Familienzuwachs

Junge Flüchtlinge in der Hausgemeinschaft Hofstetten

Es ist eine Frage, eine Situation, die seit Monaten die Gemüter erhitzt: die Flüchtlingsfrage. Sie beginnt im „Großen“, in heißen Debatten von Politikern, in namenlosen Zahlen und theoretischen Diskussionen auf Facebook. Sie endet regional: in Menschen, Gesichtern und Schicksalen.

„Wir hatten alles in der Gemeinschaft vorbesprochen“, erzählt Pallottinerpater Norbert Lauinger, der mit drei Mitbrüdern und vier Mallersdorfer Schwestern das Missionshaus Hofstetten im idyllischen Städtchen Falkenstein bewohnt. „Alle waren dafür, dass wir uns beim Thema Flüchtlinge engagieren. Wir haben nur darauf gewartet, dass von öffentlicher Stelle jemand fragt.“ Die Anfrage kam und wenig später zogen zwei junge Iraner in Hofstetten ein; kurz darauf noch ein Iraker. „Wir fanden, drei können wir gut verkraften“, so Pater Lauinger. „Uns war nur wichtig, dass sie sich untereinander gut verstehen.“

Als die drei jungen Männer im beschaulichen Gästeraum des Missionshauses über einer Tasse Kaffee von ihren Erlebnissen erzählen, hat es fast etwas Unwirkliches: von den Strecken, die sie zu Fuß zurückgelegt haben. Die Bootsfahrt, die eigentlich von der Türkei nach Italien gehen sollte. Unterwegs verfuhr man sich; das Benzin wurde knapp. „Das war eine schlimme Zeit.“ Letzten Endes half die Polizei ihnen nach Griechenland – wegen der Frauen und Kinder an Bord. Sonst hätte man sie zurück in die Türkei geschickt. In Deutschland waren sie kaum zehn Minuten, ehe die Polizei sie aufgriff. „Die deutsche Polizei ist sehr schnell“; da sind sich alle einig. „Man nahm uns Handys und die SIM Cards ab.“ Plötzlich war der Kontakt zu Freunden und Familie abgebrochen. Warum; das erklärte ihnen niemand. In fünf Monaten wurden sie fünfmal verlegt; alle Geldrücklagen investierten sie in einen Anwalt. „Ich habe in meiner Heimat ein großes Problem; darum bin ich geflohen“, so einer der beiden Iraner. „Welches? Danach hat mich nie jemand gefragt.“

Dann kamen sie nach Hofstetten, ein Haus das sich auf religiöse Bildung spezialisiert hat. Doch die Offenheit und Zusammenarbeit, auf die der Heilige Vinzenz Pallotti einst so großen Wert legte, ist hier Teil des Alltags. So war es für die Hausgemeinschaft selbstverständlich in der Notsituation zu helfen. „Gott sei Dank“, sagen ihre Neuzugänge heute, eineinhalb Monate später. Trotz ihrer bescheidenen Sprachkenntnisse geht ihnen der Ausdruck fließend über die Zunge. Ob es für die Männer ein Problem war, in ein christlich geführtes Haus zu ziehen? „Wir waren zwei Monate lang zu Fuß unterwegs, haben wirklich schlimme Dinge gesehen und kein einziges freundliches Wort gehört.

„Als wir hier her kamen, haben wir an gar nichts geglaubt. Doch hier lernen wir wieder.“ „Dieses Haus ist wunderbar. Und der Pater hat uns sehr geholfen“, schließt sich ein anderer an. „Wunderbar“ ist ein Wort, dass auch Pater Lauinger dieser Tage häufig verwendet: „Die Zusammenarbeit und auch das Zusammenleben funktioniert wunderbar. Die engagieren sich, als ob es ihr eigenes Heim wäre.“

Die bunte Hausgemeinschaft Hofstetten ist inzwischen eine Symbiose, von der alle Seiten profitieren. „Für mich sind sie wie Familie. Wie Söhne“, so Lauinger. „So geht es uns allen im Haus. Das ist wie Familienzuwachs. Und wir freuen uns sehr über ihr Engagement und ihren Fleiß.“ Immerhin ist Hofstetten kein kleines Anwesen; die Hilfe in der Küche oder auch im Wald ist durchaus willkommen. „Es hat von Anfang an gut funktioniert“, resümiert der Pater. „Die waren sehr freundlich und haben sich mit eingebracht.“ „Dies ist ein guter Ort“, findet auch Azad aus dem Iran. „Gott hat uns hierher geholfen.“

Nachdem sich das Zusammenleben äußerst unproblematisch gestaltet, ist die Zukunft von seinem „Familienzuwachs“ natürlich ein weiteres Anliegen von Pater Lauinger. Doch dafür müssen erst einmal die Asylanträge genehmigt werden – bis dahin ist Geduld gefragt. Mit Zukunftsplänen halten sich die drei jungen Männer noch zurück. „Ziele? Ich kenne Europa gar nicht. Ich möchte nur sicher leben.“ Doch in einer Sache sind sich alle drei einig: „Erst einmal müssen wir Deutsch lernen.“

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