"Der wird bestimmt mal Pastor"

Pater Herbert Federspiel SAC

Im Schrank seines Wohn- und Arbeitszimmers steht ein Federspiel, ein edler Kabinettwein von hohem Mostgewicht aus der Wachau, einem Tal der Donau in Niederösterreich. Der Name Federspiel führt auf einen alten Brauch bei der Falkenjagd zurück, eine gerade in der Wachau einst übliche Form herrschaftlicher Jagd. „Unsere Vorfahren müssen wohl Falkner gewesen sein“, vermutet Pater Herbert Federspiel, der jedoch aus dem Saarland stammt und sich vor 62 Jahren für das Leben in einer Kommunität der Pallottiner entschied.

Die zersplitterte Taschenuhr von Opa
Der Sohn eines Schmiedes und Schlossermeisters hat 1940 im katholisch geprägten Wadern nahe der französischen Grenze das Licht der Welt erblickt und in seiner Kindheit Angst und Schrecken erlebt. Wadern, das nahe des Westwalls lag, erlebte den Krieg besonders Ende 1944/Anfang 1945, als die Alliierten Luftangriffe auf die Dörfer der heutigen Saarstadt flogen.

„Die Alliierten wollten alles platt machen. Wir lagen angezogen im Bett und mussten bei Alarm zum nächsten Bunker laufen. Zweimal wurde unser ganzes Dorf evakuiert, zuerst in das saarländische Eiweiler, dann nach Genthin im heutigen Sachsen-Anhalt. Uns erging es damals wie den Flüchtlingen heute; denn es wollte uns keiner haben“, schildert Federspiel seine Erlebnisse und dass bei der Rückkehr in die alte Heimat alles vermint war. 94 Prozent der Häuser seien völlig zerstört gewesen und sein Opa, der auf eine Mine trat, habe Arm und Beine verloren. Pater Federspiel verwahrt seine zersplitterte und notdürftig reparierte Taschenuhr.

In diesem verminten Umfeld ging der junge Herbert in Raden, einem Stadtteil von Saarlouis zur Schule. Federspiel erinnert sich: „Viele kamen noch nach dem Krieg zu schaden. Mein Lehrer wollte, dass ich aufs Gymnasium gehe, aber wir hatten kein Geld. Ich wurde Messdiener, kam in die achte Klasse und bin jeden Morgen vor den Eltern aufgestanden, um die Messe zu dienen. Der Kaplan fragte mich: ‚Willst du nicht auch Kaplan werden?‘ Aber mit 14 Jahren war ich fürs Gymnasium zu alt. Ich wurde überall abgelehnt, hatte wegen des französischen Schulrechts in der Besatzungszone nicht mal einen Hauptschulabschluss.

Gegen die Regel zu den Pallottinern
Einer aus dem Dorf, der Schüler bei den Pallottinern war, meinte, ich solle doch dorthin gehen. Aber ich habe das abgelehnt; denn sie wollten, dass ich unterschreibe, später ins Kloster einzutreten. Dann haben sie mich gegen die Regel aufgenommen.“ Im Limburger Bischof-Vieter-Kolleg wurde er auf das Abitur vorbereitet, das Federspiel 1960 am städtischen Gymnasium bestand.

Warum er dann doch gegen seinen ursprünglichen Willen zwei Jahre später die erste Profess ablegte und nach dem Studium an der Theologisch-Philosophischen Hochschule in Vallendar 1966 zum Priester geweiht wurde, begründet der heute 78-Jährige: „Mich haben die alten Brüder, ihre Frömmigkeit, Strahlkraft und Güte so fasziniert, dass nach einem Jahr für mich klar war, dass ich ebenfalls Pallottiner werden wollte. Als ich geweiht war (wir waren der letzte Kurs mit einer zweistelligen Priesterzahl), hat mir meine Mutter erzählt, ich hätte schon als Baby die Hände gefaltet und die Schwestern von Waldbreitbach hätten gesagt: „Der wird bestimmt mal Pastor.“

Seine ersten Einsätze hatte der junge Pater zunächst im pastoral-theologischen Institut in Friedberg bei Augsburg und danach zweieinhalb Jahre Erzieher bis zur Auflösung des Pallottiner-Konvikts in Rheinberg am Niederrhein, von wo aus er mit Jugendbildungsarbeit zu Pater Bernhard Pieler in das Haus Wasserburg nach Vallendar-Schönstatt kam. Sieben Jahre war Federspiel dort eingesetzt, die letzten drei Jahre als Spiritual an der Hochschule in Vallendar, ehe er am 1. Dezember 1977 zur Seelsorge in die St. Annakirche kam, wo er 15 Jahre lang wirkte.

