Das füreinander Dasein bezeugt die Botschaft Gottes
Pater Prof.em. Dr. Alfons Weiser SAC
Lieber Alfons, Du warst von 1970 bis 1975 Dozent und von 1975 bis zu Deiner Emeritierung 2003 Professor für Neues Testament an der PTHV. Dein Leben stand ganz im Dienst am Wort Gottes. Was ist deine wichtigste und liebste Bibelstelle?
Zunächst aus dem ersten Johannesbrief: Gott ist die Liebe. Dann aus dem Lukasevangelium das Gleichnis von dem unglaublich barmherzigen Vater; und dann aus dem Markusevangelium das Wort Jesu: Ich bin nicht gekommen, die Gerechten zu berufen sondern sündige und hilfsbedürftige Menschen, wie ein Arzt …
Du bist auch mit Deinen 84 Jahren immer noch ein wacher Zeitgenosse: Welche Botschaft des Neuen Testaments ist Deiner Meinung nach für heute von besonderer Bedeutung?
Das füreinander Dasein im persönlichen Bereich und auch im gesellschaftspolitischen Bereich. Denn das bezeugt die biblische Botschaft Gottes: Seine Liebe zu uns Menschen und dementsprechend unser Dasein für einander. Das entspricht dem Kernverhalten Jesu, seinem Dasein Für. Es gilt auch für mich, und zwar nicht aus nur humanistischem Weltverständnis heraus, sondern weil ich geliebt bin, umfassend und abgrundtief, von dem letzten personalen Du, das wir Gott nennen. Deshalb vermag ich und bin ich gehalten, im Dasein Für zu leben. Das zeigt sich im täglichen Anspruch an mich selber, aber auch gesellschaftlich: unsere Gesellschaft ist menschenwürdiger nur zu gestalten im Dasein für einander. Jedes Gemeinwesen lebt ja vom Einsatz der Einzelnen für das Gemeinwohl. Weltpolitisch stellt sich die Frage: Wie können Staaten in Solidarität einander helfen, zumal in der gegenwärtigen weltweiten Flüchtlingssituation?
Was bedeutet es für Dich, Pallottiner zu sein?
Zum allerersten Mal las ich von den Pallottinern in der Osnabrücker Bistumszeitung 1950. Ich arbeitete als Maschinenschlosser und hatte keine Ahnung. Da las ich einem Artikel von Pater Faller: „Vinzenz Pallotti und das Laienapostolat“. Das fasziniert mich bis zum heutigen Tag: Dass alle Getauften, Männer und Frauen in der Kirche dazu berufen sind, die Botschaft Gottes zu bezeugen und für ein gutes Miteinander zu sorgen, jeder nach seinen Möglichkeiten.
Deshalb bin ich dankbar für das Arbeiten hier an der Hochschule, die ich als guten Ausdruck der Ideen Pallottis empfinde. Dazu gehört auch, dass ich mit Dir, Sr. Margareta, aus der Gemeinschaft der Siessener Franziskanerinnen, im Sinn Pallottis arbeiten kann. Ich fühle mich hier bis in diese Minute hinein wohl wie ein Fisch im Wasser (lacht).
Alfons, was war denn, im Rückblick gesehen, der glücklichste Moment in deinem langen Leben?
(überlegt einen Augenblick) Ich hatte in meiner Kindheit ein Erlebnis: Ich war vielleicht acht Jahre alt und renne als kleiner Junge am Ostersamstag in unsere schöne Barockkirche hinein. Und es war ein strahlend heller Frühlingssonnentag, und die Kirche erstrahlte schon in vollem österlichen Schmuck. Ich habe mich in diesen Minuten in der Kirche, allein, von einem mich umfassenden, strahlenden und durch und durch wärmenden Licht umgeben empfunden, so dass diese wenigen Minuten zu meinen emotional beseligendsten und glücklichsten Lebensmomenten gehören. Und etwas von diesem Licht wärmt mich und strahlt immer noch in mir.
Lieber Alfons, du leidest seit über 20 Jahren an deiner zunehmenden Blindheit. Das äußere Licht wird bei Dir immer weniger. Dennoch erleben Dich alle im Haus als frohen, ausgeglichenen Menschen. Wie machst Du das?
Da mache ich gar nicht viel, sondern alles bisher Gesagte spielt da hinein! Ich bin gehalten und geliebt und darf lieben – könnte ich es nur mehr. Ob ich nun mehr oder weniger sehe, ist nicht so wichtig.
Ich darf allerdings hinzufügen: Als ich noch sehen konnte, habe ich durch Jahrzehnte hin so viel Schönes, in der Natur aber auch im Bereich menschlicher Beziehungen sehen, hören und erleben dürfen, dass selbst jetzt bei nicht mehr sehfähigen Augen so viel in mir von dem Gesehenem lebendig ist. „Unsere Erinnerung ist ein Paradies, aus dem uns niemand vertreiben kann“, sagt der Dichter García Lorca. Auch die Blindheit kann mich nicht daraus vertreiben. Oder, wie Faust sagt: „Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen, allein im Innern leuchtet helles Licht.“
Text: Das Interview mit Pater Prof.em. Dr. Alfons Weiser SAC führte Schwester Prof. Dr. Margareta Gruber OSF. Sie ist Lehrstuhlinhaberin für Exegese des Neuen Testaments und Biblische Theologie und Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Pater Weiser war ihr Vorgänger auf diesem Lehrstuhl. Foto: Prof. Margareta Gruber OSF
Prof. em. Dr. Pater Alfons Weiser SAC wurde 1934 in Wölfelsgrund (Schlesien) geboren. 1952 kam er zu den Pallottinern, feierte im April 1963 seine Ewige Profess und wurde im Juli 1964 zum Priester geweiht. Seit 1970 lebt und arbeitet er an der PTHV. Weiser ist ein bekannter Bibelwissenschaftler und ein begnadeter Organist. Sein Buch „Was die Bibel Wunder nennt – Ein Sachbuch zu den Berichten der Evangelien“ hat seit Mitte der 70ger Jahre international Beachtung gefunden.
Information zur PTHV:
Die Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar (PTHV) ist eine kirchlich und staatlich anerkannte wissenschaftliche Hochschule (im Rang einer Universität) in freier Trägerschaft. Die Gesellschafter der PTHV gGmbH sind die Vinzenz Pallotti gGmbH und die Marienhaus Holding GmbH. Rund 50 Professoren und Dozenten forschen und lehren an der PTHV und betreuen etwa 390 Studierende beider Fakultäten Theologie und Pflegewissenschaft.
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