Hungersnot: 9 Fakten, warum der Hunger zurückkehrt

Zum Ukraine-Krieg kommen noch Covid 19 und der Klimawandel als Brandbeschleuniger

Eigentlich sollte es das ab 2030 nicht mehr geben: Menschen, die hungern, die mangelernährt sind, die sich nichts zu essen leisten können. Das war der Plan der Vereinten Nationen. Vorbei. Der Hunger ist zurück. Durch Klimawandel, Bevölkerungswachstum, die Corona-Pandemie und nicht zuletzt durch den Ukraine-Krieg. Vor allem Afrika leidet an einer Hungersnot.

9 Fakten zur Hungersnot in Afrika

Fakt 1: Getreide ist unbezahlbar geworden

Die Ukraine ist einer der größten Exporteure von Weizen. Seit die Schiffe im Schwarzen Meer festsitzen, Getreide bewusst vernichtet oder gestohlen wird, sinkt die Getreidemenge auf dem Weltmarkt und die Preise klettern in den Himmel. Die Getreideexporte werden allein deshalb schon zurückgehen, weil „in der stark mechanisierten ukrainischen Landwirtschaft wichtige Produktionsfaktoren wie Diesel nun von der Armee verwendet werden“, sagt Tobias Heidland vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Landwirte könnten ihre Felder wegen des Konflikts nicht bestellen, aufgrund der großen Unsicherheit weniger aussäen oder weniger düngen. Somit fallen die die Exporte. Das verknappte Angebot auf dem Weltmarkt lässt die Preise steigen.

9 Fakten zur Hungersnot in Afrika

Fakt 2: Die Armut wächst

Und das hat Auswirkungen auf die Ärmsten in Afrika. Beispiel Nigeria: Nigeria ist das bevölkerungsstärkste Land und die zweitgrößte Wirtschaftskraft Afrikas. Obwohl das Land einer der führenden Ölproduzenten Afrikas ist, leben 7 Millionen Menschen in Armut. Durch die Preisentwicklung wird sich die Nahrungsmittelkrise weiter verschärfen. Fast 8 Millionen Menschen sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen; über eine Million lebt dabei in von Rebellen kontrollierten Gebieten und ist von jeglicher Unterstützung abgeschnitten. Nur die Hälfte aller Gesundheits-Einrichtungen im Land sind einsatzfähig. Die Mangelernährungsrate bei Kindern unter fünf Jahren ist mit rund 31 Prozent sehr hoch. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keinen Zugang zu sauberem Wasser oder sanitären Einrichtungen.

Hungerkrise in Afrika - wir helfen!

Fakt 3: Die Nachfrage wächst auch

Wie Tobias Heidland erklärt, treffen all diese Entwicklungen auf eine Situation, die bereits vor dem Krieg in der Ukraine in mehreren Weltregionen angespannt war – aus drei Entwicklungen heraus: Erstens waren die globalen Lebensmittelpreise bereits seit mehreren Jahren gestiegen, da die Nachfrage schneller steigt als das Angebot. Mit der konventionellen Züchtung nimmt das Produktivitätswachstum seit Jahren ab, während die Ausdehnung der Anbaufläche nur begrenzt erfolgen kann, bzw. das ökologische Limit schon überschritten hat. Zugleich wächst die Nachfrage durch die zunehmende Weltbevölkerung wie auch durch veränderte Konsummuster – etwa die steigende Nachfrage nach Fleisch, das deutlich mehr Kalorien in der Produktion verbraucht, als es für die menschliche Ernährung verfügbar macht.

Neun Fakten zur Hungersnot in Afrika

Fakt 4: Covid und Klimawandel fördern die Hungersnot

Zweitens hat die COVID-19-Pandemie insbesondere städtische Haushalte direkt oder indirekt in finanzielle Not getrieben. Zudem hat die Pandemie zu einem weltweiten Angebotsschock in einer Vielzahl von Sektoren geführt und globale Lieferketten gestört, was weltweit die Preisentwicklung anheizt. Drittens beschert der fortschreitende Klimawandel und damit verbundene Phänomene wie Dürren oder Heuschreckenplagen in Ostafrika den Menschen in den betroffenen Regionen weitere Probleme.

