising und werden sich zusätzlich im Pfarrverband von Freising als Pfarrvikar engagieren. Können Sie kurz erzählen, worin Ihre Aufgaben bestehen?

Im Mai 2016 brachen sozusagen die vierten vier Jahre an: Es zog mich wieder in die süddeutschen, etwas vertrauteren Gefilde und so landete ich auf eigenen Wunsch im Pallottihaus Freising. Hier hoffe ich, meine Ausbildungen (sowohl die pädagogische, pastorale als auch psychologische) in der Einzelbegleitung, in Seminaren, Gottesdiensten für das Haus und in der Umgebung in den Dienst der Gemeinschaft stellen zu können. Die Arbeit hier ist auch sehr interessant und ich habe viel Gestaltungsfreiheit. Ich merke, dass das Interesse an meinem Schwerpunkt zur „wertorientierten Persönlichkeitsbildung“ wächst und denke, dass dazu noch viele Kurse und Einzelbegleitungen möglich sind. Da meine Liebe aber auch der Arbeit mit Gruppen in den Gemeinden gilt, bemühte ich mich ab Anfang 2017, auch in der Pfarrseelsorge Freisings mitarbeiten zu können. Und so bin ich seit Mai im Pfarrverband als Pfarrvikar tätig, besonders als Ansprechpartner für die Pfarrei St. Jakob in Vötting.

Wieder St. Jakob? Mit dem Heiligen Jakobus stehen Sie offensichtlich besonders im Bunde?

Ja, das ist wirklich lustig, aber auch hier schließen sich wieder mehrere Kreise: Der Patron meiner ersten pallottinischen Pfarrei und der meiner jetzigen Pfarrei ist derselbe: Der Heilige Jakobus, der mich als „Wanderer, der sich wandelt“, immer inspiriert hat, weiter zu gehen und neue Ziele ins Auge zu fassen. Außerdem hat die Gemeinde in Vötting auch eine gewisse pallottinische Tradition: Schon mehrere Patres aus dem Pallottihaus haben dort als Seelsorger gewirkt, zuletzt Pater Pfenning, der auch „mein erster Pfarrer“ in Friedberg war – im oben erwähnten Pastoraljahr, eben auch in „St. Jakob“…

Welche neuen Aufgaben warten im Pfarrverband auf Sie?

Ich möchte wieder mehr Kontakt mit der „Basis“ haben und mit Gläubigen gemeinsam unterwegs sein – was könnte dafür besser geeignet sein, als eine Pfarrei, die dem Hl. Jakobus geweiht ist und auch offizielle Pilgerstation des Jakobsweges ist? Aber ich werde ja auch im ganzen Verband in der Seelsorge tätig sein, also zusammen mit dem Pfarrer, einem Kaplan und mehreren hauptamtlichen Mitarbeitern zuständig sein für knapp 20.000 Katholiken. Denn zum Pfarrverband St. Korbinian (ca. 12.000 Katholiken) kommt ab Juni noch die selbstständige Pfarrei St. Lantpert in Freising-Lerchenfeld (etwa 7.000 Gläubige) hinzu. Das ist sicher auch ein Grund, weshalb das Erzbistum München-Freising die pallottinische Mitarbeit sehr begrüßt.
Was diese Aufgaben neben den üblichen Diensten der Spendung von Sakramenten und Sakramentalien sein werden, wird sich wohl erst erschließen in der direkten Begegnung mit den Gemeindemitgliedern. Dafür möchte ich offen sein, wenn ich auch um die sprichwörtliche Begrenztheit („50-Prozent-Stelle“) weiß und meine Kräfte gut verteilen muss.

Was würden Sie sich für die Arbeit in Haus und im Pfarrverband St. Korbinian wünschen, wenn Sie drei Wünsche frei hätten?

Ich wünsche mir erstens, dass ich offen und bereit bin, die Aufgaben, die sich mir hier stellen, wahrzunehmen und anzunehmen.
Zweitens wünsche ich mir von den Gemeinden, dass sie mich mit meinen Möglichkeiten und Grenzen annehmen – so annehmen, dass sich Räume eröffnen, in denen ich mit anderen zusammen „das Ackerfeld weiter beackern kann“.
Und drittens schließlich, wünsche ich mir für das Pallottihaus und die Mitbrüder sowie die einzelnen Christen und „Wegsucher“, dass es viele Möglichkeiten der Vernetzung gibt und meine Mitarbeit in Haus und Pfarrei auch manche Verbindungsbrücke bauen kann.

