"Pater Reinisch war umstritten"

Großprojekt Seligsprechung: Im Gespräch mit Pater Niederschlag SAC

Prof. em. Dr. Heribert Niederschlag SAC ist seit Mai 2013 Postulator im Seligsprechungsprozess von P. Franz Reinisch. Zudem war er bis Herbst 2016 Direktor des Ethik-Institutes an der PTHV. Mit ihm sprach Verena Breitbach, Pressereferentin der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV).

 

Breitbach: An welchem Punkt befinden Sie sich im Rahmen des Seligsprechungsprozesses von P. Franz Reinisch?

Der Seligsprechungsprozess für P. Franz Reinisch wurde im Mai 2013 in Trier eröffnet. Theologen, wie auch Historiker haben die wichtigsten Dokumente gesichtet und positiv bewertet. Was noch aussteht, ist der Bericht über die Verehrung von P. Franz Reinisch über den Kreis der Gemeinschaft der Pallottiner und der Schönstattbewegung hinaus. Wir hoffen, dass noch in diesem Jahr der Prozess auf der Diözesanebene abgeschlossen werden kann. Danach werden alle Akten und Dokumente nach Rom gebracht und der „Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse“ übergeben.  

 

Breitbach: Inwiefern war P. Reinisch ein Vorbild für die Gemeinschaft der Pallottiner bzw. warum wurde das zunächst nicht von allen so gesehen?

Reinisch war umstritten. Er war ein Mann, der aufs Ganze ging und aus einem Guss zu leben versuchte. Sein Vater war Jurist und auch er wollte zunächst Jura studieren. Darum hatte er ein ausgeprägtes Empfinden für die Gerechtigkeit. Schon sehr früh erkannte er, dass Hitler und die Nazis verbrecherisch handelten und den christlichen Glauben wie auch die Kirche zerstören wollten. Darum war ihm – ähnlich wie Dietrich Bonhoeffer auf evangelischer Seite – sehr schnell klar, dass mit den Nazis kein Kompromiss möglich ist. „Entweder Christ oder Nationalsozialist!“ Ein „sowohl als auch“ war für ihn ausgeschlossen. Er gehörte zu jenen, die wegen ihrer Klarheit und Geradlinigkeit den braunen Stürmen des Zeitgeistes bis aufs Blut widerstanden haben. Diese klare und eindeutige Haltung ist besonders in Zeiten wichtig, in denen „Schaumgummi und Weichspüler“ dominieren. Viele Pallottiner waren stark von der Tradition geprägt, in der die Autorität zum Gehorsam verpflichtete. Darum war es für sie keine Frage, den Fahneneid auf Hitler abzulegen. Reinisch aber unterschied zwischen Gehorsam und Gewissen und er entscheid sich eindeutig für das Gewissen.

 

Breitbach: Wieso haben Sie diesen Seligsprechungsprozess übernommen?

Als ich Anfang der 80er Jahre mit den Vorlesungen in Moraltheologie begonnen habe, habe ich an dem Entscheidungsweg von P. Reinisch den Anspruch und die Würde des Gewissens zu illustrieren versucht. Nach und nach ging mir immer mehr auf, dass Reinisch gerade für die heutige Zeit ein Geschenk wie auch ein Vorbild ist.

Mehrfach wurde von uns Pallottinern versucht, den Seligsprechungsprozess eröffnen zu lassen. Zuletzt in den 90er Jahren in Augsburg. Damals schien die Zeit noch nicht reif zu sein. Provinzial Hans-Peter Becker hat vor zehn Jahren einen neuen Versuch gestartet und sich an den Trierer Bischof Stephan Ackermann gewandt, in dessen Diözese sich das Grab von P. Franz Reinisch befindet. P. Hans-Peter Becker fragte mich, ob ich bereit sei, den Prozess als Postulator zu begleiten. Ich habe gerne zugestimmt.

 

Breitbach: Wie stellt man sich einen solchen Seligsprechungsprozess vor – wie lange wurden dazu Dokumente gesammelt und Vorbereitungen getroffen?