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Fakt 5: Die Hungersnot wächst - wer kein Geld hat, hungert

Diejenigen, die darunter am meisten leiden, sind Teile der Bevölkerung, die einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben. Für die Bevölkerung in Ländern wie Kenia und Nigeria sind es laut Daten aus dem Jahr 2016 im Schnitt über 50 Prozent.

Das Erschreckende: Global gibt es auch durch die Invasion der Ukraine nicht zu wenig Lebensmittel. Die Frage ist nur, wer es sich leisten kann. Eine Frage der Kaufkraft. Heidland kritisiert: „Während wir uns in den reichen Ländern Lebensmittelverschwendung und einen ineffizienten Fleischkonsum leisten, bedroht der Preisanstieg auf den internationalen Agrarmärkten die Versorgung von ärmeren Haushalten in Entwicklungsländern.“

9 Fakten zur Hungersnot in Afrika

Fakt 6: Im Kampf gegen die Hungersnot - die Welt ist gefordert

All das ist ein Alarmsignal, „ein richtiger Weckruf an die gesamte Welt“, betont Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe. Sie betont, dass bereits der Ausbruch der Corona-Pandemie das Wirtschaftswachstum vieler Entwicklungsländer einbrechen ließ. Menschen verloren ihre Jobs, Lebensmittelpreise stiegen steil an – allein im Jahr 2021 um 28 Prozent. Düngemittel sind für viele Bauern kaum mehr bezahlbar, Sprit für Fahrzeuge und Maschinen frisst die Gewinne auf. Die ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung hatten mit der Corona-Pandemie die größten Einkommenseinbußen erlitten. „Die Welt hat es versäumt, auf frühe Warnzeichen zu reagieren“, sagt Thieme.

Lebensmittelpakete gegen den Hunger

Fakt 7: Anleger hoffen auf eine Verschärfung der Hungersnot

Ein großes Problem ist für Francisco Marí, Referent für Welternährung, Agrarhandel und Meerespolitik bei Brot für die Welt, die Abhängigkeit vom Weizen, der zudem noch an die Energiepreise gekoppelt ist. Denn industrielle Landwirtschaft und besonders Weizenanbau ist sehr energieintensiv. Es fängt beim Dünger an, geht über die maschinelle Bodenbearbeitung und Ernte und hört bei den Mühlen und dem Transport nicht auf. Weizen und der Weizenpreis sind zudem ein beliebtes Spekulationsobjekt bei Nahrungsmitteln, Weizen wird an Börsen als Rohstoff gehandelt. Beteiligte Aktiengesellschaften sind in vielen Rohstofffonds oder ETFs (börsengehandelte Indexfonds) zu finden. Anleger werden momentan in Fachzeitschriften zu solchen Anlagen gelockt, in der „Hoffnung“ auf eine Verschärfung der Hungerkrise.

In West- und Zentralafrika, aber auch in Ostafrika ist die Abhängigkeit Relikt einst sehr günstiger Weizenexporte aus der Europäischen Union. Hoch subventionierte Weizenimporte haben das Ernährungsverhalten der Menschen, besonders in den Städten, weg von einheimischem Getreide und Nahrungsvielfalt hin zum Brotkonsum innerhalb weniger Jahrzehnte stark verändert. Ist Brot in einem Land dann erst einmal Grundnahrungsmittel, ist der Brotpreis ähnlich wie bei uns das Maß für alle Nahrungsmittel.

Könnten die Bauern jetzt nicht einfach Getreide anbauen, das in ihrem Land wächst wie Hirse, Mais oder Reis? „Ja“, sagt Francisco Marí. Die Fixierung auf Weizen wäre in Afrika gar nicht notwendig. „Die Staaten müssten allerdings größere Anstrengungen unternehmen, um wieder ihre eigenen klimatisch angepassten Getreidearten anzubauen.“ Früher war beispielsweise Sorghum, eine Hirseart, in Ägypten ein vorherrschendes Getreide, Fonio südlich des Sahel.

Weshalb gibt es eine Hungersnot

Fakt 8: Konsum in Deutschland fördert die Hungersnot

Marí kritisiert dabei auch das deutsche Konsumverhalten: Dass der allergrößte Teil der deutschen Getreideernte verfüttert werde oder im Tank lande, sei der eigentliche Skandal. Eine Reduzierung der Viehbestände für die Fleisch- und Milchproduktion und die Verringerung der Getreidenutzung für Agrotreibstoffe wären ein deutliches Signal an die Getreidebörsen und würde zu sinkenden Preisen führen, findet der Experte. Dann könnten Industrieländer tatsächlich Reserven mit diesem eingesparten Weizen bilden, die sie im Falle einer Mengenkrise im Herbst Entwicklungsländern sofort zur Verfügung stellen könnten.

