Verflochten mit der Geschichte Kameruns

Im Provinzarchiv der Pallottiner gibt es viel zu entdecken

Das Gebäude atmet Nüchternheit. Sichtbeton. 16 bis 23 Grad Kühle. Trockene Luft, Rollregale. Hier geht es um Fakten. Oder zumindest um die Aufbewahrung von Material, das zu Fakten führt. Der Herr der Akten und Fakten ist der neue Provinzarchivar Martin Wikenhauser.

Wie ein Ortsschild stellt Martin Wikenhauser die Essenz seiner Aufgabe an den Beginn des Gesprächs: „Meine Aufgabe ist die Verifizierung von Fakten“, sagt er. Alles, was er hier anfasst und registriert, wird seiner Überprüfung unterzogen. Kann die Jahreszahl einer Fotoaufnahme stimmen? Was ist auf dem Bild zu sehen? Je mehr Aussagen zu einem Archivstück vorhanden sind und auch verifiziert werden können, desto wertvoller ist es.

Den ersten Fakt, den Wikenhauser überprüft hat, war der Umfang des Archivs, das er von Limburg, der ehemaligen Provinzhauptstadt der Pallottiner, nach Friedberg geholt hat. Lastwagen um Lastwagen. 1350 laufende Meter Rollregale hat er Platz im neuen Archiv. 650 Meter sind jetzt schon belegt. „Das war mehr als ursprünglich geschätzt“, sagt er. Über 19.000 Titel hat er in der Datenbank. Aus dieser Verifizierung leiten sich somit gleich die nächsten Fragen ab: Wie stark will und soll er verdichten? Was muss man doch entsorgen? Das wird sich daran entscheiden, welche Prioritäten die Provinzleitung für das Archiv festlegt.

Ein Archiv lebt von der Ordnung

Sollen alle noch ungeordneten Daten erfasst werden oder will man den Fokus auf die Digitalisierung des Vorhandenen legen, um es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Eine „dokumentarische Herangehensweise“ wäre es, so Wikenhauser, wenn man erschließt, was auch nachgefragt wird. Egal; wie es gehandhabt wird, ein Archiv lebt von der Ordnung. Und die ist zum größten Teil bereits vorgegeben. Die großen Oberpunkte sind dabei: die Provinzebene, die Institutionen, die Delegaturen sowie die einzelnen Häuser und Werke. Daneben gibt es die Kriegskorrespondenz, die Personalakten, Nachlässe, verwandte Institutionen und Sammlungen. Schließlich wird unterschieden nach Dokumentationen wie Totenbriefe, Bild- Ton- und Speichermedien, Druckwerke und schließlich ein eigener Ordnungspunkt „Vinzenz Pallotti“.

Wertvolle Akten beinhalten zum Beispiel die Kriegskorrespondenzen aus beiden Weltkriegen, darunter auch Frontberichte aus dem Ersten Weltkrieg. Darin spiegele sich bestimmt auch wider, wie der Krieg damals in das eigene Welt- und Glaubensbild integriert wurde. „Das strukturell zu untersuchen wäre sicher spannend“, meint Wikenhauser, der die Briefe selbst noch nicht gesichtet hat.

Die Kamerun-Akten sind bedeutsam

Ein großer Fundus sind auch die Kamerun-Akten. Zwar sind die Ursprungsakten in Afrika während des Ersten Weltkrieges verloren gegangen. Aber die Aufzeichnungen in Deutschland über Kamerun sind noch erhalten. Die zum Teil noch erhaltenen Akten in Afrika wären zumindest als Kopie auch für Friedberg interessant, sagt der Provinzarchivar. Denn schließlich ist die deutsche Gründung der Pallottiner ohne Kamerun nicht denkbar bzw. konnte nur aufgrund der Kamerun-Mission stattfinden.

Für Außenstehende sind vor allem die Personalakten und die Nachlässe interessant, erklärt Wikenhauser. Angehörige hätten normalerweise auch innerhalb der Schutzfristen ein Recht, diese einzusehen. In Ordensarchiven besteht dieses Recht aber nicht, so Wikenhauser. Die Schutzfrist für personenbezogene Akten beträgt 40 Jahre. Allerdings endet die Frist nicht vor Ablauf von 30 Jahren nach dem Tod, 120 Jahre nach der Geburt der Person und 70 Jahre nach Entstehung des Archivgutes.

Wenn Martin Wikenhauser neues Material in Empfang nimmt, versucht er erstmal, alle Informationen festzuhalten, die es darüber gibt. Anschließend wird alles auf der Archivbank ausgebreitet, von Eisenmaterial gereinigt und in säurefreien Kisten abgelegt. Denn nur rostfrei überlebt das Material gut. Anschließend werden Signaturen und Beschriftung aufgebracht.

Gibt es etwas, das er im Archiv vermisst? Ja, die Akten aus dem Friedberger Bestand fehlen ihm noch, sagt Wikenhauser. Und wie gesagt: die restlichen Kamerun-Akten, mit denen die deutschen Pallottiner so verflochten sind.

Bericht: Alexander Schweda
Bilder: Alexander Schweda und P. Rainer Schneiders

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