In wenigen Tagen erscheint Ihr erster Fantasy-Roman der „Weltenwandler“-Reihe „Im Erdreich“. Was bedeutet das Schreiben für Sie?

Schreiben hat für mich in erster Linie mit Kommunikation zu tun. Deshalb entstanden die vier Bände des „Weltenwandler“ mit dem Ziel, mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen über die inneren Bilder, die in uns sind und unserer Sehnsucht nach Leben Ausdruck verleihen, eine Art von Sinn-Suche eben. Denn schauen Sie: Auch in Fantasy-Romanen geht es ja um Realität – zwar nicht so, wie wir ihr mit unseren äußeren Sinnen, Augen, Ohr und Händen begegnen: Denn kaum jemand von uns wird in seinem Alltag gegen finstere Ritter oder bösartige Zauberer kämpfen müssen. Aber den Kampf zwischen Gut und Böse in unserem eigenen Inneren, den kennen wir doch bestimmt alle sehr gut. Und es geht bei den phantastischen Orten und Gestalten, die uns im guten Fantasyroman begegnen, um eine Auseinandersetzung mit uns selbst und um die Hoffnung, dass das Gute letztlich siegt. So suchen wir unsere Aufgabe im Leben, finden unseren Sinn, wenn wir erkennen, was der Herr von uns will: Wir dürfen unsere Gaben gebrauchen, um am Reich Gottes mitzubauen, sodass Liebe und Gerechtigkeit nicht nur innere Gewissheiten sind, sondern zu starken Werten in uns werden, die auch die äußere Realität gestalten und verändern können. So ist die Reise in die innere Welt, zu der ich meine LeserInnen mitnehmen möchte, auch eine Wanderung zu uns selbst und zu dem, was unser Leben wirklich wichtig macht. Dies soll nicht als moralische Belehrung daher kommen, sondern will mit den Bildern, die sich in unserer Tiefe zeigen, zum Weiterdenken und auch gern zur Diskussion anregen.

Das hört sich sehr spannend an! Legen wir noch einen vierten Wunsch drauf!

Ein großer Traum von mir wäre, wenn Leser sich von den Gestalten, denen sie im „Weltenwandler“ begegnen, ansprechen und zu weiteren „Wanderungen“ einladen lassen. Vielleicht könnte daraus eine Schreibwerkstatt mit vielen neuen Anregungen werden. Im Austausch miteinander, geben wir einander Teil an unseren Wünschen und Werten, sodass sich auch unser Inneres verwandeln lässt. So wird ebenfalls klar, was ein „Weltenwandler“ eigentlich ist: Ein „Sinnsucher“, der nicht nur durch seine innere Welt wandert, sondern sich auch durch die Begegnung mit ihr und anderen „Welten“ verwandeln lässt – aus dieser inneren Verwandlung kann auch die äußere Welt verwandelt werden.
Deshalb hoffe ich, dass im Dialog mit meinen Lesern und auch durch die „Wert-Imaginations-Seminare“ im Pallottihaus, noch viele weitere Bücher entstehen als die vier Bände des Weltenwandlers.

Da ist sie ja wieder, die Zahl vier!

Hier steht sie für die vier Elemente und das, was ihnen im Menschen entspricht: Die Erde für unseren Leib und seine Kräfte; das Wasser für das Unbewusste, in das wir eintauchen und das uns in Gottes Sprache einführt. Denken Sie an die Träume als die „Sprache Gottes“!
Das Element Luft steht für unseren Geist und Verstand, mit dem wir die Welt zu durchdringen hoffen; und das Feuer verweist auf menschliche Leidenschaften, die manchmal zwar auch Leiden schaffen, vor allem aber als reflektierte Gefühlskräfte zu mehr Wachstum und Wandel führen können. Das sind die vier „Ackerfelder“, aus denen unser Herz besteht und das wir bestellen dürfen. Ich erinnere gerne an das Zitat von Angelus Silesius zu Beginn unseres Gesprächs!

Aber ehrlich gesagt hoffe ich, dass auf mich noch mehr als die bisher „beackerten“ vier Felder warten, auch was die Bücher angeht: Und ich bin gespannt, wohin mich der eigentliche „Weltenwandler“, Jesus Christus selbst, noch führen wird. „Ad infinitam dei Gloriam“ war der Leitspruch, den Vinzenz Pallotti gern über bzw. unter alle seine Werke stellte: „Zur unendlichen Ehre Gottes“.

Hier geht es zur Buchvorschau (pdf-Download) beim Friedrich Maerker Verlag.

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