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Fakt 9: Nach der Hungersnot ist vor der Hungersnot

Aber es geht nicht nur um die vorhandenen Erntemengen. Wie sieht es mit der jetzigen Aussaat und dem künftigen Ertrag aus? Bereits im August prognostizierte das Beratungsunternehmen McKinsey einen starken Rückgang der Erntemengen: Sie schätzt, dass die ukrainische Produktion von Getreide in der nächsten Erntesaison um 35 bis 45 Prozent zurückgehen wird. „Der andauernde Konflikt beeinträchtigt die Fähigkeit der Landwirte, Felder vorzubereiten, Saatgut zu pflanzen, die Pflanzen zu schützen und zu düngen, was in der nächsten Erntesaison wahrscheinlich zu noch geringeren Mengen führen wird“, schreibt McKinsey. Neben den Folgen des Ukraine-Kriegs betrachtet die Beratungsfirma auch die Auswirkungen des Klimawandels auf die weltweite Ernährungslage.

Und es werden dramatische Zahlen erwartet: Nach den Prognosen von McKinsey wird die Ernte in der Ukraine in diesem Jahr 30 bis 44 Millionen Tonnen unter dem normalen Niveau liegen. Weniger Anbaufläche, weniger Geld, das Landwirten fehlt, weil sie ihre Ernte nicht verkaufen konnten, sind die Gründe dafür. McKinsey zieht daher eine düstere Prognose: Kriegsfolgen, Klimawandel, Dürre und Überschwemmungen werden die nächste Nahrungsmittelkrise noch schlimmer werden lassen. Und der „Konflikt in der Ukraine erschüttert wichtige Säulen des globalen Nahrungsmittelsystems in einem ohnehin schon prekären Kontext“, so die Beratungsfirma. Das gilt auch, wenn kurzfristig Getreidelieferungen über das Schwarze Meer möglich gemacht werden.

Die Hungersnot beenden - dieses Ziel ist in weite Ferne gerückt

In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern hungern Menschen dauerhaft. Derzeit sind es rund 828 Millionen Menschen. 3,1 Milliarden Menschen können sich keine gesunde Ernährung leisten. Von Hunger besonders betroffen sind die Bewohner Afrikas, hier hungern rund 20 Prozent der Bevölkerung. In Asien leiden 9,1 Prozent, in Lateinamerika und der Karibik 8,6 Prozent der Bevölkerung Hunger.
Laut Welthungerhilfe stirbt alle 13 Sekunden ein Kind unter fünf Jahren an den Folgen von Hunger. Experten unterscheiden drei Arten von Hunger: akuter Hunger etwa durch Dürren, Kriege und Katastrophen über einen abgrenzbaren Zeitraum; chronischer Hunger als Zustand dauerhafter Unterernährung; verborgener Hunger, hervorgerufen durch einseitige Ernährung und einen Mangel an Nährstoffen.
Die Ursachen für Hunger sind vielfältig. Dazu zählen Armut und Ungleichheit, Kriege und Konflikte, Naturkatastrophen und Klimawandel, wirtschaftliche Faktoren und schlechte Regierungsführung sowie Nahrungsmittelverschwendung. In ihren Anfang 2016 in Kraft getretenen Nachhaltigkeitszielen haben sich die Vereinten Nationen vorgenommen, den Hunger in der Welt bis 2030 zu beenden. Dieses Ziel ist in weite Ferne gerückt.

Quellen:

https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/agrar-ernaehrungspolitik/wie-der-ukrainekrieg-afrikas-brotversorgung-trifft/

https://www.brot-fuer-die-welt.de/blog/2022-noch-ist-zeit-sich-nach-alternativen-nahrungsang/

https://www.aktiongegendenhunger.de/laender/afrika/nigeria

https://www.augsburger-allgemeine.de/politik/krise-millionen-menschen-droht-der-hungertod-id63275851.html

https://www.businessinsider.de/politik/corona-krieg-und-klima-weltweit-droht-2023-eine-noch-tiefere-nahrungskrise-hier-sind-die-gruende/

KNA

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