Schweigen fördert die Kommunikation
Pater Federspiel hat in einem theologisch-pastoralen Institut eine berufsbegleitende Ausbildung für Seelsorgegespräche in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung absolviert. „Ein wichtiger Einschnitt für mich waren Einzelexerzitien, wobei ich großen Wert auf die Quantität in der Anwesenheit Gottes, nicht auf Qualität lege“, sagt er. Ihn habe ganz überrascht, zu erleben, dass Schweigen die Kommunikation fördert. Ab 1992 hat er in Olpe mit Einzelexerzitien begonnen und weiteren spirituellen Aufgaben begonnen. „Mein erster Kurs war noch gar nicht ausgeschrieben und schon belegt“, sagt der Pater, der hernach in verschiedenen Orten angefragt wurde.

Seine nächsten Stationen waren je sechs Jahre in Erfurt und Genthin. „Wir Pallottiner sollten nach der Wende einen Beitrag für die neuen Länder leisten“, berichtet der Gottesmann, der später dem Ruf nach Hochstetten in den Bayerischen Wald folgte, um Kurse, geistliche Begleitung und Beichtseelsorge in Exerzitienhäusern anzubieten: „Manchmal habe ich in 14 Tagen zehn verschiedene Predigten gehalten“, sagt er.

Der Saarländer ist ja im Allgemeinen ein sehr kommunikativer Mensch, der mit wenigen Worten viel zu sagen hat und wenn der Pater predigt, dann sind seine Worte treffsicher. Das konnten die Limburger an Pfingsten vorigen Jahres erfahren, die ihm im Konventamt der Pallottinerkirche für seine mutigen Ausführungen mit Applaus dankten.

„Exerzitien ermöglichen eine intensive Begegnung mit Gott und sich selbst“

Schriftstellen, die zur Lebenssituation passen
Zurück in Limburg, wo er nun seit drei Jahren wieder wohnt, war Pater Federspiel zunächst Hausseelsorger bei den Pallottinerinnen. 26 Jahre sei er nunmehr unterwegs, um Menschen in Exerzitien abseits des alltäglichen Lebens mit geistlichen Übungen zu einer intensiven Besinnung und Begegnung mit Gott und sich selbst zu führen. Das gelinge durch achttägiges Schweigen und den Verzicht auf alle Kommunikationsmittel sowie die Bereitschaft, täglich vier Stunden zu meditieren. Wenn er sodann abends jeweils mit den Teilnehmern Einzelgespräche führe, dann spüre er, wie das Schweigen nichts mehr zurückhalte. In der Reflexion suche er Schriftstellen, die zu der Lebenssituation des Einzelnen passen.

Die nächsten Exerzitien verbringt Federspiel bei den Franziskanerinnen im Kloster Mallersdorf/Bayern. „Die haben die einzige Nonne, die Braumeisterin ist. Bei denen gibt es zum Mittag- und Abendessen Fassbier, worauf ich mich natürlich sehr freue“, gibt der Geistliche zu, der sodann noch die Salvatorianerinnen in Kerben-Horrem und später noch den Franziskusschwestern Vierzehnheiligen in Bad Staffelstein die Vorzüge des Schweigens lehren wird. Keine Frage, dass ihn in der Folge viele Rückmeldungen und Kontakte in Briefen und auf elektronischem Wege erreichen.

Laufen, Radfahren, Leute kennenlernen
In den Gottesdiensten der Pallottinerkirche übernimmt der Pater bisweilen die Vertretung des etatmäßigen Küsters. „Jeden Tag nach dem Essen gehe ich spazieren oder fahre mit dem Rad. „In diesem Jahr werde ich auf 2.000 Fahrradkilometer kommen“, sagt er, der im Urlaub seine Schwester im Saarland und Klassentreffen besucht. „Jetzt liebe ich auch Biergärten wegen ihrer ungezwungenen Atmosphäre. Lerne gerne Leute kennen.“

„Allee dann“ bedeutet im Saarland „Auf ein Wiedersehen“, „Bis bald“

Pater Federspiel befasst sich viel und gerne mit der saarländischen Mundart und behauptet trotz seiner langen Abwesenheit von seiner Heimat: „Von unserer ganzen Sippschaft spreche ich das beste Platt, kenne Gedichte und Geschichten“ – allee dann!

Text und Bild: Dieter Fluck

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