Eine Seligsprechung ist in der römisch-katholischen Kirche ein kirchenrechtliches Verfahren, bei dessen Abschluss der Papst nach entsprechender Prüfung erklärt, dass ein Verstorbener als Seliger bezeichnet werden und als solcher öffentlich verehrt werden darf. Voraussetzung sind entweder das Martyrium oder ein heroischer Tugendgrad und, falls es sich nicht um einen Märtyrer handelt, der Nachweis eines Wunders, das auf die Anrufung des Seligen und dessen Fürsprache bei Gott bewirkt wurde. Im Unterschied zur Heiligsprechung wird durch die Seligsprechung jedoch nur eine lokale Verehrung gestattet. P. Franz Reinisch hat seine Gewissenentscheidung aus dem Glauben getroffen und ist dafür gewaltsam getötet worden. Darum dürfen wir hoffen, dass er als Märtyrer anerkannt wird.

Seit mehr als fünf Jahrzehnten werden die Akten und Dokumente zusammengetragen, die in dreifacher Kopie nach Trier gebracht und überprüft werden.

 

Breitbach: Neben der Betreuung des Seligsprechungsprozesses als Großprojekt sind Sie der Gründer des Ethik-Institutes an der PTHV und waren dessen Leiter bis im Herbst 2016, als dieses 10-jähriges Jubiläum feierte. Was war Ihr Ziel mit der Errichtung des Ethik-Institutes und was wünschen Sie nun Ihrem Nachfolger?

Im Jahre 2003 geriet unsere Hochschule in eine kritische Phase. Die damalige Generaloberin der Waldbreitbacher Schwestern sprang ein und empfahl uns, unter dem Dach der PTHV auch die Pflegewissenschaft zu etablieren. Die Herausforderungen auf dem pflege- und medizinethischen Feld sollten in einem eigenen Institut reflektiert und auch in die Öffentlichkeit hinein vermittelt werden. Dazu haben wir sonntags Matinees veranstaltet. Zudem Ärzte, Pflegende und Interessierte zu medizinethischen Arbeitskreisen eingeladen. Ferner wurde auch ein Ethikrat für die katholisch getragenen Krankenhäuser im Bistum Trier gegründet, in dem Fragen von grundlegender Bedeutung bedacht und die Ergebnisse als Empfehlung der Geschäftsleitungen übergeben werden. In wichtigen ethischen Fragen sollten die katholisch getragenen Einrichtungen mit „einer Zunge sprechen“, etwa die Frage: Wie gehen wir mit Zeugen Jehovas um, die grundsätzlich die Bluttransfusion ablehnen? Oder: Welche Bedeutung kommt den Patientenverfügungen zu?

Mein Nachfolger Dr. Ingo Proft hat das Ethik-Institut in den vergangenen Jahren mitgeprägt. Er kennt sich in den verschiedenen Feldern gut aus. Ich wünsche ihm von Herzen, dass er so faire und kreative Mitarbeiter an seiner Seite hat, wie ich sie in den vergangenen zehn Jahren erlebt habe.

 

Breitbach: Was war stets Ihre Motivation, ihr Motto, solche „Großprojekte“ umzusetzen?

Ich habe mich schon früh mit den Nahtoderfahrungen beschäftigt. Viele, die aus dem Koma erwacht sind oder reanimiert wurden, erzählten dass sie das ganze Leben wie in einem Film noch einmal erlebt haben und, dass ihre Entscheidungen gewertet worden sind. Das bestätigt die ethische Devise der Antike, einen Lebensstil zu entwerfen, von dem man auf dem Sterbebett wünschen wird, gelebt zu haben. Unsere ethischen Entscheidungen, wenn sie sich am Guten orientieren, ebnen in uns den Weg zu einem tiefen inneren Frieden und führen schließlich auch zum Gipfel eines gelungenen Lebensstils: zur heiteren Gelassenheit! ((VB 27.2.17; Bild:privat)

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